Vor der Stromlücke
Schweizer Unternehmen im Blindflug

Höhere Preise und drohende Versorgungskrise haben einen Run der Unternehmen auf Energieberatungen ausgelöst. Es besteht grosser Nachholbedarf.
Publiziert: 14.08.2022 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2022 um 11:17 Uhr
Sven Zaugg

Steigende Öl- und Gaspreise infolge des Ukraine-Kriegs und eine drohende Stromlücke im Winter haben Energieberater zu hoch begehrten Ansprechpartnern gemacht. Ob Industriefirmen, Dienstleister, Grossisten oder kleine und mittlere Unternehmen: «Fragen zum Thema Energieeffizienz haben bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) signifikant zugenommen», sagt Gian Cavigelli, Chef der Energieberatung für Geschäftskunden.

Wie spart man Energie? Wie begegnet man einer Stromlücke? Was kostet die Umsetzung geeigneter Sparmassnahmen? Stehen Lieferengpässe bevor? Steigen die Preise weiter?

Nachholbedarf beim Stromsparen riesig

«Weil manche Unternehmen das Stromsparen bislang stiefmütterlich behandelten und sich die Situation zuspitzt, ist der Nachholbedarf riesig», sagt Energiespezialist Cavigelli. «Nervös sind besonders grosse Unternehmen, die von einer allfälligen Kontingentierung betroffen wären.»

Fragen zum Thema Energieeffizienz haben laut Gian Cavigelli bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich EKZ signifikant zugenommen.
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Eine solche Kontingentierung könnte rund 30'000 Unternehmen treffen. So prognostiziert es Ostral, die Krisen-«Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen». Und weil einige Firmen in nützlicher Frist keine Energiesparpläne aus der Schublade zaubern können, beginnt das grosse Zittern vor rigorosen Einschränkungen im Winter schon während des Hochsommers.

Einfache Massnahmen, grosse Wirkung

Fast jede Firma – ob produzierendes Gewerbe oder Dienstleister – könne mit einfachen Massnahmen zwischen zehn und 15 Prozent des Stromverbrauchs reduzieren, sagt Cavigelli: «Bei der Raumwärme, die über die Hälfte des Energiebudgets von Unternehmen ausmacht, ist das Einsparpotenzial besonders gross.»

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Auffallend allerdings ist der Umstand, dass viele Firmen ihrem Stromverbrauch immer noch kaum Aufmerksamkeit schenken. Reto Müller von den Industriellen Werken Basel (IWB): «Oft kennen Kunden ihren eigenen Verbrauch nicht im Detail und sind sozusagen im Blindflug unterwegs.» Die Erfahrung zeige, dass bei Unternehmen mindestens zehn Prozent der Einsparungen allein durch die Optimierung der Gebäudetechnik, aber ohne Eingriffe in den Produktionsprozess und ohne Investitionen möglich seien.

Energieengpässe würgen die Wirtschaft unweigerlich ab

Erst allmählich dämmert manchen Unternehmen, dass eine ineffiziente Stromstrategie auch den entsprechenden Budgetposten belastet: «Die Mehrheit der Geschäftskunden, ob Gas- oder Stromkunden, sind über die jüngste Preisentwicklung besorgt, da sie sich finanziell stark auf ihr Geschäft auswirkt», sagt Tobias Kistner vom Stromriesen Axpo. Gleichgültig, wie gross ein Unternehmen ist oder in welcher Branche es tätig ist: Energieengpässe und Stromausfälle würgen die Wirtschaft unweigerlich ab. Angesichts steigender Energiepreise und drohender Strommangellage beobachtet die Berner Energielieferantin BKW inzwischen ein Umdenken – wenn auch ein zögerliches. Sprecher Markus Ehinger-Camenisch sagt: «Bereits im Stadium der Ausschreibung von Projekten wird heute die Nachhaltigkeit höher gewichtet als früher. Vor allem Fotovoltaikanlagen sind sehr gefragt.»

In der gegenwärtigen Lage gelte es einerseits, bei «zyklischen Abschaltungen» den Betrieb aufrechterhalten zu können, anderseits mit «geeigneten Massnahmen» den Verbrauch zu senken.

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