«Ich fühlte mich richtig verarscht»
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Nach Spitalkosten-Rechnung:«Ich fühlte mich richtig verarscht»

Krebskranker Rolf Meyer kann sich wichtige Operation nicht mehr leisten
«Sterben wäre für mich günstiger»

Rolf Meyer (72) leidet an Unterleibskrebs. Durch seine Krankheit hat er schon diverse Organe verloren, doch jetzt ist er auch finanziell am Ende. Der Grund dafür ist die 15-Franken-Essens-Pauschale, die er pro Spitaltag seiner Krankenkasse zahlen muss.
Publiziert: 15.02.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2024 um 10:09 Uhr
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Gina KrücklReporterin

Wegen Unterleibskrebs und darauffolgenden Komplikationen verbrachte Rolf Meyer (72) im vergangenen Jahr fast fünf Monate im Spital oder der Reha. Schon bald steht die nächste grosse Operation an, wobei ihm ein Punkt fast noch mehr Sorgen als seine Gesundheit bereitet. Denn trotz Krankenversicherung ist Meyer durch die Krebstherapie ruiniert. Was ihm finanziell das Genick gebrochen hat, ist ausgerechnet das Spital-Essen! Hintergrund ist eine Gebühr, die wohl die wenigsten Patienten kennen: der sogenannte Spitalkostenbeitrag.

Was ist der Spitalkostenbeitrag?

Mit dem Spitalkostenbeitrag sollen sich Versicherte an den Kosten ihres Spitalaufenthalts beteiligen. Spezifisch geht es um die Verpflegungskosten, die damit im eigenen Haushalt eingespart werden. Zahlen muss den Spitalkostenbeitrag jeder, mit Ausnahme von Schwangeren, Minderjährigen und Auszubildenden bis 25 Jahren. Der Beitrag darf weder von einer Krankenkasse versichert, noch von anderen Institutionen übernommen werden.

Die Grundlage für den Spitalkostenbeitrag wurde nach einem Ja des Stimmvolks mit dem 1996 eingeführten Krankenkassenversicherungsgesetz geschaffen (Art. 64 Abs. 5 KVG). Die Höhe des Beitrags wird vom Bundesrat bestimmt. 2010 hat er diese von den ursprünglichen 10 Franken auf 15 Franken erhöht (Art. 104 VHH). In seiner Mitteilung dazu schrieb der Bundesrat, dass die Grundversicherer mit dieser Erhöhung rund 115 Millionen Franken im Jahr einsparen können.

Mit dem Spitalkostenbeitrag sollen sich Versicherte an den Kosten ihres Spitalaufenthalts beteiligen. Spezifisch geht es um die Verpflegungskosten, die damit im eigenen Haushalt eingespart werden. Zahlen muss den Spitalkostenbeitrag jeder, mit Ausnahme von Schwangeren, Minderjährigen und Auszubildenden bis 25 Jahren. Der Beitrag darf weder von einer Krankenkasse versichert, noch von anderen Institutionen übernommen werden.

Die Grundlage für den Spitalkostenbeitrag wurde nach einem Ja des Stimmvolks mit dem 1996 eingeführten Krankenkassenversicherungsgesetz geschaffen (Art. 64 Abs. 5 KVG). Die Höhe des Beitrags wird vom Bundesrat bestimmt. 2010 hat er diese von den ursprünglichen 10 Franken auf 15 Franken erhöht (Art. 104 VHH). In seiner Mitteilung dazu schrieb der Bundesrat, dass die Grundversicherer mit dieser Erhöhung rund 115 Millionen Franken im Jahr einsparen können.

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Über 1000 Franken Zusatzkosten

Vergangene Woche besucht Blick Rolf Meyer in seiner Wohnung in Lausanne. Während der Rentner über seine Spitalrechnungen schaut, schüttelt er den Kopf und sagt: «Ich fühle mich abgezockt.» Pro Spitaltag soll er seiner Krankenkasse 15 Franken zahlen. Inklusive des geplanten Spitalaufenthalts belaufen sich die Zusatzkosten gegen 2000 Franken. Geld, das der Rentner nicht hat.

Rolf Meyer (72) leidet seit einem Jahr an Unterleibskrebs und weiss nicht mehr, wie er seine Spitalkosten zahlen. Der Rentner lebt gemeinsam mit seiner Familie von monatlich 2800 Franken der AHV und Ergänzungsleistungen.
Foto: JEAN-GUY PYTHON
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Meyer hat sein ganzes Leben lang gearbeitet. Als studierter Maschinenbau-Ingenieur baute er fast zwei Jahrzehnte lang bei einer US-Firma Maschinen speziell für die Nasa und Feuerwehren. Anschliessend kam er zurück in die Schweiz und machte sich selbständig. Auch nachdem er das Pensionsalter erreicht hatte, arbeitete er als Berater weiter und verdiente so durchschnittlich 3000 Franken im Monat zu seiner AHV-Rente hinzu. Bis er vor einem Jahr zu krank zum Arbeiten wurde.

Ein halbleerer Unterleib

Weil Meyers Blase bereits vom Krebs zerfressen war, musste sie bei der ersten Operation komplett entfernt werden. Wenig später folgten Prostata, Samenleiter, diverse Lymphknoten und umliegendes Muskelgewebe. Innerhalb weniger Monate verlor Meyer einen guten Teil seiner Organe. Eine kostspielige Behandlung, die er wegen seiner 2500-Franken-Franchise und dem Zehn-Prozent-Selbstbehalt zum Teil selbst berappen musste. Denn die Ergänzungsleistungen der AHV zahlen hier höchstens 1000 Franken.

Beim Spitalkostenbeitrag können Meyers Ergänzungsleistungen hingegen keine Abhilfe verschaffen. Dieser darf per Gesetz weder von einer Krankenkasse, noch von anderen Institutionen übernommen werden. Ein Gesetz, das Meyer auf dem finanziellen Zahnfleisch laufen lässt. «Ich lebe von 2800 Franken im Monat, finanziere noch eine Tochter im Studium und meine Frau arbeitet nicht.»

Schon allein die Grundlage des Spitalkostenbeitrags findet Meyer völlig unsinnig: «Natürlich muss ich auch für mein Essen bezahlen, wenn ich zu Hause bin. Aber dann bin ich gesund, kann arbeiten und Geld verdienen.» Zudem sollte die Pauschale – wenn sie denn überhaupt nötig ist – deutlich tiefer angesetzt werden. «Das Essen für meine Familie kostet mich nicht durchschnittlich 15 Franken am Tag, geschweige denn nur für mich.»

Diese Woche wieder ins Spital

Mittlerweile zeigen auch Meyers beide Nieren potenzielle Krebsanzeichen. Noch diese Woche muss er sich erneut einer Operation unterziehen, um den Verdacht zu bestätigen. Im schlimmsten Fall wird die schlechtere Niere wohl direkt entfernt. Nach der OP wird Meyer voraussichtlich 21 Tage im Spital bleiben. Mindestens.

«Das sind wieder Minimum 300 Franken Zusatzkosten, die ich nicht habe», so Meyer. Weswegen er zwischenzeitlich mit dem Gedanken spielte, nicht zu gehen: «Ich kann die OP absagen. Ich kann sagen, ich will nicht mehr leben, also hör ich auf. Dann hören auch die Kosten auf. Sterben wäre für mich günstiger.»

Meyer geht voraussichtlich am Freitag wieder ins Spital. Wie er die Zusatzkosten für seinen Aufenthalt zahlen will, weiss er noch nicht. Und hat sich darum entschlossen, es vorerst gar nicht zu tun. «Ich habe alle meine Zahlungen storniert.» Ihm sei bewusst, dass dadurch schon bald Mahnungen und Betreibungen folgen dürften. «Das ist okay. Zumindest kann ich so mal ein Zeichen setzen, dass diese ganze Sache nicht in Ordnung ist.»

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