«In Zürich wäre das nicht passiert»
Wie konnte Adelines Killer dieses Messer im Knast bestellen?

Der Dok-Film «Adeline – Chronik eines angekündigten Mordes» (SRF) zeigte gestern, wie Fabrice A. im Gefängnis die Tat mit Hilfe des Internets vorbereitete. Wie kann das sein?
Publiziert: 27.02.2015 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:36 Uhr
Von Emanuel Gisi

Die Tatwaffe heisst Hunter XS. Im Internet machte sich Adelines Morels Killer Fabrice Anthamatten über das Messer der Schweizer Traditionsfirma Victorinox kundig, das er später heimlich statt des bewilligten Pferdemessers bestellte.

Dass er Adelines Partner laut der SRF-Dokumentation auf «Google Maps» die Stelle zeigte, wo er die Therapeutin später töten würde, deutet ebenfalls darauf hin, dass er seine Tat online vorbereitete. Wie kann es sein, dass ein Serienvergewaltiger derart freien Internetzugang hat?

«Das ist falsch»

«Dass ein Schwerverbrecher faktisch unkontrollierten Internetzugang hat, ist falsch», sagt Strafvollzugsexperte Benjamin F. Brägger zu Blick.ch. «Grundsätzlich gilt: Je geschlossener der Vollzug, desto stärker ist der Kontakt nach aussen eingeschränkt.»

Grundsätzlich sind im geschlossenen Vollzug in der Schweiz Internet- und Mobiltelefonnutzung verboten. Mit Suchgeräten und Störsendern setzen die Gefängnisse das Verbot durch. Ausnahmen gibt es, wenn Häftlinge das Internet etwa zur Aus- und Weiterbildung nutzen.

Nur schrittweise darf der Internetzugang erweitert werden – immer unter Aufsicht. «Dabei muss zum Beispiel auch der Verlauf der besuchten Webseiten analysiert werden.»

Alles Relevante in die Akte

Im Fall von Fabrice A. heisst das: «Wenn ein Insasse, der bei seinen Straftaten das Messer als Waffe benutzt hat, sich online über Jagdmesser informiert und sich über Hannibal Lecter kundig macht, gehört das in seine Akte.»

Nur so kann die Vollzugsplanung vor Ort laufend angepasst und die Gefährlichkeit des Insassen beurteilt werden. Therapie- und Wachpersonal müssten sich über den Fall ein Bild machen können.

Brägger ortet ein Problem im Westschweizer Verständnis des Strafvollzugs. «Hier wird ein psychisch kranker Täter hauptsächlich als Patient gesehen, der therapiert werden muss. In der Deutschschweiz dagegen ist die Therapie risiko- und deliktorientiert. Die Sicherheit der Gesellschaft steht hier an erster Stelle.»

Dafür werden auch Einschränkungen des Arztgeheimnisses in Kauf genommen, die aus Bräggers Sicht nötig sind. «Deliktrelevante Informationen müssen allen Personen zugänglich sein, die mit dem Fall zu tun haben.»

«Im Kanton Zürich wäre das so nicht passiert»

Brägger ist überzeugt: Die Tat von Fabrice A. wäre nicht überall in der Schweiz möglich gewesen. «Im Kanton Zürich wäre das so nicht passiert.» Der Kanton hat gemeinsam mit Luzern, St. Gallen und dem Thurgau den sogenannten risikoorientierten Strafvollzug (ROS) eingeführt, wo der Fall von einem Verantwortlichen mit allen Beteiligten koordiniert wird.

Auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) sieht solche standardisierte Risikobeurteilungsprozesse wie den ROS als «erfolgversprechenden Ansatz für einen risikominimierten Umgang mit gefährlichen Personen», wie das Gremium im November 2014 festhielt.

*Name der Redaktion bekannt

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