So erlebte BLICK-Reporterin Gabriela Battaglia die Woche im Genfer Anthamatten-Prozess
Bravo, Herr Richter!

Der neue Prozess gegen den Adeline-Killer ist nach einer Woche in Genf zu Ende gegangen. BLICK-Reporterin Gabriela Battaglia war alle fünf Tage live vor Ort.
Publiziert: 20.05.2017 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:48 Uhr
Gabriela Battaglia

Der neue Prozess gegen den Mörder der Genfer Sozialtherapeutin Adeline Morel (†34) ging diese Woche ohne Pannen über die Bühne. Gestern, nach dem letzten Plädoyer, atme ich auf. Vorher quälte mich wie viele andere die Frage: Schafft es die Genfer Justiz im zweiten Anlauf einen professionellen

Adeline Morel (†34).
Foto: KAPO GE

Prozess gegen den Killer Fabrice Anthamatten (42) durchzuführen?

Mit Schrecken erinnere ich mich an jenen ersten Prozess, der im Oktober nach vier Tagen Chaos abgebrochen wurde. So viel Inkompetenz in einem Gericht hatte ich in meinen Jahren als Reporterin noch nie erlebt. Immerhin: Die damaligen Richter wurden für befangen erklärt und abgesetzt. Die überforderte Richterin liess sich ans Zivilgericht versetzen.

BLICK-Reporterin Gabriela Battaglia begleitete den Anthamatten-Prozess in Genf.
Foto: zvg
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Der neue Richter führt Regie

Fabrice Roch (48), Gerichtspräsident im Anthamatten-Prozess II, ist das völlige Gegenteil. Er führt methodisch und ruhig durch den Prozess. Manchmal fast zu kühl – schliesslich hat er den Übernamen «der Roboter». Und doch zeigt Roch Menschlichkeit: Er lässt den Lebenspartner von Adeline über das Leben nach der Tragödie reden. Er fragt explizit, wie es dem gemeinsamen Töchterchen (4) geht. «Es versteht nicht, weshalb seine Mutter nicht vom Himmel herunterkommt», antwortet der Vater.

Ich leide auch mit den Eltern von Adeline. Endlich kommen sie zu Wort. «Sperren sie ihn bis zu seinem letzten Atemzug ein», sagt Adelines Mutter zu den Richtern. Ich bin wie alle im Saal beeindruckt. Trotz der endlosen Tortur und grausamer Details zeigt die Familie grosse Stärke.

Die Maske des Killers fällt schon an Tag 2

Fabrice Anthamatten.
Foto: KAPO GE

Und der Killer? Fabrice Anthamatten (42) kommt zwar nicht mehr in Badelatschen, doch immer noch in Trainerhosen. Ich verspüre eine leichte Übelkeit. Wie um Himmels willen erträgt Adelines Familie diesen respektlosen Anblick und Auftritt?

Die Maske des Killers fällt am zweiten Tag: «Hören Sie mir gut zu!», blafft er den Anwalt der Opferfamilie an: «Ich habe genug davon, mich zu wiederholen. Sie sind Jurist, nicht Psychiater, darum beantworte ich die Frage nicht. Wollen Sie eine Therapie von mir?»

Die beiden Psychiater-Duos hatte ich schon im Oktober gehört. Sie weigern sich immer noch, eine Prognose zu stellen. Das könne man nicht. Es ist der übliche Diskurs, wenn es um lebenslange Verwahrung geht. Immerhin, Ankläger Olivier Jornot wagt den Tabubruch: «Die Experten sind befangen. Sie geben ihre politische Meinung wieder.» Stimmt, denke ich.

Als Jornot nach einem vierstündigen Plädoyer lebenslange Verwahrung für Anthamatten fordert, ist die Erleichterung im Publikum spürbar. Das Urteil folgt Mittwoch. Endlich.

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