Heiliger Streit im Kloster Engelberg
Mönch zieht vor Gericht und verlangt 300'000 Franken Schadenersatz

Selbst unter Mönchen kann es mitunter ruppig zugehen. Bruder Samuel Camenzind fühlte sich gemobbt und verliess das Kloster Engelberg. Jetzt verklagt er die Benediktinerabtei im Kanton Obwalden auf Schadenersatz wegen Vorsorgelücken.
Publiziert: 23.02.2024 um 18:32 Uhr
|
Aktualisiert: 24.02.2024 um 07:49 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_758.JPG
Natalie ZumkellerRedaktorin News

Bereits als Kind war er von den hoch katholischen Festen und den Mönchen des Klosters Einsiedeln fasziniert: Bruder Daniel Camenzind (59). Er zog 2005 selbst in das Schwyzer Kloster und trat sechs Jahre später dem Benediktinerorden im Kloster Engelberg OW bei. Doch Camenzind fühlte sich als Mobbingopfer – und trat vor einigen Tagen aus. Jetzt zieht er vors Gericht. Das Kloster müsse ihm 326'000 Franken zahlen, damit er die Lücken in der AHV und 2. Säule füllen kann, wie die «Aargauer Zeitung» berichtete. 

Hetzerei wegen Laktoseintoleranz

Der Haussegen in Engelberg hing aber schon längere Zeit schief: Camenzind reichte bereits im Sommer 2021 eine Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung gegen zwei seiner Mitbrüder ein. Diese hätten am meisten gegen ihn gehetzt. Ihm sei Simulation von Laktoseintoleranz vorgeworfen worden, um nicht mit den anderen Ordensmitgliedern essen zu müssen, und man habe ihn einen Bösewicht genannt, der auf andere mit einem Messer losgehen würde.

Er musste die Anzeige jedoch zurückziehen, denn für Abt Christian Meyer ging das klar gegen die brüderliche Gemeinschaft im Kloster. Dies galt als nicht strafbare Einflussnahme, daher wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft Obwalden niedergelegt. 

Das Kloster Engelberg: Scheint idyllisch, ist aber laut Samuel Camenzind kein harmonischer Ort.
Foto: PD
1/5

Viele brüderliche Konflikte

Auch Peter von Sury, Abt des Klosters Mariastein SO, und Bruno Rieder, Dekan des Klosters Disentis GR, stellten 2021 nach einem Besuch in Engelberg fest, dass die christliche Nächstenliebe im Kloster Lücken aufwies. Aus einem fast zehnseitigen Bericht geht hervor: Viele der Benediktiner sind in Konflikte untereinander verwickelt.

Für die Besucher und den örtlichen Abt eine «besorgniserregende Krise». Ein Jahr darauf wurde Camenzind des Klosters verwiesen und bekam Hausverbot. Dafür gäbe es Gründe, bekannt sind sie nicht. Er litt psychisch und körperlich und zog wieder zu seiner Mutter. Die Jobsuche ist nicht einfach, vom Kloster kriege er zwar etwas mehr als 2500 Franken monatlich, zum Leben reicht es dem 59-Jährigen jedoch nicht. Und da er das Kloster in der Verantwortung sieht, will er auch keine Sozialhilfe beziehen.

Der Fall geht vor Gericht

Die Streitfrage bleibt somit. Wie hoch sollte der Betrag sein, den ein ausgetretenes Mitglied vom Kloster für die Altersvorsorge bekommt? Das Kloster bot Camenzind bereits 137'500 Franken Einmalzahlung an: 86'000 Franken für die Altersvorsorge und der Rest des Vermögens, das Camenzind bei seinem Klostereintritt ursprünglich hatte. Er lehnte ab. Der Fall geht nun vors Kantonsgericht Obwalden.

In der Anklageschrift verlangt er 326'000 Franken. Eine zweite Säule hatte er nicht, dabei würden andere Orden, etwa die Kapuziner, ihren Mitgliedern Beiträge in die Pensionskasse einzahlen. Sein Anwalt Loris Mainardi stützt die Forderungen mit dem Argument, dass auch Ordensmitglieder Anspruch auf ausreichende Altersvorsorgen haben und nicht am Existenzlimit leben sollten.

Das Kloster wehrt sich und weist die Beschuldigungen zurück. Die Benediktiner würden genug AHV bekommen, und die versäumten Pensionskassenzahlungen müsse man in jedem Fall anders ermitteln, Camenzind verlange zu viel.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Kloster Muri-Gries im Südtirol: Der ehemalige Mönch Gerhard Hochschild verklagte dieses auf eine Million Franken. Der Fall liegt momentan beim Bundesgericht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?