«Ich war zunächst sehr entspannt, wegen der Zusatzversicherung»
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Dieter M.* ist enttäuscht:«Ich war zunächst entspannt, wegen der Zusatzversicherung»

Assura lehnt Rechnung trotz Zusatzversicherung ab
Tochter (14) wird per Ambulanz in Klinik eingewiesen – Vater muss 2000 Fr. blechen

Weil sich seine Teenie-Tochter etwas antun will, holt Dieter M.* Hilfe bei einem Arzt. Dieser lässt das Mädchen in eine Klinik einweisen – aus haftungstechnischen Gründen per Ambulanz. Für diese muss der Vater aufkommen – die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht.
Publiziert: 05.09.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2023 um 09:14 Uhr
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Sandro ZulianReporter News

Jessica M.* ist verzweifelt, fühlt sich hilflos, will sich das Leben nehmen. Doch mutig geht die damals 14-Jährige auf ihre Eltern zu. Diese sind sofort bereit, ihr jede erdenkliche Hilfe anzubieten. Dabei verlassen sie sich auch auf ihre Versicherung – die Assura. Doch was der Familie im Juli 2020 widerfahren sei, müsse nach längerem Schweigen raus, meint Vater Dieter M.* (49). Er fühlt sich auch heute noch ungerecht behandelt und im Stich gelassen. Trotzdem möchte er zum Schutz seiner Tochter in diesem Artikel lieber anonym bleiben.

«Unsere Teenagerin war mit sich und ihrem Leben unzufrieden», sagt Dieter M. zu Blick. Seine Tochter habe damals berichtet, dass es ihr im Kopf nicht mehr gut gehe und sie Suizidgedanken habe. Diese machten ihr Angst.

Transport nur per Ambulanz

Die Eltern handeln schnell. Sie bieten einen Notfallarzt auf, der das Mädchen untersucht. Er kommt zum Schluss, dass es in einen stationären Aufenthalt gehört. Sofort. Damit das Mädchen nach Einlieferung nicht ausreissen kann, unterzeichnen die Eltern in Absprache mit Jessica eine fürsorgerische Unterbringung (FU). Ab jetzt ist sie in der Hand der Klinik. Sie darf nicht einmal mehr von den Eltern gefahren werden – aus haftungstechnischen Gründen für den anweisenden Arzt.

Der Ostschweizer Dieter M.* (49) macht der Assura happige Vorwürfe: Sie soll psychisch kranke Menschen diskriminieren. Zum Schutz seiner damals 14-jährigen Tochter möchte er in diesem Artikel lieber anonym bleiben.
Foto: Siggi Bucher
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So muss ein Notfalltransport die 14-Jährige in eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie transportieren. Dieter M. musste damals schnell entscheiden. «Ich habe aber verschiedene Zusatzversicherungen für alle meine Kinder abgeschlossen, die solche Transporte einschliessen», sagt er. «Ich nahm an, dass das gedeckt sein würde.»

Nach einem Monat dann der Schock

Glücklicherweise geht es Jessica rasch besser. Bereits nach einer Woche kann sie die Klinik wieder verlassen. «Ihr Zustand verbesserte sich schnell und wir hatten bereits anknüpfende, ambulante Massnahmen aufgegleist», sagt M. Die Kosten von 1900 Franken für den Transport im Rettungswagen zahlt er mit Freuden. M. ist sich sicher, dass er das Geld zurückbekommt.

Doch er wird bitter enttäuscht. Die Assura-Krankenkasse schreibt ihm: «Gemäss den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist unter Artikel 4, Absatz 4.1.10, Folgendes festgehalten: Deckungsbegrenzungen von: psychische, psychosomatische oder neurologische Krankheiten.» Die Versicherung lehnt die Transportkosten ab.

Andere Krankenkassen hätten gezahlt

Dieter M. hatte das Kleingedruckte in der Zusatzversicherung nicht gelesen. Das gibt er unumwunden zu. Dass seine Krankenkasse bei der Zusatzversicherung aber gross anpreist, Transportkosten in der Höhe von bis zu 20'000 Franken zu übernehmen, kritisiert er.

Ein Blick in die Vertragsbedingungen anderer Zusatzversicherungen zeigt deutlich: Die Assura ist mit ihrer Ausnahmeregelung alleine auf weiter Flur. Natürlich gibt es auch bei anderen Anbietern gewisse Ausnahmen bei der Übernahme der Kosten. Beispielsweise, wenn sich jemand aus Leichtsinn in Gefahr begibt. Aber psychische Leiden sind bei anderen Zusatzversicherern stets eingeschlossen.

Patientenschutz kritisiert Krankenkasse

Cathrine Arnold (54) von der Schweizerischen Patientenorganisation findet das Vorgehen der Assura nicht richtig. Die gelernte Intensiv-Pflegefachfrau kritisiert die Krankenkasse für die schwammige Formulierung in den Vertragsbedingungen: «Das ist sehr störend. Hier werden Neurologie und psychische Leiden miteinander vermischt.»

Zudem könne der Passus, in dem von einer «Deckungsbegrenzung» die Rede ist, mehr oder weniger nach Belieben ausgelegt werden. «Aber hier gilt nun einmal Vertragsfreiheit», ergänzt sie konsterniert. Sie empfiehlt, im Streitfall den Ombudsmann für Zusatzversicherungen zu kontaktieren.

Ausschlüsse seien hervorgehoben

Mit der Enttäuschung und den Vorwürfen konfrontiert, gibt sich die Assura Krankenkasse unbeeindruckt. Mediensprecherin Karin Devalte schreibt, dass die Versicherungsbedingungen den Kunden vorab dargelegt würden. Ausserdem seien die Ausschlüsse darin fett hervorgehoben. Weiter schreibt Devalte: «Jeder Versicherer trifft seine Entscheidungen hinsichtlich der von ihm angebotenen Zusatzleistungen.»

Für Dieter M. steht jedoch fest, dass die Assura psychisch kranke Menschen diskriminiert.

*Namen geändert

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