Trainer wehrt sich gegen Belästigungsvorwürfe
Frauenteam des FC Affoltern am Albis tritt zurück

Plötzlich gibt fast das ganze Team der 1.-Liga-Frauen des FC Affoltern am Albis seinen Rücktritt bekannt. Ihr Trainer Reto F.* (65) soll sie verbal belästigt haben. Dieser weist die Vorwürfe vehement zurück. Er sei einfach «ein offener und ehrlicher Typ».
Publiziert: 18.02.2022 um 19:42 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2022 um 20:01 Uhr
Carla De-Vizzi

«Mit grossem Bedauern muss der Vorstand des FC Affoltern am Albis mitteilen, dass ein Grossteil des Frauen-Fanionteams ihren sofortigen Rücktritt aus der 1.-Liga-Mannschaft und dem Verein gegeben haben»: So kommuniziert der FC Affoltern a. A. die plötzliche Auflösung seines stärksten Teams.

Der eigentliche Grund für den Abgang der Frauen geht aus der Mitteilung nicht hervor, von «unüberbrückbaren Differenzen» ist die Rede. Nach Blick-Informationen sollen sich die Spielerinnen von ihrem Trainer bedrängt gefühlt haben.

Blick liegen Whatsapp-Chats vor

Eine der Frauen ist Melani Herzog (33) aus Zürich. Mit Blick spricht sie über die Vorkommnisse. «Er ist etliche Male durch unangebrachte Bemerkungen aufgefallen und hat auch diversen Spielerinnen privat geschrieben», erzählt sie. Und fügt an: «Mir hat er einmal geschrieben, dass er häufig an mich denke und von mir träume.»

Der Ex-Trainer von der Frauenmannschaft des FC Affoltern soll Spielerinnen belästigt haben. Er bestreitet das vehement.
Foto: zVg

Auf die Frage nach weiteren Beispielen sagt Herzog: «Da habe ich ganz viele.» Die Sammlung an Screenshots, welche die Spielerinnen zusammen angelegt hätten, gewähren einen guten Einblick. Blick liegen diese vor. So bot der Trainer einer Spielerin an, ihr den Bluterguss herauszumassieren, einer anderen schreibt er, dass er sie vermisse, und eine weitere solle «ihre schönen Augen nicht verstecken».

Zu expliziten sexuellen Handlungen oder Berührungen sei es ihres Wissens nie gekommen. Seine Fehltritte seien rein verbal gewesen.

«Irgendwann war es zu viel»

Für Herzog und die anderen Frauen im Alter von 17 bis 33 Jahren war klar: Jetzt reichts. «Wir haben ihm x-mal gesagt, er solle mit uns nur über den Mannschafts-Chat kommunizieren. Dies hat er gekonnt ignoriert. Irgendwann war es dann einfach zu viel.»

Die Spielerinnen setzten den Vorstand von den Vorkommnissen in Kenntnis. «Der Vorstand hat uns einfach belächelt», sagt Herzog. Zudem hätten sie lediglich mit einer einzigen betroffenen Spielerin gesprochen, mit allen anderen bis heute gar nicht. «Es kam einfach keinerlei Reaktion von ihnen.»

«Unüberbrückbare Differenzen mit dem Trainer»

Das habe die Frauen dazu bewogen, ihren kollektiven Rücktritt bekannt zu geben. Und das, obwohl der entsprechende Trainer zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt hatte. Kurz darauf folgt die offizielle Medienmitteilung des Clubs.

Melani Herzog ist enorm enttäuscht darüber, wie alles kam. 17 Jahre war sie im Verein. Trotzdem sagt sie: «Der Kollektiv-Rücktritt war richtig. Wir mussten ein Zeichen setzen.» Die Spielerinnen informierten den Fussball-Verband. Es sei ihnen wichtig, dass er nie wieder Trainer sein könne.

«Die Vorwürfe sind haltlos»

Ebenfalls betrübt über den Ausgang der Situation ist der Trainer selbst. «Ich hätte für diese Mannschaft mein letztes Hemd gegeben», sagt Reto F.* (65) zu Blick. Warum er jetzt an der Auflösung des Teams schuld sein solle, sei ihm schleierhaft.

Über die Vorwürfe, die im Raum stehen, spricht F. offen und ehrlich. «Ich habe nichts zu verbergen! Die Vorwürfe sind haltlos», wehrt er sich. Der ehemalige Trainer streitet nicht ab, den Spielerinnen ab und zu ein Kompliment gemacht zu haben.

«Ich bin einfach ein offener, kommunikativer Typ. Ich sage eben, was ich denke.» Zudem dürfe man doch auch ehrlich sein. Dass es gleich als sexuelle Belästigung gilt, wenn man jemandem etwas Nettes sagt, kann F. nicht verstehen. «Ich trage das Herz eben auf der Zunge.»

Trainer lud Spielerin nach Las Vegas ein

Von den Nachrichten oder Bemerkungen habe er sich nie etwas erhofft. «Ich hatte nie auch nur den kleinsten Hintergedanken. Ich hätte nie eines der Mädchen auch nur angefasst», versichert F..

Dass er mit seinen Bemerkungen manchmal übers Ziel hinausgeschossen sei, sieht er ein: «Im Nachhinein hätte ich gewisse Sachen nicht schreiben sollen.» Beispielsweise, als er eine Spielerin beiläufig gefragt habe, ob sie mit ihm nach Las Vegas kommen wolle. Dies aber auch nur, da der Preis für zwei Personen günstiger gewesen sei.

Vorstandspräsident verzichtet auf Stellungnahme

Auf Anfrage von Blick sieht der Vorstand des FC Affoltern a. A. davon ab, eine Stellungnahme zu den Vorfällen abzugeben.

Vorstandspräsident Ferruccio Gusmini verweist strikt auf die vom Verein publizierten Medienmitteilungen. Darin lässt der Vorstand verlauten, dass man auf den jüngsten Vorfall umgehend reagiert habe. Weiter heisst es: «Allfällige frühere Vorfälle wurden dem Vorstand nicht gemeldet, weshalb der Vorstand auch nicht darauf reagieren konnte.» Zum laufenden Verfahren mache der Vorstand keine weiteren Angaben.

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