«Die Gemeinde weiss genau, wo die Kantonsgrenze ist»
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Janet Kost ärgert sich:«Die Gemeinde weiss genau, wo die Kantonsgrenze ist»

Zwischen Zürich und Aargau wiehert der Kantönligeist – Janet Kost (46) verzweifelt
«Was mir hier passiert, ist ein schlechter Witz!»

An der Kantonsgrenze ist Schluss! Die Pferde von Janet Kost (46) aus Niederweningen ZH dürfen nur noch eine Seite ihrer Pferdeweide benutzen. Das Problem: Da die Tiere dafür die Kantonsgrenze zum Aargau überschreiten müssten, gelangen sie erst gar nicht dorthin.
Publiziert: 30.01.2024 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2024 um 09:50 Uhr

Janet Kost (46) aus Niederweningen ZH fühlt sich als Spielball behördlicher Gängelei. Die Kantonsgrenze zwischen dem Aargau (Gemeinde Schneisingen) und Zürich (Gemeinde Niederweningen) führt direkt durch ihr Grundstück. Das führt zu Problemen für die Pferdebesitzerin, da dies- und jenseits der Grenze unterschiedliche Gesetze und raumplanerische Zonen gelten. Rund 40 Jahre nachdem auf dem Grundstück erstmals Pferde gehalten wurden, könnten diese verschwinden. Es ist nur eine von vielen Episoden, in einem Hickhack zwischen Besitzern, Nachbarn und Behörden.

Wie konnte es dazu kommen? Janet Kost und ihr damaliger Ehemann erwerben im Jahr 2015 ein Grundstück im Zürcher Unterland mit Einliegerwohnung, Unterständen für vier Pferde und einer dazugehörigen Pferdeweide. «Es war, als würde ein Traum wahr», denkt Kost an diese Zeit zurück, «Ich wollte immer schon meine eigenen Pferde halten, und das Grundstück war ideal dafür.» 

Die Kosts leben sich in den folgenden Jahren ein und kommen auch mit den Nachbarn in Kontakt. «Anfangs war alles super», erinnert sich Kost. «Einer unserer Nachbarn kam sogar bei Ausritten mit uns mit und hatte Freude an den Pferden.»

An der Kantonsgrenze ist Schluss! Die Pferde von Janet Kost (46) aus Niederweningen ZH dürfen nur noch eine Seite ihrer Pferdeweide benutzen.
Foto: Philippe Rossier
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Zwei Kantone, vier verschiedene Raumplanungszonen

Das ändert sich 2017, als ebendieser Nachbar eine Baurechtsbeschwerde bei der Aargauer Nachbargemeinde Schneisingen einlegt. Unter anderem Pferdezaun, Allwetterplatz und der Aufgang zu Letzterem seien in den 1980er-Jahren illegal erstellt und benutzt worden und müssten entweder nachträglich bewilligt oder zurückgebaut werden, so die Forderung. Seither liegt Kost mit der Gemeinde im Clinch, denn die Situation ist verzwickt.

Auf Kosts Pferdeweide kommen nämlich nicht nur zwei Kantone zusammen, sondern auch vier verschiedene raumplanerische Zonen. Eine Bauzone sowie eine Landwirtschaftszone auf Zürcher Seite und eine weitere Landwirtschaftszone auf Aargauer Seite, die mit einer Landschaftsschutzzone überlagert wurde und zudem als «Fruchtfolgefläche erster Güte» geführt wird. Klingt kompliziert? Ist es auch!

Denn: Laut heute geltendem Recht dürften die Pferde – vereinfacht gesagt – den Aufgang zur Pferdeweide gar nicht benutzen, da sich dieser in der Aargauer Landschaftsschutzzone befindet und die Tiere ihn beim Aufstieg zertrampeln würden. Auf der Zürcher Seite hingegen gibt es diese Einschränkungen nicht. Nur: Dorthin gelangen die Pferde nicht, da sie erst über Aargauer Boden müssten, um in den Kanton Zürich zu gelangen. «Was mir hier passiert, ist ein schlechter Witz!», echauffiert sich Kost.

Pferde dürfen nicht über Kantonsgrenze

Man habe ihr von Aargauer Seite sogar vorgeschlagen, einen neuen Aufgang auf der Zürcher Seite ihrer Parzelle anzulegen. «Dafür müsste ich aber mehrere gesunde Bäume fällen und einen landschaftlich einschneidenden Eingriff vornehmen», so Kost.

«Gegen so einen Umbau würde ich dann aber rekurrieren», scherzt Bernhard Volkart (65). Auch er ist ein Nachbar von Janet Kost und verfolgt den eskalierenden Streit seit Jahren. Er ist wenige Hundert Meter von der Pferdeweide aufgewachsen, wohnt seit Jahrzehnten in der Nachbarschaft und unterstützt Kost bei ihrem Kampf gegen die Behörden. «Der Pferdezaun steht hier seit Jahrzehnten», sagt er. Was er damit meint: In der juristischen Praxis gelten – selbst illegal erstellte Bauten – nach 30 Jahren als «ersessen». Sprich: Die Behörden verlieren drei Jahrzehnte nach Abschluss eines nicht bewilligten Baus das Einspracherecht dagegen, was hier der Fall sei, so Volkart.

Kost sagt: «Im Falle des Zauns wird uns aber vorgeworfen, diesen 2016 neu gebaut zu haben. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass ein Holzzaun über die Jahre morsch wird und punktuell ersetzt werden muss.» Die Schneisinger Baubewilligungsbehörden interpretieren den Austausch des alten Zauns aber als «praktisch neu erstellt». Es handle sich nicht mehr um den gleichen Zaun wie 1987, wird in einem Begehungsprotokoll von Behördenseite festgehalten, die Verwirkungsfrist sei deshalb bei weitem nicht abgelaufen. Der Kanton Zürich kommt beim selben Holzzaun zu einer ganz anderen Einschätzung: Die Instandhaltung des Zauns geht in Ordnung.

Streit landet vor Gericht

Eines der kuriosen Ergebnisse dieses Streits: Heute ist die Kantonsgrenze am Kosts Pferdezaun genau zu erkennen. Auf der einen Seite ein fester, klassischer Holzzaun, auf der anderen, ein provisorischer Elektro-Plastikzaun, der nicht bewilligungspflichtig ist.

Auf Blick-Anfrage äussert sich die Gemeinde Schneisingen «nicht zum laufenden Verfahren». Auch Grundsatzfragen, die den juristischen Streit nicht direkt betreffen, werden nicht beantwortet.

Die Antworten wird nun das Aargauer Obergericht geben müssen. Ob auf der Parzelle auch in Zukunft Pferde galoppieren oder, ob auf der Pferdeweide bald nur noch der Amtsschimmel wiehert, entscheidet sich diesen Frühling beim Gerichtsprozess.

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