Kesb im Dilemma
Serben-Opa ermordete Xenia K. – nun leben ihre Kinder bei Täter-Familie

Xenia K. wurde vom Grossvater ihres Mannes ermordet. Der Täter wollte damit verhindern, dass seine Enkelkinder in der Schweiz und nicht in Serbien aufwachsen. Sein Ziel scheint er jetzt erreicht zu haben – auch dank der Kesb.
Publiziert: 29.01.2024 um 10:32 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2024 um 14:05 Uhr
Hier wird der Mörder abgeführt.
Foto: Michael Sahli
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Ein 79-jähriger Serbe reiste mit einer blutigen Mission in die Schweiz: seine Schwiegerenkelin zu töten. Sie hatte drei Monate zuvor die Scheidung eingereicht und wollte ihre Kinder in der Schweiz grossziehen. Das liess der ungelernte Landwirt nicht auf sich sitzen. Mit sechs Schüssen ermordete er Xenia K.* (†32) an ihrem Wohnsitz in Winterthur.

Zwei der drei Kinder der Schweizerin befanden sich zum Tatzeitpunkt in Serbien beim Vater, wie die «NZZ» berichtet. Das dritte – erst 19 Monate alt – musste die grausame Erschiessung seiner eigenen Mutter mitansehen. Notfallmässig wurde das Kleinkind laut der Stadtpolizei Winterthur «umgehend an einem sicheren Ort untergebracht».

Vorwurf der Anstiftung durch den Vater

Dann musste die Kesb Winterthur-Andelfinden entscheiden, was mit dem Halbwaisen passiert. Die Behörde stand vor einem grossen Dilemma. Zum einen war da der Anspruch des Vaters, der nach dem Tod der Mutter der alleinige Sorgeberechtigte der Kinder wurde. Zum anderen stand der weiterhin ungeklärte Vorwurf der Anstiftung durch den Vater im Raum, und der Mörder ist Teil der Familie in Serbien. Ausserdem beschuldigte Xenia K. ihren Mann der häuslichen Gewalt.

Auf Anfrage der «NZZ» will sich Karin Fischer, Präsidentin der Kesb Winterthur-Andelfinden, nicht zu Einzelfällen äussern. Klar ist nur, dass sich alle drei Kinder mittlerweile beim Vater in Serbien befinden – und damit im unmittelbaren Umfeld des Mörders ihrer Mutter.

«Kindeswohl muss immer oberste Maxime sein»

Der Urgrossvater der Kinder scheint somit eines seiner grössten Ziele erreicht zu haben. Die Kinder werden ziemlich sicher in Serbien aufwachsen und nicht in der Schweiz – denn eine Rückholaktion gilt als sehr unwahrscheinlich. Trotzdem dürfte der Serbe nichts vom Entscheid haben. Erst kürzlich wurde er vom Winterthurer Bezirksgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Beat Reichlin ist Dozent am Kompetenzzentrum Kindes- und Erwachsenenschutz der Hochschule Luzern. Gegenüber der «NZZ» erklärt er: «Das Kindeswohl muss immer die oberste Maxime sein.» In diesem Fall bedeutete das für die Kesb, die Kinder in die Obhut der Familie des Mörders zu geben. (obf)

* Name geändert

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