So funktioniert das System von IM Mastery Academy
1:28
Event im Hallenstadion:So funktioniert das System von IM Mastery Academy

Seine Academy preist im Hallenstadion «schnellen Reichtum» an
Finanz-Guru Chris Terry wirbt um Teenager – Eltern sind besorgt

Anfang Oktober findet in Zürich eine Veranstaltung einer umstrittenen Online-Trader-«Akademie» statt. Sie ködert vor allem Teenager mit schnellem Reichtum. Gegen den Event formt sich Widerstand.
Publiziert: 01.10.2022 um 00:12 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2022 um 13:50 Uhr
Tobias Ochsenbein

Im Hallenstadion Zürich findet vom 2. bis 4. Oktober der Kongress «IM Beyond» statt. Teilnehmende sollen dort erfolgreiche Strategien zum Krypto- und Devisenhandel lernen können. Durchgeführt wird der Event vom umstrittenen amerikanischen Onlinemarketing-Unternehmen IM Mastery Academy.

Die Onlinetrader-Akademie, wie sie sich selbst nennt, hat weltweit über 400'000 Mitglieder. Und den Ruf, junge Menschen mit dem Wunsch nach schnellem Reichtum anzusprechen. Alles, was die Jugendlichen für ihren Traum vermeintlich tun müssen: Lehrvideos schauen, Apps herunterladen und sich den richtigen «Mindset», also die richtige Einstellung, aneignen. Nur: Was die «Akademie» proklamiert, erinnert oft an profane Motivationstrainings. «Du musst Vertrauen haben», heisst es da etwa. Oder: «Das, worauf du dich konzentrierst, wächst» und «Hör auf deine Gefühle». Es sind einfache Weisheiten für unsichere Zeiten.

Auftritt von Firmen-Boss in Zürich erwartet

Solche und andere Erkenntnisse gibt es gegen eine Monatsgebühr von bis zu 275 Dollar. Wer neue Mitglieder anwirbt, erhält Prämien. Das gehört zum Geschäftsmodell der «Akademie». Das kann allerdings böse Folgen haben: Es gibt junge Menschen, die damit nicht umgehen können und fast alles tun für das vermeintlich grosse Geld. Sie brechen mit Familie, Freunden, Partnern. Schmeissen Schule oder Lehre. Verschulden sich.

Chris Terry veranstaltet mit seiner Onlinetrading-«Akademie» IM Mastery Academy Anfang Oktober einen grossen Event im Hallenstadion Zürich.
Foto: Screenshot Instagram @iamchristerry
1/6
Psychologe Franz Eidenbenz warnt vor Online-Trader-Akademien
2:03
«Jugendliche sensibilisieren»:Psychologe Eidenbenz warnt vor Online-Trader-Akademien

Eltern weltweit verzweifeln. Auch in der Schweiz. Der «Tages-Anzeiger» hat im August einen 15-Jährigen porträtiert, der sich von der IM Mastery Academy verführen liess. Und auch der «Spiegel» berichtet ausführlich darüber, wie die IM-Mitgliedschaft eines Teenagers eine ganze Familie verändert. Finanzbehörden in Frankreich sehen in der IM Mastery Academy ein Pyramidensystem – und warnen, wie das Nachrichtenmagazin «Nouvel Obs» berichtete. In Spanien wurden dieses Jahr wegen Betrugs mehrere leitende IM-Mitglieder festgenommen.

Im Hallenstadion soll laut Veranstaltungswebsite auch IM-Firmen-Boss Chris Terry (52) auftreten. Ein Mann, der es laut eigener Aussagen vom einfachen Bauarbeiter aus der New Yorker Bronx zum erfolgreichsten Trader der Welt gebracht hat. Auf einer inzwischen gelöschten Website schrieb Terry, 1995 habe er etwas entdeckt, das ihm ein grossartiges Einkommen, einen tollen Lebensstil und die Möglichkeit bot, andere zu beeinflussen: das Trading.

Für den Event im Hallenstadion wirbt seine Firma auf ihrer Website mit einem aufwendig produzierten Video: schön gefilmte Sequenzen von Zürcher Hotspots. Zu sehen sind viele junge und glückliche Menschen, die zu sagen scheinen: Schaut her, wir haben es geschafft, ihr könnt das auch. Im Hallenstadion können Terry-Fans dessen Weisheiten für Eintrittspreise zwischen 259 und 489 Dollar aufsaugen.

Gegen den Anlass gibt es Proteste

Der Psychologe und Buchautor Franz Eidenbenz vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte Radix in Zürich beobachtet Bewegungen wie die IM-Academy seit längerem kritisch. Er sagt: «Das Problem von Auftritten erfolgreicher Stars wie im Hallenstadion ist, dass für wenige das Reichwerden tatsächlich möglich ist.» Community, Gemeinschaft, dabei sein unter den Erfolgreichen, die wissen, wie es geht – das seien Schlagwörter, die junge Menschen ansprächen. Dafür seien sie bereit, regelmässig zu zahlen, Freunde hinzuzuziehen und ein paar Ungereimtheiten oder Verluste in Kauf zu nehmen.

Gegen den Anlass in Zürich gibt es allerdings Proteste. Spanische Eltern haben auf Change.org eine Petition dagegen lanciert. Über 42’500 Menschen haben unterzeichnet. Sie werfen darin der IM Mastery Academy vor, eine «Kryptosekte» zu sein, die mittels «Gehirnwäsche» Jugendliche in ein «Schneeballsystem» treibe. Die Initianten haben auf diese Weise vor kurzem bereits einen Event der IM Mastery Academy in Dubai verhindert.

Eine der Initiantinnen der Petition ist die spanische Journalistin Laura* (47). Sie hat, so erzählt sie es, ihren Sohn Pedro* (17) vor einem Jahr an IM verloren. «Seine Veränderung nach dem Eintritt in die IM Mastery Academy geschah rasend schnell. Er sagte, die Schule mache keinen Sinn mehr, sie sei veraltet und bereite einen nicht auf das moderne Leben vor. Er schmiss hin und haute sogar für einige Monate von zu Hause ab», erzählt Laura verzweifelt.

Pedro habe all seine Freunde verloren, sei Abende und Nächte lang vor Computer und Smartphone gesessen und habe sich nur noch mit Leuten aus der Academy ausgetauscht. Laura sagt: Wird der Anlass in Zürich nicht abgesagt, wird auch Pedro hinfahren.

«Sie nehmen dich aus wie eine Weihnachtsgans»

Ähnliche Erfahrungen machte Juan* (56) mit seiner Tochter Maria* (21). Er erzählt: «Innerhalb von wenigen Wochen warf unsere Tochter ihr altes Leben weg, verlor alles: Freunde und Familie. Sie verbaute sich ihre Zukunft. Das machte uns Angst.» Für Maria aber sei die IM-Community die Möglichkeit für grosse Träume gewesen. «Hörte man sie sprechen, war immer alles möglich: das grosse Geld, die Flucht aus einem biederen Leben. Sie verkaufen dir eine Utopie und nehmen dich dabei aus wie eine Weihnachtsgans», sagt Juan.

Aus Angst, den Kontakt zu ihren Kindern komplett zu verlieren, wollen weder Laura noch Juan mit ihren richtigen Namen oder im Bild hinstehen. Beide sind verzweifelt. Mit der Petition wollen sie darum andere Eltern warnen.

Konfrontiert mit den Vorwürfen, hat die IM Mastery Academy auf mehrere Blick-Anfragen nicht reagiert. Auch eine Interview-Anfrage an IM-CEO Chris Terry blieb unbeantwortet.

Absage für Hallenstadion kein Thema

«Eltern sollten solchen Angeboten kritisch gegenüberstehen, mit den Jugendlichen die Risiken diskutieren. Verbote sind wenig hilfreich, vielmehr sollten bei allfälligen Investitionen ein Budget gemacht oder allenfalls die Jugendlichen an Seminare oder Veranstaltungen begleitet werden», rät Psychologe Eidenbenz. Dabei sollten Risiken auch im Sinn einer Suchttendenz besprochen werden.

Ob die besorgten Eltern mit ihrer Petition die Veranstaltung verhindern können, ist fraglich. Kein Thema ist eine Absage der Veranstaltung bei der Vermieterin der Räumlichkeiten, der AG Hallenstadion, wie sie Blick auf Anfrage mitteilt. Auch die Stadt Zürich, Anteilseignerin der AG Hallenstadion, will sich nicht zur Veranstaltung äussern.

* Namen geändert

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?