«Hier hat er Sofia gegen die Wand gedrückt»
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Ukrainer beschreiben Attacke:«Hier hat er Sofia gegen die Wand gedrückt»

Ukrainerin Sofia Sukach (20) schockiert nach Attacke durch Pro-Russen im Zürcher Niederdörfli
«Nicht einmal hier in der Schweiz kann ich sicher sein»

Ukrainerin Sofia Sukach und ihre Kollegen spazieren in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch Zürich. Es endet böse: Ein Belarusse geht auf das Trio los.
Publiziert: 16.08.2022 um 18:29 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2022 um 21:20 Uhr
Nicolas Lurati und Sebastian Babic

Es passierte mitten in Zürich. Am Abend der Street Parade. Sofia Sukach (20), Denys Sharlai (20) und Yana Sonchkivska (20) spazieren durchs Niederdörfli. In der Münstergasse werden sie attackiert. Die Ukrainer studieren alle drei im Rahmen eines Austauschprogramms Journalismus an der Uni Zürich.

Erst seit Frühling ist das Trio in der Schweiz. Zuvor lebten sie alle in Kiew. Sie flüchteten vor dem Krieg. Und dachten, hier sicher zu sein. Weit gefehlt.

Vor dem schlimmen Erlebnis ist alles noch gemütlich: Sie backen am Samstagabend bei Yana Sonchkivska in Urdorf ZH Muffins und schauen sich einen Film an. «Dann gingen wir in die Stadt», erzählt Sofia Sukach. «Wir wollten uns ein Bild davon machen, wie es in Zürich nach der Street Parade aussieht.»

Es passierte mitten in Zürich. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden Sofia Sukach, Denys Sharlai und Yana Sonchkivska (v.l.) im Niederdörfli attackiert.
Foto: Sebastian Babic
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Ukrainer treffen auf russisch-belarussisches Duo

Der Bahnhof Stadelhofen ist aber dermassen überfüllt, dass die drei entscheiden, in Richtung Hauptbahnhof zu gehen. Von dort aus hätten sie nach Hause gewollt. Im Niederdorf treffen sie auf zwei Männer. «Wir drei sprachen miteinander Ukrainisch», sagt Sofia. «Die beiden Männer sprachen miteinander Russisch oder Belarussisch, wir waren nicht ganz sicher.» Dann seien die beiden zum Trio gestossen und hätten klargestellt, dass es Russisch sei, erzählt Sukach. «Sie sagten das auf Russisch.»

Die beiden Männer fragen das Trio, ob es Ukrainisch sei, das sie da miteinander gesprochen hätten. «Wir bejahten.» Dann hätte einer der beiden Männer gesagt, er sei aus Moskau. «Und er fragte uns, woher wir sind.» Der andere Mann habe gesagt, er sei aus Belarus.

Zunächst entwickelt sich zwischen den beiden Gruppen eine sachliche und friedliche Diskussion. Es geht um den Krieg. Als Sofia Sukach mit dem Belarussen in eine Konversation vertieft ist, fällt plötzlich ein Schlüsselsatz: «Ich sagte, dass ich Journalismus studiere, um die Wahrheit zu verbreiten – nicht wie es die Russland-Propagandisten tun. Das hat ihn wohl sehr wütend gemacht.»

Opfer hat Blackout

Plötzlich geht es schnell. «Er drückte mich gegen eine Wand», sagt die Ukrainerin. «Ich zitterte.» Dann hat sie ein Blackout. «Ich kann mich nicht daran erinnern, was anschliessend passierte.»

Ihre Freunde erzählen ihr später, sie sei an der Wand gestanden, hätte geweint und den Angreifer gebeten, sie gehen zu lassen. Noch während sie an der Wand steht, eilen ihr ihre Freunde zu Hilfe. «Der Belarusse war sehr aggressiv», sagt Yana Sonchkivska. Er habe Denys gefragt, ob er auch aus der Ukraine sei. Denys bejaht. Der Angreifer schlägt ihn an die Schulter.

Um Beweismaterial der Attacke zu sichern, filmt Sonchkivska die Szene. «Ich sagte das den beiden Männern», erzählt sie. «Ich sagte ihnen auch, ich werde die Polizei alarmieren und dass das Internet schon morgen ihr Verbrechen sehen werde.»

«Geht einfach zurück und sterbt»

Diese Videoaufnahme goutiert der Angreifer überhaupt nicht. «Er versuchte, mein Handy kaputtzumachen. Und er sagte, ‹geht einfach zurück und sterbt.›» Dazu habe er Denys Sharlai auch noch ins Gesicht geschlagen.

Sofia Sukach weint. Die Angreifer waren inzwischen verschwunden. Nach dem traumatischen Vorfall geht die Gruppe nach Hause. «Wir hatten ja ein Beweisvideo. Wir wollten tags darauf entscheiden, was wir damit machen werden.»

Am Montag sucht das Trio dann den Posten der Kantonspolizei am Zürcher Hauptbahnhof auf. «Die Polizisten waren sehr nett zu uns», sagt Sofia Sukach. «Sie sagten uns, es sei das Richtige, den Fall der Polizei zu melden.» Dazu habe die Polizei das Beweisvideo der Attacke abgefilmt. Die Zürcher Kantonspolizei bestätigt auf Blick-Anfrage, dass eine entsprechende Anzeige eingegangen sei. «Ermittlungen sind am Laufen.»

Trotzdem zieht die Ukrainerin ein bitteres Fazit: «Nicht einmal hier in der Schweiz kann ich sicher sein – da ich Ukrainerin bin.»

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