Türsteher-Killer Jeton G. stellt Video aus der Zelle online
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Vierter Prozesstag für Türsteher-Killer
Verteidigung fordert maximal vier Jahre für Jeton G. (36)

Türsteher Boris R. wurde im März 2015 mit zwei Schüssen in den Rücken getötet. Nun sitzt der 36-jährige Jeton G. auf der Anklagebank. Am Dienstag fand der vierte Prozesstag statt. Das Urteil folgt nächste Woche.
Publiziert: 03.03.2020 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2020 um 16:01 Uhr
Türsteher-Killer Jeton G. dreht ein Video im Gefängnis.
Foto: Zvg
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Der Mordprozess am Zürcher Bezirksgericht um den erschossenen Türsteher Boris R.* (†30) geht in die nächste Runde. Im Fokus stehen am Dienstag die Verteidiger des 36-jährigen Jeton G., der seinem Opfer bei einem Bandenkrieg in Zürich-Affoltern im März 2015 in den Rücken geschossen haben soll (BLICK berichtete).

Zwei Revolver-Schüsse treffen Boris R. in jener Nacht in den Rücken, als er nach einer Schlägerei vor seinen Widersachern flüchten will. Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass Jeton G.* der Schütze war. Für die Tat fordert sie eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und eine ordentliche Verwahrung.

Angeklagte sind locker gekleidet

Es ist der vierte Tag, an dem der Türsteher-Mord vor Gericht behandelt wird. Im Saal sind deutlich weniger Menschen zugelassen als üblich – eine Sicherheitsmassnahme wegen des Coronavirus. Ebenfalls auffällig: Jeton G. und seine Komplizen Iznavur S. und Berk K. erscheinen müde und deutlich legerer gekleidet zu den Verhandlungen. Sie tragen Jeans-Jäckchen, Hoodie und Pullover.

Auch sonst erinnert beim Auftritt der Angeklagten wenig an die vorlauten und selbstbewussten Auftritte in der Vergangenheit.

Besonders Jeton G. zeigte sich noch unmittelbar vor dem ersten Prozesstag komplett ungerührt. Im Gegenteil: In einer Videobotschaft aus der Strafanstalt Pöschwies rappte G. zum Song «Kalt Bruder» des Gangster-Rappers Capital Bra: «Alles, was ich brauch', nehm' ich mir mit Gewalt, Bruder!» Weil solche Aufnahmen im Zürcher Knast verboten sind, wurde bereits eine weitere Untersuchung gegen den Angeklagten eingeleitet.

Komplizen wollen Freispruch

Die Verhandlungen am Dienstag beginnen mit der Anwältin des mitbeschuldigten Tschetschenen Iznavur S. Sie verlangt einen Freispruch für ihren Mandanten.

Die beiden Verteidiger von Jeton G. erklären daraufhin, die Verteidigung «nur unter Protest» zu führen. Dem Angeklagten sei die Garantie eines fairen Verfahrens genommen worden. Sämtliche Beweisanträge der Verteidigung seien abgelehnt worden.

«Man hat uns sämtlicher Instrumente beraubt und uns aus juristischer Sicht kastriert», sagt der Hauptverteidiger. Zudem habe es diverse Form- und Verfahrensmängel gegeben. «Eigentlich dürfte der Prozess an dieser Stelle nicht fortgesetzt werden.»

Mordabsicht wird bestritten

Der Schweizer mit kosovarischen Wurzeln bestreitet nicht, Schüsse abgeben zu haben, lehnt aber eine vorgefasste Mordabsicht ab. Seine Verteidiger präsentieren zwei Varianten des Geschehens.

«Klar ist, dass nichts klar ist», sagt der Hauptverteidiger des Angeklagten. Es bestünden divergierende Aussagen. Auch gäbe es Beweislücken, die nicht hätten geschlossen werden können? nicht zuletzt wegen des mangelhaften Verfahrens.

So sei die Abgabe von mindestens vier Schüssen belegt. Der Jeton G. habe aber nur drei abgegeben. Es sei also denkbar, dass der tödliche Schuss von einer anderen Person abgegeben worden sei. Rein der Schusskanal deute auf einen Schussabgabe aus nächster Nähe hin. Da stand nicht Jeton G., sondern Privatkläger Firat Y.

Kritik an Gutachten

Und selbst wenn der tödliche Schuss vom Angeklagten gekommen wäre, habe es sich nur um einen panischen Verteidigungsreflex gehandelt und nicht um eine Tötungsabsicht. Der Angeklagte sei unmittelbar vor der Schussabgabe von der Gang des späteren Opfers massiv mit Pfefferspray angegriffen worden. Zudem habe das Opfer als gewaltbereit gegolten.

Die Verteidigung greift auch das psychologische Gutachten des forensischen Psychiaters Elmar Habermeyer an. Er habe sich auf unvollständige Akten abgestützt. Für eine Verwahrung genüge das Gutachten in keiner Weise. Die Voruntersuchung der Polizei bezeichnet Anwalt Daniel Walder als lausig und unvollständig.

Die Verteidigung von Jeton G. fordert aus all diesen Gründen eine Freiheitsstrafe von maximal vier Jahren.

Augenzeugin verneint Notwehrsituation

Der Staatsanwalt betitelt die Vorwürfe der Verteidigung als absurd. Die Untersuchung sei alles andere als stümperhaft geführt worden. Es gebe ausserdem «keinen einzigen Hinweis, dass jemand anderes den tödlichen Schuss abgegeben hatte als Jeton G.» Es habe auch keine Notwehrsituation gegeben. Eine Augenzeugin berichtete, dass Jeton G. mehrere Schritte in Richtung der Flüchtenden gemacht und dann gezielt geschossen habe.

Im Schlusswort beteuert Jeton G. sein Bedauern. «Ich habe einen Kampf erwartet, aber nicht, dass es zu einem Tötungsdelikt kommt.» Es sei unvorstellbar, was die Eltern des Opfers in den letzten fünf Jahren hätten durchmachen müssen. «Meine Gedanken sind bei der Familie.» Jeton G. nennt auch einen Grund, warum er den Angehörigen von Boris R. keinen Brief schrieb: «Ich fühle mich schrecklich schuldig. Ich bin der Letzte, von dem sie etwas hören wollen.»

Das Urteil wird am 11. März verkündet. (cat/mcb/noo/SDA)

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