Ärger wegen Firmenkrediten
Sergio Ermotti lässt Wirtschaftskapitäne im Nebel stehen

Hinter den Kulissen sichern Bankspitzen zu, künftig über die internen Kreditbeschränkungen hinauszugehen, um die Wirtschaft mit Geldern zu versorgen. Öffentlich dazu bekennen will sich die UBS nicht. Das sorgt für Unmut.
Publiziert: 28.05.2023 um 15:34 Uhr
Beat Schmid

Was hat die UBS mit dem Schweizer Firmenkundengeschäft vor? Das ist die grosse Frage, die Spitzenvertreter der Schweizer Wirtschaft umtreibt. Sie wollen endlich Klarheit darüber, wie es mit dem Firmenkundengeschäft nach der Übernahme der Credit Suisse weitergeht. Die Bank hat bisher nur gesagt, dass sie Ende Sommer entscheidet. «Das geht viel zu lange», sagt ein Wirtschaftsvertreter. «Wir brauchen jetzt klare Signale.»

Die Wirtschaftsvertreter wollen von der UBS ein Bekenntnis, dass Schweizer Unternehmen auch nach dem Zusammenschluss im gleichen Umfang mit Finanzdienstleistungen versorgt werden wie zuvor. Gemäss Recherchen kam es vergangene Woche zu mehreren Treffen zwischen Konzernlenkerinnen und Unternehmern sowie dem Spitzenpersonal der Bank, mit CEO Sergio Ermotti (63) und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher (65).

Wirtschaftsvertreter verlangen, dass UBS-Chef Sergio Ermotti sich klar zum Firmenkundengeschäft bekennt.
Foto: Bloomberg via Getty Images
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Zentraler Diskussionspunkt dabei sind die ungedeckten Unternehmenskredite. Es geht um ein riesiges Volumen. Branchenkenner schätzen allein die Summe der ungedeckten Kredite bei der CS auf 30 bis 40 Milliarden Franken. Fast alle grösseren Schweizer Unternehmen sind auf diese Kredite angewiesen. Diese sind wichtig, um wachsen und neue Projekte realisieren zu können.

Gilt bei der UBS noch 1 + 1 = 2?

Die Firmenchefs wissen schlicht nicht, was nach der formellen Übernahme der CS durch die UBS, die im Juni vollzogen werden soll, geschieht. Wird die UBS noch genügend Mittel zur Verfügung stellen können oder klemmt sie plötzlich bei der Vergabe von Krediten? Ein Wirtschaftsführer sagt es so: «Es geht um die Frage, ob bei der UBS auch in Zukunft 1 + 1 = 2 gilt.»

Was meint er damit? Ein erfundenes Beispiel eines Kreditgeschäfts, wie es vor dem CS-Kollaps gang und gäbe war: Ein Unternehmen ist im Projektgeschäft auf einen Kredit von 300 Millionen Franken angewiesen. Weil keine Bank in der Schweiz das Risiko allein tragen will, formieren mehrere Banken ein Kreditkonsortium. Die UBS nimmt als sogenannte Leadbank 120 Millionen aufs eigene Buch, die CS 100 Millionen Franken, die Zürcher und die Waadtländer KB je 40 Millionen Franken.

Was geschieht nach dem Zusammenschluss? Dann wird die Credit Suisse AG zu einer Tochtergesellschaft der UBS Group AG. Die Risiken der beiden weiterhin separaten Banken – UBS AG und Credit Suisse AG – laufen oben in der Holding (UBS Group AG) zusammen. Die Frage, die sich dann stellt: Ist die UBS weiterhin bereit, auch mit 220 Millionen Franken bei diesem Kunden ins Risiko zu gehen? Aus Klumpenrisikogründen könnte der Risikoausschuss der UBS Group AG entscheiden, höchstens noch 150 Millionen Franken bereitzustellen. In diesem Fall gibt 1 + 1 nicht 2, sondern deutlich weniger.

Das wäre der GAU für die Schweizer Unternehmen, zumal die Kantonalbanken ihre Kreditlimiten nicht so schnell hinaufsetzen können und ausländische Banken auch keine echte Alternative sind, da sie sich bei einer Krise wieder auf ihren Heimmarkt zurückziehen.

Viel Bewegung hinter den Kulissen

Sicher ist bisher nur, dass alle laufenden Kreditverpflichtungen bei der Fusion übernommen werden. Die zentrale Frage für einen Unternehmer ist aber, was in ein paar Monaten passiert, wenn es darum geht, einen neuen Konsortialkredit auszuhandeln. «Uns fehlt ein klares, öffentliches Bekenntnis der Bank, auch nach dem Closing die Kredite vollumfänglich zu stellen», sagt der CEO eines Grossunternehmens.

Hinter den Kulissen tue sich einiges, sagt der Präsident eines börsenkotierten Konzerns. Er habe sich in den letzten Wochen mehrmals mit der Spitze der Bank getroffen. In den Gesprächen sei ihm versichert worden, dass sich die UBS ihrer Verantwortung gegenüber der Schweizer Wirtschaft bewusst sei. «Die Bank hat uns zugesichert, dass sie kurz- und mittelfristig über ihre eigenen Kreditlinien hinausgehen wird, um die Unternehmen mit Krediten zu versorgen.»

Auch ein anderer Wirtschaftsvertreter bestätigt, dass UBS-Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse (58) in vertraulichen Gesprächen genau solche Zugeständnisse gemacht habe. CEO Sergio Ermotti habe versichert, dass bei der UBS auch in Zukunft 1 + 1 = 2 gelte.

Doch warum sagt das die UBS nicht öffentlich? Eine Sprecherin der Bank will sich dazu nicht äussern und verweist auf frühere Aussagen, wonach die beiden Unternehmen bis zum Closing zwei getrennte Gesellschaften seien.

Die Sorgen der Wirtschaftsführer sind nicht unberechtigt. Ältere Semester erinnern sich noch gut an die Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein. Damals habe 1 + 1 auch nicht 2 ergeben, sagt ein Industrieller. Aber im Gegensatz zu heute gab es damals eine Credit Suisse, die einspringen konnte.

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