Der «Hundeprofi» findet deutliche Worte
«Yoga für Hunde ist Blödsinn»

Er ist der erfolgreichste Hundetrainer im deutschen Sprachraum: Martin Rütter. Im Interview plädiert er für den Kauf im Tierheim und spricht sich gegen veganes Futter aus.
Publiziert: 21.02.2016 um 17:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 06:11 Uhr
Anette Thielert

Martin Rütter, würden Sie Hundefleisch essen?
Martin Rütter: Ich würde es probieren, aus Neugier. Trotzdem wäre es für mich ein bizarrer Moment, weil ich eine sehr emotionale Beziehung zu Hunden habe.

Weshalb?
Ohne Hund kann ich nicht glücklich sein, Hunde bereichern mein Leben. Sie können als einzige Tiere Artfremde als vollwertige Partner ansehen. Dadurch entsteht eine ganz besondere Nähe.

Worauf muss man achten, wenn man sich einen Hund zulegen will?
Viele denken: Millionen Menschen besitzen einen Hund, die kommen alle klar, das ist nicht so kompliziert. Einen Hund zu halten, ist aber sehr komplex. Deshalb muss man vorher analysieren, wie der eigene Alltag aussieht. Wenn sich ein Mann ein neues Auto kauft, geht er in zehn Autohäuser, liest Testberichte. Beim Hund entscheiden die Leute  spontan. Oder sie haben falsche Vorstellungen, wollen ein kleinen Hund, weil der angeblich weniger Arbeit macht. Und dann kaufen sie einen  Jack Russell, der viel Aufmerksamkeit verlangt. Wer einen Hund halten will, muss auch daran denken, dass dieser Kosten verursacht und Zeit beansprucht.

Wer hat denn heute noch Zeit? Höchstens Rentner und Familien, in denen ein Elternteil nicht arbeitet.
Wenn jemand berufstätig und acht bis zehn Stunden ausser Haus ist, ist es nicht möglich, einen Hund zu halten. Das wäre dem Tier gegenüber unfair. Eine Lösung für Berufstätige ist Dogsharing, dass der Hund zum Beispiel vormittags bei der Grossmutter ist. Für Hunde ist das völlig in Ordnung. Es sollte aber möglichst immer die gleiche Person sein, die das Tier hütet. Was ich ablehne, sind Hutas, Hundetagesstätten. Sie bedeuten für die meisten Tiere Psychoterror. Der Hund kommt immer wieder in eine neue Rudelkonstellation, das bedeutet für ihn viel Stress. Höchstens fünf von hundert Hunden ertragen das.

Die aktuelle Show: In seiner Show «Nachsitzen» geht Rütter auf Hundehalterprobleme ein und erklärt tiefenpsychologisch-witzig, warum es zwischen 
Vierbeiner und Herrchen manchmal Probleme gibt.
Foto: PR
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Wo sollte man seinen Hund kaufen?
Der erste Gang müsste immer ins Tierheim führen. Dort gibt es tolle Hunde, man muss sie nur richtig erziehen. Meine beiden Hunde sind auch secondhand.

Sie vermitteln in Ihren Kursen, dass man Hunde artgerecht halten soll. Was verstehen Sie darunter?
Wenn man den Begriff genau definiert, würde artgerecht bedeuten: Der Hund trägt keine Leine, kann jagen gehen und sich verpaaren, wann immer er will. Dann wäre er aber nicht gesellschaftstauglich. Trotzdem müssen wir die Bedürfnisse der Hunde berücksichtigen, schliesslich zwingen wir sie, bei uns zu leben.

Welche Bedürfnisse?
Man muss sich mit den Tieren beschäftigen. Manche Halter verwechseln Bewegung mit Beschäftigung. Es gibt Hunde, die sind glücklich, wenn sie zwei Stunden im Park rumlatschen und dann schlafen können. Aber die meisten freuen sich, wenn sie geistig gefordert werden.

Was sind die häufigsten Fehler bei der Hundehaltung?
Eine  starke Vermenschlichung. Die Besitzer missbrauchen das Tier als Menschenersatz. Auch das unendliche Reden mit dem Hund ist furchtbar. Zu der Vermenschlichung gehört auch, dass man die Bedürfnisse des Hundes nicht berücksichtigt, weil man nur die eigenen sieht. So ist es jemandem wichtiger, dass der Hund im Dirndl zum Oktoberfest mitkommt, als dass sich das Tier im Park auf der Wiese wälzen kann.

In Ihren Kursen achten Sie auf eine konsequente Erziehung des Hundes. Warum ist das so wichtig?
Um dem Hund Sicherheit zu vermitteln. Darf der Hund einen Tag auf die Couch, an einem anderen Tag ist es verboten, muss er ständig testen, was geht und was nicht. Dadurch wird er unruhig. Wenn ein Hund alle Regeln gelernt hat, darf man mal Ausnahmen machen. Aber viele Leute lassen zu früh alle fünfe gerade sein und wundern sich dann, dass der Hund ihnen nicht folgt.

Ist Hunde- mit Kindererziehung vergleichbar?
Das ist eins zu eins identisch. Kinder brauchen auch Regeln, um eine Verlässlichkeit zu haben. Innerhalb der Spielregeln darf sich das Kind frei bewegen wie der Hund auch. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Kinder erzieht man zur Selbständigkeit, um sie in die Freiheit zu entlassen. Beim Hund muss ich immer Sorge dazu tragen, dass er abhängig von mir bleibt und möglichst keine Entscheidung allein trifft, weil er dann nicht mehr gesellschaftstauglich ist.

Was halten Sie von Yogakursen für Hunde?
Das ist Blödsinn, genauso wie Wellness, Klangschalentherapie oder Reiki für Hunde. Hingegen finde ich eine Physiotherapie nach einer Gelenkoperation in Ordnung.

Womit füttern Sie Ihre Hunde?
Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich für sie kochen und viel rohes Fleisch verfüttern. Ich nehme stattdessen ein Trockenfutter, das70 Prozent Fleisch enthält. Die meistenTrockenfuttersorten haben das nicht, dieenthalten stattdessen so um die zwölf Prozent Tiermehl.

Verstehen Sie, dass Menschen Angst vor Hunde haben?
Ja. Hundehalter müssen wissen, dass sie mit einem Raubtier unterwegs sind. Sie müssen dafür sorgen, dass ihr Tier keine Menschen belästigt. Sprüche wie: «Er tut nichts, er will nur spielen», sind eine Katastrophe.

Zur Person: Um sein Studium der Sportwissenschaften zu finanzieren, führte Martin Rütter (45) Hunde aus. Das Studium schmiss er hin und liess sich in der Schweiz zum Tierpsychologen ausbilden. 1995 gründete er das Zentrum für Menschen und Hund bei Erftstadt (D) und bildete dort Hunde und ihre Halter nach der Methode D.O.G.S. (Dogs Oriented Guiding System) aus. Die Vox-Sendung «Der Hundeprofi» machte ihn bei ­einem grösseren Publikum bekannt. Rütter verfasste mehrere Bücher zum Thema und geht regelmässig mit seinen Shows auf Tournee.Er tritt mit der Show «Nachsitzen» am 1. 3. in Luzern, am 2. 3. Bern sowie am 3. 3. Basel auf.

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