Comedy-Star Alain Frei mit Klischees über die Schweiz
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Alain Frei bei «Deville»:Comedy-Star Alain Frei mit Klischees über die Schweiz

In Deutschland ein grosser Comedy-Star
Warum aus Rüetschli Frei wurde

In Deutschland ist er ein grosser Comedy-Star, 
in der Schweiz kennt ihn kaum jemand. 
Dabei ist Alain Frei ein waschechter Solothurner. Momentan tourt er durch sein Heimatland.
Publiziert: 17.12.2018 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 10:54 Uhr
Alain Frei (35) kommt aus dem tiefen Schweizer Mittelland und heisst eigentlich Alain Rüetschli. Hier steht er im Treppenhaus des Hotels Marta in Zürich.
Foto: Thomas Meier
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Alainfrei.de lautet die ­Anschrift seiner Web­site – dabei heisst 
der Stand-up-Come­dian ­eigentlich Alain Rüetschli und kommt aus dem ­tiefen Schweizer Mittelland: aus ­Luterbach neben Solothurn. Warum also nicht www.alainrueetschli.ch?

Den Familienclown zieht es früh weg von Eltern und grossem Bruder. Er will «so viel wie möglich 
von der Welt sehen», wie er einmal sagte. 2004 ging Rüetschli 20-jährig nach Deutschland – und bleibt dort hängen. Er legt sich den Künstlernamen Frei zu, den Mädchen­namen seiner Mutter. Nach ersten Auftritten im «Quatsch Comedy Club» ist er seit sieben Jahren Mitglied des erfolgreichen Ensembles Rebell Comedy.

Frei (35) ist heute ein Star in Deutschland, in seiner Schweizer Heimat lernt man ihn allmählich kennen. Tritt er bei unseren nördlichen Nachbarn im Fernsehen auf, räumt Preis um Preis ab und füllt dort mit seinen eigenen Bühnenprogrammen ganze Hallen, 
so macht er nun einen kleinen ­Abstecher zu uns und gibt bis ­Mittwoch drei Gastspiele in ­Zürich, Basel und Bern.

Alain Frei räumt mit Klischees über die Schweiz auf

«Deutschand ist mit Comedians überbevölkert, weshalb ich mich dort erst einmal mit vielen Auf­tritten durchsetzen musste», sagt Alain Frei beim Treffen mit dem SonntagsBlick-Magazin. Erlangte er 2011 mit dem TV-Auftritt beim «RTL Comedy Grand Prix» eine ­gewisse Berühmtheit, musste er ­danach ein paar Jahre unten durch und trat in Sälen mit einer Handvoll Zuschauern auf. Erst seit etwa 2015 strömt das Publikum zu ihm.

Damit steigt auch seine Beachtung. «Man sieht eben immer nur den Erfolg», sagt Frei in breitestem Solothurner Dialekt, aber mit der Zackigkeit eines Deutschen. Bei seinen Auftritten spricht er ast­reines Bühnendeutsch, das er 
sich in seiner Ausbildung an der Freien Schauspielschule in Hamburg aneignete. «Zudem lebe ich nun schon über zehn Jahre im Norden – zunächst in Hamburg, dann der Liebe wegen in Köln – da wird man automatisch ein­gedeutscht», sagt er weiter. Die ­Liebe zu einer Schauspielerin ­verflog, Frei blieb in Köln.

Wenn schon nicht die Sprache, so ist es doch der Vorname, der seine eidgenössischen Wurzeln verrät. Doch Alain Frei will seine Herkunft gar nicht verschweigen, vielmehr spielt er mit ihr – das erkennt jeder, der seine Website anwählt: Auf der Startseite sieht man den Comedian mit einem breiten Grinsen, das 
an den Walliser Eiskunstlauf-Star Stéphane Lambiel gemahnt, daneben ein rot umrandetes TV-Gerät, auf dem ein Schweizer­fähnchen steckt.

Auf dem stilisierten Fernseher läuft ein Video: Das weisse Kreuz auf rotem Grund weht in knutschblauem Himmel zu Muh-Lauten und gemütlichen Gitarrenklängen. «Die Schweiz – langsam, süss, ­neutral», lauten die eingeblen­deten Schlagworte. Frei präsentiert Klischees unseres Landes, um sie urplötzlich vom Bildschirm zu ­fegen. Das Schlagzeug gibt einen schnellen Rhythmus vor, und 
ein Satz blitzt auf: «Neutral war gestern!» Mit Ausrufezeichen.

«Rassismus ist die 
dümmste Art von Hass»

Ist das ein politisches Statement ­eines Exil-Schweizers? Frei relativiert: «Ich wollte nur mit den ­Klischees aufräumen, die Deutsche von der Schweiz haben.» Stünde 
er heute als Alain Rüetschli auf der Bühne, würde er eine weitere fixe Vorstellung bedienen: «Die Deutschen meinen ja, dass wir ­hinter ­jedes Wort ein -li hängen und etwa Fränkli sagen, was natürlich nicht stimmt.»

Frei kann aber durchaus politisch sein. «In mir steckt nämlich auch ein Weltverbesserer.» Ein wichtiges Anliegen, das er in fast jeder ­Vorstellung thematisiert, ist der Rassismus. «Das ist für mich die dümmste Art von Hass – man hasst dann jemanden nur, weil er nicht von hier ist», sagt Frei. «Aber wo ­beginnen die Grenzen? Fangen sie bei Solothurn an?»

Frei bewegen nicht bloss solche Allerweltsthemen, er engagiert sich auch in konkreter Lokalpolitik: 2010 schickt er einen Leserbrief 
an die «Solothurner Zeitung», in dem er sich gegen Abholzungen in der Nähe von Luterbach ausspricht: «‹Naturnahes Aareufer›. Der Titel allein grenzt schon an Dreistigkeit.» Das schreibt er ganz ohne Humor, aber auch ohne Erfolg: Die Ufer­bäume sind weg.

Mit Humor von der Bühne auf das Publikum einreden, das erachtet Frei heute als probateres Mittel, um erfolgreich zu wirken: «Humor ist der einfachste Weg, um ins Herz ­eines Menschen zu kommen – er lacht reflexartig los, denkt dann aber darüber nach.» Grenzen des Humors gibt es für Frei keine: 
«Es ist immer der Ton, der die ­Musik macht.»

So erzählt er in einer Show die ­Anekdote, wie er im Bahnhof einen Blinden umrennt, ihm wieder aufhilft und dabei den dümmsten Satz sagt: «Hey, es tut mir leid, aber ich habe dich nicht gesehen.» Betre­tenes Schweigen der Passanten ringsum. Doch dann lockert der Blinde die Stimmung auf und sagt: «Weisst du was, ich habe dich auch nicht gesehen.»

«Stand-up-Comedy funktioniert so, wie wenn man Kollegen eine lustige Geschichte erzählt, die man selber erlebt hat», sagt Frei. Teils ­erfindet er seine Bühneninhalte, teils schöpft er sie tatsächlich aus eigenen Alltagserlebnissen.

Bei einer Vorstellung kippt ­unlängst eine Zuschauerin um, weil sie ­heftig lachen muss – die Show stoppt, die Frau erholt sich wieder. «Das ist so absurd komisch, das baue ich nun als Anekdote ein», sagt Frei. «Man muss die Story nur lustig erzählen.» Ein Testlauf am letzten Sonntag in Augsburg war schon mal erfolgreich: «Es war die stärkste Nummer», so Frei.

Der Comedian lacht wieder sein ­Stéphane-Lambiel-Lachen, entblösst dabei beide Zahnreihen und streckt dazwischen seine Zungenspitze neckisch raus. Zeigt er sie dem Gegenüber oder will er sich eine unbedachte Aussage ver­beissen? Nein, Frei ist nicht auf den Mund gefallen und geht jedes Ri­siko ein. «Manchmal kriege ich dafür Hassmails», sagt er locker, «aber 
das halte ich gern aus, weil ich dann sehe, dass ich etwas bewirke.»

Weihnachten mit 
René Rindlisbacher

Schon in Luterbach gab es viel zu lachen: Alain unterhält mit seinen Einfällen den Mittagstisch bei Rüetschlis, und öfters kommt René Rindlisbacher (55) zu Besuch – das frühere Mitglied des Komikerduos Schmirinskis und Alains Vater Max Rüetschli sind dicke Freunde.

Rindlisbacher und Frei beherrschen nicht nur das Handwerk der witzigen Unterhaltung, beide machten auch eine Lehre auf dem Bau: Rindlisbacher ist ausgebil­deter Maurer, Frei eignet sich im väterlichen Betrieb die Fähigkeiten eines Plattenlegers an – die Eltern wollen, dass er vor der Karriere als Witzereisser noch «etwas Richtiges» erlernt.

«Früher feierten die Familien Rüetschli und Rindlisbacher ­gemeinsam Weihnachten», sagt Alain Frei, «aber inzwischen sind wir Kinder alle gross.» Zudem ist der Terminkalender von Frei derart voll, dass er jetzt schon weiss: 
An Weihnachten 2019 steht er 
mit seiner «Familie» von Rebell ­Comedy auf der Bühne der Stadthalle im süddeutschen Reutlingen und unterhält über 1500 Besucherinnen und Besucher.

Alain Frei live mit dem aktuellen Programm «Mach Dich Frei»: Sonntag, 16. Dezember, Kaufleuten, ­
Zürich (ausverkauft); Montag, 17. Dezember, Häbse Theater, Basel; Mittwoch, 
19. Dezember, ­Bierhübeli, Bern

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