«Wir haben fast 50% der Mitglieder verloren!»
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Fitnesszentrum-Leiter:«Wir haben fast 50% der Mitglieder verloren!»

Studiobetreiber leiden unter den Folgen der Corona-Krise
Null Bock auf Fitness

Die Pandemie ist fast vorbei, Restriktionen gibt es keine mehr. Doch viele Schweizerinnen und Schweizer kehrten nie ins Gym zurück. Vor allem Ältere sind immer noch vorsichtig.
Publiziert: 18.09.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2022 um 13:40 Uhr
Thomas Schlittler

Linus Maillard (26) hat mehr Zeit, als ihm lieb ist. Das Fitnessstudio Body Move in Aesch BL, das er leitet, ist an diesem Donnerstagnachmittag beinahe leer. Nur einmal wird die Fotosession mit SonntagsBlick kurz unterbrochen. «Hast du dir die Frisur gemacht?», witzelt ein Stammgast.

Maillard kennt seine Kunden – zumindest jene, die ihm und seinem Team treu geblieben sind. Vor drei Jahren hatte das Body Move rund 1100 Mitglieder, aktuell sind es knapp 600. «Corona ist für uns leider noch nicht vorbei», sagt Maillard. Viele Kundinnen und Kunden seien bis heute nicht ins Fitnessstudio zurückgekehrt.

Body Move ist kein Einzelfall, wie eine Befragung des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verbandes (SFGV) zeigt. Gemäss der Resultate, die SonntagsBlick exklusiv vorliegen, sind fast alle Studios noch weit vom Normalzustand entfernt. Von 196 befragten Betrieben gaben gerade einmal drei an, wieder bei der gleichen Kundenzahl zu sein wie vor Corona.

Angst bei Älteren hält an

Im Vergleich zum Herbst 2019 melden 72 Betriebe, also rund ein Drittel der Befragten, einen Rückgang von 21 bis 30 Prozent. 70 Betriebe, ein weiteres Drittel, begrüssen 31 bis 50 Prozent weniger Gäste als vor der Pandemie. Und jeder 20. Betrieb kommt nicht mal auf die Hälfte der gewohnten Auslastung. SFGV-Präsident Claude Ammann (55): «Im Schnitt machen unsere Mitglieder im Herbst 2022 noch immer rund 30 Prozent weniger Umsatz als vor Corona. Das ist existenzgefährdend.»

Linus Maillard (26) hat mehr Zeit, als ihm lieb ist. Das Fitnessstudio Body Move in Aesch BL, das er leitet, steht an diesem Donnerstagnachmittag beinahe leer.
Foto: STEFAN BOHRER
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Was die Gründe dafür sind, kann niemand abschliessend sagen. Maillard vermutet, dass bei der älteren Generation nach wie vor ein gewisses Unbehagen besteht: «Monatelang wurde den Leuten gesagt, dass es gefährlich sei, ins Fitnessstudio zu gehen. Einige haben deshalb bis heute Angst, bei uns zu trainieren.»

Unter den Jungen beobachtet der diplomierte Fachmann für Fitness- und Gesundheitsförderung eine Verlagerung. «Viele haben während der Pandemie neue Outdoor-Aktivitäten für sich entdeckt», so Maillard. Andere wiederum hätten sich dem Sofa zugewandt und nun Mühe, wieder aktiv zu werden.

Entscheidend für die Branche ist die nähere Zukunft. «Im Herbst werden die meisten Abos abgeschlossen», sagt Ammann. Er hofft, dass die Branche endlich wieder Boden gutmachen kann. Voraussetzung sei, dass die Kunden darauf vertrauen, ihr Abo auch nutzen zu können. «Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wären erneute Einschränkungen in den kommenden Monaten.»

«Immer so weitergehen kann es nicht»

Ammann betont, dass seine Branche ausserordentlich grosse Opfer gebracht habe, um die Krise zu überstehen. Insbesondere, dass man die Abos um die Dauer der Schliessungen verlängert habe, tue den Betrieben bis heute weh. «Die Liquidität ist eine grosse Herausforderung», sagt er.

Sollte es zu weiteren Massnahmen kommen, verlangt der Fitnessverband grosszügige Unterstützung durch Bund und Kantone – nicht nur im Falle von Schliessungen, sondern auch bei Kapazitätsbeschränkungen oder einer allfälligen Maskenpflicht. Ammann: «Die Erfahrung zeigt, dass wir auch unter diesen Umständen grosse Einbussen hinnehmen müssen.»

Das Body Move in Aesch konnte in den vergangenen zwei Jahren von früheren Erfolgen zehren. «Wir haben das Glück, dass es uns seit mehr als zehn Jahren gibt und wir vor der Pandemie sehr erfolgreich gewirtschaftet haben», so Maillard. Um die Kosten tief zu halten, wurden alle Ausgaben gestrichen, die nicht absolut dringlich sind: weniger Lektionen für freischaffende Instruktoren, selber putzen, keine Werbung und keine Investitionen in neue Infrastruktur.

«Immer so weitergehen kann es aber natürlich nicht», so Geschäftsführer Maillard. Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er und sein Team bald wieder neue Mitglieder begrüssen dürfen. «Wir sind bereit und freuen uns!»

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