Das Basketball-Team ist zwar eine Lachnummer, aber...
Die Stadt der Verlierer hat wieder Hoffnung

Detroit ist eine echte Sportstadt. Und die Fans der Pistons, Tigers, Lions und Red Wings müssen bös unten durch und reiben sich nun ungläubig die Augen, dass ein Team Erfolg hat.
Publiziert: 30.12.2023 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2023 um 18:54 Uhr
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Stephan RothStv. Eishockey-Chef

Detroit macht es seinen Sportfans nicht einfach. Jüngstes Beispiel? Die Pistons, die in der NBA eben einen Negativrekord egalisiert haben. Gegen die Boston Celtics verloren die Basketballer der heruntergekommenen Auto-Metropole zum 28. Mal in Folge. So schlecht waren nur die Philadelphia 76ers gewesen, die 2015 saisonübergreifend die gleiche Anzahl Pleiten aneinandergereiht hatten. In den grossen US-Profisportarten hat nur ein Team 29-mal in Folge verloren: die Chicago Cardinals in der NFL (1942-45).

Dabei hatte es zunächst danach ausgesehen, als ob die Mannschaft von Monty Williams die schwarze Serie durchbrechen könnte. Phasenweise lag sie gegen die Nummer 1 der NBA in Boston mit 21 Punkten vorne – verlor dann aber in der Overtime 122:128. «Ich bin unglaublich stolz auf die Truppe, sie haben alles gegeben», sagte Williams. «Sie kriegen ja mit, was über sie gesagt wird, aber sie stecken nicht auf.» Schon bei der Niederlage davor hatten die verärgerten Fans lautstark «Sell the team!» (verkauft das Team!) gebrüllt.

Hängende Köpfe und Negativrekord: Die Detroit Pistons, im Bild Bojan Bogdanovic (links) und Cade Cunningham, kassierten gegen Boston Niederlage Nummer 28 in Folge.
Foto: keystone-sda.ch
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Mit Mitgefühl der Konkurrenz brauchen die Pistons nicht zu rechnen. Schliesslich hatten sie zu ihren erfolgreichsten Zeiten mit den Titeln 1989 und 1990 mit destruktivem Bad-Boy-Basketball und Stars wie Isiah Thomas, Denis Rodman und Joe Dumars die Liga terrorisiert. 2004 kam dann noch ein weiterer Titel hinzu. Danach ging es bergab. Seit 2010 qualifizierte sich das Team nur noch zweimal für die Playoffs.

Yzerman lebt von seinem Goodwill

Ebenfalls in einer Negativspirale befinden sich die Nachbarn der Pistons in der modernen Little Caesars Arena, die Red Wings. Das Eishockey-Team, das davor einen Rekord mit 25 aufeinanderfolgenden Playoff-Teilnahmen aufgestellt hatte, befindet sich seit 2016 im von Niederlagen gepflasterten Wiederaufbau-Modus. Auch diese Saison sieht es trotz gutem Start nicht so aus, als ob das Team die Playoffs erreichen würde. «Sell the team!»-Rufe sind aber noch keine zu hören. Steve Yzerman (58), der 2019 das Amt als General Manager übernahm, profitiert dabei davon, dass er den Klub als Captain zu vier Stanley-Cup-Siegen führte und nahezu grenzenlosen Goodwill geniesst.

Der Erfolg macht auch schon lange einen grossen Bogen um das Baseball-Team Detroit Tigers. Seit 2014 haben sie stets die Playoffs verpasst. Letztmals gewannen sie die World Series 1984. In dieser Zeit wurde der Klub auch in Europa bekannt, weil Tom Selleck als TV-Detektiv Magnum stets ein Baseball-Cap mit dem D-Schriftzug der Tigers trug.

Der Inbegriff des Verlier-Teams waren aber stets die Detroit Lions. Den letzten Titel gewannen sie 1954 – zwölf Jahre vor dem ersten Super Bowl. Seither fanden sie immer wieder einen Weg, die Hoffnungen ihrer Anhänger auf dramatische Weise zu zerstören. So ist es nicht erstaunlich, dass die treuen Fans jetzt ihr Glück kaum glauben können und immer noch befürchten, dass alles wie ein Kartenhaus zusammenbrechen könnte. Dabei haben die Footballer die Playoffs bereits auf sicher und sich erstmals seit 30 Jahren Rang 1 in der NFC North geholt.

Trainer Dan Campbell (47) hat einen neuen Spirit geschaffen. Er liebt das Risiko wie kein Zweiter. Während andere zum Punt oder Fieldgoal schreiten, lässt er sein Team das vierte Down meist ausspielen. So keimt in der Stadt, die sich an sportliche Niederlagen gewöhnt hat und sich erst langsam vom Zerfall der Autoindustrie und vom Bankrott erholt, neue Hoffnung.

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