Hockey-Spielplanplaner Vögtlin am Anschlag
«Es zehrt! Ich hatte 122 Telefonate in 10 Stunden»

Seit einem Vierteljahrhundert ist Willi Vögtlin zuständig für den Spielplan in den höchsten Ligen. Nun wird er ständig mit Spielverschiebungen konfrontiert.
Publiziert: 02.11.2020 um 09:36 Uhr
Angelo Rocchinotti

BLICK: Herr Vögtlin, haben Sie schon schlaflose Nächte?
Willi Vögtlin:
Schlaflose Nächte nicht, aber ich kann nicht mehr abschalten. Es zehrt. In der National League mussten bis jetzt 19, in der Swiss League 16 Spiele verschoben werden. Hinzu kommen fünf Cup-Partien und Spiele bei den U20- und U17-Elite-Junioren. Neulich führte ich zwischen 11.25 und 21.03 Uhr 122 Telefongespräche. Ich bin froh, habe ich mit Liga-Direktor Denis Vaucher, Philipp Bohnenblust und meinem Sohn Pascal diesbezüglich ein super Team an meiner Seite.

Bringen Sie die 52 Runden überhaupt durch?
Es wird eng, aber wir haben diverse Eventualitäten miteinbezogen. Die Meinung der Klubs war klar: Alle Vereine müssen überleben. Und es soll möglichst viel gespielt werden. Allerdings glaubte man damals noch, die Stadien zu zwei Dritteln füllen zu können. Nun wird am 1. Dezember entschieden, ob und wie die Meisterschaft fortgesetzt werden soll.

Wie sehen die Eventualitäten aus?
Es gibt Pläne, die Playoff-Runden zu verkürzen. Im Worst-case-Szenario würden die drei Serien im Best-of-3-Modus gespielt. Sollten wir auch auf die Playoffs verzichten müssen, könnten wir bis am 11. Mai spielen.

Seit vielen Jahren ist Willi Vögtlin der Mann für die Spielpläne der höchsten Ligen – so kompliziert wie jetzt war sein Job wohl noch nie.
Foto: Screenshot
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Will man wirklich auf die Playoffs verzichten?
Die Doktrin der Klubs war klar: Lieber alle 52 Spiele bestreiten und dafür auf die Playoffs verzichten. Es geht auch um TV- und Sponsorengelder.

Wie bestimmen Sie die Verschiebedaten?
Ein Spiel verschiebe ich immer auf den ersten freien Termin, weil ich nicht weiss, was in zwei, drei Monaten sein wird und ob Teams noch einmal in die Quarantäne müssen. Das ergibt zwar eine hohe Dichte an Spielen. Doch das wussten die Klubs. Ich bin lange genug dabei und weiss, was zumutbar ist und was nicht.

Das Spiel zwischen Fribourg und Genf haben Sie auf den 5. Januar verlegt, weil Gottéron nach der Quarantäne mehr als nur ein Training absolvieren wollte. Sind Sie zu nett?
Eigentlich nicht. Genf war damit einverstanden. Zudem waren die Infektionszahlen damals noch nicht so hoch. Ich würde heute wohl anders entscheiden. Grundsätzlich sehe ich mich als Dienstleister, mache lieber mal ein Telefon mehr. Doch manchmal muss ich auch Diktator sein. Vor allem wenn ich das Gefühl habe, man will meine Gutmütigkeit ausnutzen. Laut Reglement liegt die Hoheit bei Liga-Direktor Denis Vaucher und mir.

Wie reagieren die Klubs auf die neuen Daten?
Mit den CEOs habe ich keine Diskussionen. Die Sportchefs zeigen nicht immer alle Verständnis. Die Problematik besteht darin, dass man erst seinen Klub und nicht das Gesamtbild sieht.

Nun ist Nati-Pause, wobei die Nationalmannschaft gar nicht spielt. Hätte man die Pause nicht nutzen können?
Ich hatte die Idee, drei Vollrunden auszutragen. Doch dann kam der Entscheid des Kantons Bern, keine Zuschauer mehr zuzulassen. Das war sicher mit ein Grund, weshalb die CEOs an einer Telefonkonferenz entschieden haben, zu pausieren.

Wo bringen Sie die verschobenen Spiele der letzten Woche unter?
Das weiss ich im Moment nicht. Wenn ich wüsste, ob die NaturEnergie Challenge in Visp stattfindet oder nicht, könnte ich dort Spiele ansetzen. Zudem gäbe es noch zwei Termine zwischen Weihnachten und Neujahr.

Die Sperrdaten wurden weniger, da kaum Veranstaltungen durchgeführt werden können.
Stimmt. Aber wir versuchen für MySports, möglichst viele Spiele auf denselben Tag zu verlegen. Der TV-Anbieter hätte am liebsten Vollrunden. Zudem versuche ich auch vier Auswärtsspiele in Folge zu vermeiden. Es ist komplex. Deshalb fällt es mir momentan auch schwer, abzuschalten.

Kann man Spiele vorverschieben?
Wenn beide Teams einverstanden sind? Ja. Neulich waren Langenthal und die Ticino Rockets spielfrei, weil Winterthur und GCK in Quarantäne mussten. Langenthal-Sportchef Kevin Schläpfer schlug vor, das Spiel bei den Rockets vom Dezember vorzuverlegen. Die Rockets waren einverstanden. Weil auch Sierre in Quarantäne und Kloten spielfrei war, hätten wir ein paar Tage später auch das Spiel zwischen Kloten und Langenthal vom Januar vorgezogen. Doch dann musste der SCL selbst in Quarantäne.

Wie läuft eine Spielverschiebung ab?
Die Klubs brauchen einen schriftlichen Entscheid des Kantonsarztes. Problematisch wird es, falls freitags um 16.30 Uhr dessen Anrufbeantwortet eingeschaltet ist und man aufgefordert wird, am Montag wieder anzurufen. Diesen Fall hatten wir zwei Mal. Dann muss der Klub alle Hebel in Bewegung setzen, den Kantonsarzt zu erreichen. Denn ohne seinen Entscheid, können wir keine Spiele verschieben. So steht es im Reglement, das von den Klubs abgesegnet wurde.

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