«Tun alles dafür, um nicht ein Punktelieferant zu werden»
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Kloten-Präsident Schälchli:«Tun alles dafür, um nicht ein Punktelieferant zu werden»

EHC-Präsident Schälchli
«Wir sind Kloten, wir singen und lachen»

Kloten ist wieder da – das ist zu grossen Teilen der Verdienst von Präsident Mike Schälchli. Der Macher spricht über Trainer, die Swiss League und den Cup, den er aus der Mottenkiste holen will.
Publiziert: 24.04.2022 um 20:36 Uhr
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Aktualisiert: 25.04.2022 um 07:19 Uhr
Dino Kessler (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Blick: Mike Schälchli, herzliche Gratulation zum Aufstieg. Wusste man beim EHC Kloten schon länger, dass man einen Nachfolger für Jeff Tomlinson suchen muss?
Mike Schälchli:
Na gut, Sie steigen gleich mit der brennendsten Frage ein. Danke für die Glückwünsche. Jeff und die Mannschaft haben alles dem Aufstieg untergeordnet und die letzten Wochen und Tage hart gearbeitet. Ich würde Ihnen die Frage einerseits so beantworten: Wir behalten gewisse Interna für uns. Andererseits gibt es in der Eishockey-Familie immer Dinge, die bekannt werden. Ich möchte es so formulieren: Wir hatten von gewissen gesundheitlichen Problemen bei Jeff Tomlinson Kenntnis.

Erstaunlicherweise ist lange Zeit nichts durchgesickert. Das zeugt von Respekt und Anstand.
Das hat sich schon gezeigt, als Fige Hollenstein erkrankte. Es geht in erster Linie darum, was dem Betroffenen dient. Die Interessen des Klubs kommen später. Respekt und Anstand sind für uns ein hohes Gut, welches wir gegen innen, wie auch mit unseren Partnern gegen aussen leben wollen.

Die Interessen des Klubs waren der Aufstieg. Auch das ist gelungen.
Ein Klub, der 56 Jahre im Oberhaus war und dann abgestiegen ist. Während der heftigsten Phase der Pandemie haben wir viele Partnerschaften verloren, der EHC Kloten existiert im Umfeld des Flughafens und der damit verbundenen Wirtschaft, rund ein Drittel unserer Wirtschaftsleistung kommt aus diesem Umfeld. Und ja, wenn es da Probleme gibt, leidet auch der Klub. Ich glaube, der Aufstieg ist uns nicht einfach vor die Füsse gelegt worden. Im zweiten Jahr nach dem Abstieg musste zudem die Saison mit uns als Leader von heute auf morgen abgebrochen werden, da war einfach Fertigschluss, Ende.

Es ist vollbracht: Nach vier Jahren in der Swiss League ist der EHC Kloten zurück im Rampenlicht.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Vor dem Abstieg war der Klub stets in den Schlagzeilen, Schulden, Besitzerwechsel, dann der sportliche Absturz. Können Sie den Anhängern versprechen, dass es nun ruhig bleibt?
Die EHC Kloten Sport AG musste nie Konkurs anmelden. Das ist zu grossen Teilen Thomas Matter und Philippe Gaydoul zu verdanken, ohne sie wäre das nicht möglich gewesen.

Es fühlte sich mindestens an wie ein schleichender, emotionaler, sportlicher Konkurs.
Ich bin vor 21 Jahren nach Kloten gekommen, seit dem Swissair-Grounding gab es diese Turbulenzen um den Klub. Im Umfeld der Aviatik bewegt sich permanent etwas, da ist es in anderen Regionen etwas einfacher, Ruhe in einen Verein zu bringen. Es gab aber auch in Kloten durchaus ruhige Phasen, ich erinnere an die sieben «ruhigen» Jahre unter dem Präsidenten Peter Bossert. Die letzten vier Jahre haben wir versucht, demütiger und realistischer zu werden, ein Klub zu sein, der möglichst viel Geld und Arbeit in den Nachwuchs investiert. Es gab in Europa keinen anderen Klub in der zweiten Liga, der so viel in den Nachwuchs steckt.

Die Millionen des Präsidenten Gaydoul waren willkommen, aber die Person Gaydoul selbst nicht, hatte man den Eindruck. Diese Gefahr besteht bei Ihnen nicht.
Es ist das Ziel des VR und der Leitung, ein starkes Wir-Gefühl aufzubauen. Die vier Jahre in der Swiss League, die Stabilisierung und dann der Angriff nach oben – da mussten jeweils – auch pandemiebedingt, finanzielle Mittel in den Klub investiert werden. Damit das überhaupt möglich war, standen immer zwischen 15 und 17 Leute hinter dem EHC. Ich persönlich bin nicht der grosse Eigentümer, mir gehören zwanzig Prozent des Klubs. Somit ist klar, dass der finanzielle Unterbau auf viele Schultern gestützt ist, nicht auf einzelne Personen. Unsere Denkweise ist: Die Institution EHC Kloten gehört dem Volk, der Region. Wir sehen uns als Verwalter eines Gutes, für das wir zwar wirtschaftlich verantwortlich sind, das aber nicht unser Eigentum ist.

Sind sich in Kloten alle bewusst, dass im Oberhaus erstmal die anderen Spitzeneishockey spielen?
In den letzten vier Jahren haben wir ein Zusammengehörigkeitsgefühl erschaffen, ein Fan-Engagement in einem schwierigen Umfeld kreiert, gegen die Farmteams kamen teilweise 4500 Zuschauer. Die Kloten-Familie ist nach den Swiss-League-Jahren geläutert und sehr treu. Man ist sich bewusst, dass man jetzt erstmal die Tabelle umdrehen muss, wir beginnen unten. Der Kloten-Fan ist ein Fachmann und er ist sehr loyal. Nach der abgebrochenen Saison forderten von 3700 Abo-Besitzern fünf oder sechs ihr Geld zurück. Die Leute haben den Hockey-Geist, die wissen was läuft.

Da passt vielleicht Thierry Paterlini als neuer Trainer ganz gut, der hat sich auch in der Swiss League durchbeissen und Bescheidenheit üben müssen.
Da wissen Sie aber mehr als ich...

Sie weichen dem Thema aus. Na gut, dann ist es ein bestimmter Typus Trainer aus der Swiss League, der passen würde.
Unsere Absicht ist es ja, Nachwuchs einzubauen. Wir möchten nicht, dass unsere hoffnungsvollen Spieler in Nordamerika in die Junioren-Liga gehen, sie sollen bei uns die Chance bekommen, in der National League zu spielen. Als David wollen wir im Oberhaus aber auch mal gewinnen.

Als Aufsteiger sind da die Chancen gegen die ZSC Lions fast am Grössten. Ajoie hat es in dieser Saison gleich zwei Mal geschafft.
Natürlich wollen wir auch mal einem «Grossen» ein Bein stellen, vor allem freuen wir uns auf die wieder stattfindenden Derbies – wie zum Beispiel gegen die Lions. Grundsätzlich wollen wir uns resultatmässig am Aufsteiger orientieren, der uns damals versenkt hat.

An den Lakers?
Rappi hat vorgemacht, wie sich ein Aufsteiger in der NL etablieren kann. Davor muss man den Hut ziehen. Mit unserem Know-how und unserer Strategie wollen wir einen ähnlichen, aber auf Kloten gemünzten Weg gehen. Die Lakers haben sich auch in der Swiss League gesammelt, um dann in Etappen stärker zurück zu kommen. Wer heute zu den Lakers geht, weiss, dass er eine Chance bekommt, die er bei einem anderen Klub nicht erhalten hätte, dafür gibt es etwas weniger Lohn. Jeder Agent ist sich bewusst, dass er die Lakers nicht für einen Vertragspoker benutzen kann. Die Lakers haben bereits im zweiten Jahr nach dem Aufstieg mehr als einen Punkt pro Spiel ergattert, das sollte auch ein Ziel für uns sein.

Erstmal zurück zur Swiss League: Die wird jetzt abgehängt. Sie selbst waren zuletzt mit dabei, als es um die Re-Positionierung dieser Liga ging. Sie hängen da auch wirtschaftlich noch mit drin.
Ja, ich bin der 360-Grad-Vermarktung mit dabei, wir führen zusammen mit der Swisscom und Blue eine OTT-Plattform (Over-the-Top-Content, die Red.) ein, da lassen sich nächste Saison sämtliche Spiele der Swiss League per Stream sehen, der Zugang ist für Dauerkarten-Besitzer gratis. Die Liga ist ausserdem besser als ihr Ruf, die traditionellen Werte von Visp bis nach La Chaux-de-Fonds lassen sich gut vermarkten, davon bin ich felsenfest überzeugt.

Sie sind jetzt oben, wie denken Sie nun über den Auf-/Abstieg? Stehen Sie immer noch hinter der Durchlässigkeit?
Wer die Rechnung mit dem Wirt, also den Kunden, den Zuschauern, machen will, kann die Durchlässigkeit nur befürworten.

Was bedeutet für Sie Durchlässigkeit?
Durchlässigkeit bedeutet für mich, dass der, der in der zweiten Liga den Kübel holt, eine Chance hat, den Letzten der ersten Liga runterzubüchsen. Wenn die National League mit sechs Ausländern spielt und die Swiss League mit zwei, dann muss eben eine Angleichung stattfinden.

Das ist aber für beide Klubs unfair, weil schon jeder kleine Eingriff in ein Mannschaftsgefüge Entscheidendes verändern kann.
Es muss eine Lösung gefunden werden, damit ambitionierte Klubs mit der nötigen Infrastruktur eine faire Chance haben, aufsteigen zu können.

Wäre es nicht gescheiter, zwei Zehnerligen mit absoluter Durchlässigkeit zu erschaffen?
Dann müssten ja vier Teams absteigen. Stellen Sie sich vor, wie viel Geld da ausgegeben würde, um das zu verhindern.

In den letzten zwei Jahren gab es keinen Absteiger, in den hinteren Regionen der Tabelle wurde aber trotzdem fleissig Geld ausgegeben.
Das hat mich auch überrascht.

Hat Kloten einen Standortvorteil gegenüber anderen Klubs in der hinteren Region der NL-Tabelle?
Der Standort Kloten möchte eine sympathische Adresse in der National League sein. Wir sind Kloten, wir singen und lachen, gesungen wird bei uns ja viel. Ambri sind wir nicht, ein Che-Guevara-Image wäre für uns nicht glaubwürdig. Es gibt ja auch die Idee, den Cup wieder ins Leben zu rufen...

Haha!
Warum lachen Sie?

Den Cup hat man eben gerade beerdigt, den wollten die Grossen nicht mehr.
Der Cup ist aber eine wunderbare Sache, eine der geilsten Erfindungen der letzten Jahre. Ich bin mir sicher, dass mit der erneuten Reaktivierung des Cups, welche in einem Final-Four-Weekend münden könnte, die Aussenwahrnehmung des Eishockeys weiter gesteigert würde. Nach der Pandemie müssen wir alles daran setzen, dass die Fans für ein Live-Erlebnis wieder in die Stadien pilgern. Der Cup bringt Durchlässigkeit, sprich grössere Clubs spielen gegen kleinere Teams. Damit könnte man neue Fans generieren, diese in die Stadien bringen und beweisen, dass der Matchbesuch durch nichts zu ersetzen ist. Den Cup zu beerdigen, war wahrscheinlich nicht die beste Idee der letzten Jahre.

Welchen Background haben Sie? Sind Sie Geschäftsmann?
Ich bin im Unterhaltungsektor tätig, mit der Firma «Tit-Pit» veranstalten wir Events wie die Streetparade in Zürich, das Openair Gampel und viele Veranstaltungen mehr. Wir versuchen, die Schweiz während des ganzen Jahres zu unterhalten.

Wären Sie in der Lage, den EHC Kloten mit eigenen Mitteln zu sanieren?
Nein. Das würde ich abgesehen davon auch nie machen. Ich investiere Zeit, Kraft und Wissen.

Wie lauten die sportlichen Ziele des Klubs?
Wir wollen uns im Zeitrahmen von fünf Jahren weiterentwickeln.

Das ist ziemlich vage.
In fünf Jahren möchten wir soweit sein, stets die Playoffs als realistisches Saisonziel vor Augen zu haben. Aber eigentlich kann man das gleich wieder vergessen, wenn ich mich am Event-Business orientiere, sehe ich ja, wie rasch sich alles verändert. Wer weiss schon, wie die Liga in fünf Jahren aussieht? Momentan planen wir mit sechs Ausländern, vielleicht hat die Schweiz in fünf Jahren keine Goalies mehr, die für die Nati taugen, weil alle mit ausländischen Torhütern spielen. Im Eishockey gibt es die Erfahrungen aus Deutschland oder Österreich die zeigen, wie man es nicht tun sollte. Und trotzdem machen wir es gleich.

Ihr Sportchef Patrik Bärtschi ist Teilhaber einer Firma, die er zusammen mit dem Spieleragenten Sven Helfenstein führt. Geht sowas?
Wir wissen, um was es geht. Diese Firma vertreibt ausschliesslich Fachwissen und technische Hilfsmittel für das Sommertraining. Aber klar, für einen Sportchef könnte da ein Interessenkonflikt entstehen und das geht nicht. Bärtschi hatte damals eine Bewilligung für diesen Schritt, aber damals war er noch beim Verein, nicht bei der Sport AG angestellt. Zudem spielten wir in der Swiss League. Mit der Promotion in die National League werden wir diesen Punkt im Verwaltungsrat aber diskutieren und lösen.

Wann?
Bei der nächsten Verwaltungsratssitzung.

Wann findet die statt?
Sobald wir alle Feierlichkeiten verdaut haben, Anfang Mai.


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