Lausannes unheimlicher Wandel
Vom Chaos-Klub zum Playoff-Finalisten

Lausanne war in den vergangenen Jahren mit seiner eigentümlichen Schaffensweise Garant für Negativschlagzeilen. Nun ist in Windeseile Ruhe, Harmonie und Erfolg eingekehrt – und auch das Preis-Leistungs-Verhältnis des Teams ist erstmals in einem akzeptablen Bereich.
Publiziert: 15.04.2024 um 14:56 Uhr
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Marcel AllemannReporter Eishockey

Der Lausanne HC. Ein Verein, bei dem Anspruch und Wirklichkeit stets im Missverhältnis standen. Das prägte die letzten Jahrzehnte, aber vor allem auch die letzten Jahre der Vereinsgeschichte. Denn die Ausstrahlung eines schlafenden Riesen im Umfeld der hockeybegeisterten, viertgrössten Stadt der Schweiz hatte der LHC schon lange. Aber mit Klubobrigkeiten, die regelmässig sämtliche Schalthebel zwischen Naivität und Grössenwahn bedienten, bekam es Lausanne in den 90er- und 00er-Jahren nie hin, zu Konstanz zu finden und sein Potenzial auszuschöpfen. Regelmässig geriet der Verein auch in finanzielle Not.

Das Schlamassel änderte sich zwar kurzzeitig, als Lausanne 2013 zum insgesamt sechsten Mal in die NLA aufstieg. Der Däne Heinz Ehlers war als Trainer gekommen, schmiss den Betonmischer an und führte den Klub zweimal in Folge überraschend in die Playoffs. Im Umfeld blieb es dennoch unruhig. Da war zunächst die skandalträchtige Episode von Hugh Quennec als Eigentümer von Servette und Lausanne. Und als der zuvor bei Kloten ausgestiegene Ken Stickney 2016 die Aktienmehrheit übernahm, wurde das nächste Fass ohne Boden aufgemacht.

Schachfiguren und Mafia-Stil

Grossspurig verkündete der Amerikaner, man wolle der beste Klub in Europa werden. In der National League handelten sich die Lausanner jedoch primär den Ruf ein, ein Lohn-Preistreiber zu sein. Das Geld gab man mit beiden Händen aus, für stolze Summen wurden Spieler wie Lukas Frick, Christoph Bertschy, Ronalds Kenins, Joël Vermin, Robin Grossmann, Cody Almond oder Mark Jooris in die Waadtländer Metropole geholt.

Kämpfen zusammen, jubeln zusammen – Lausanne präsentiert sich diese Saison als verschworene Einheit.
Foto: keystone-sda.ch
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Oder wieder vertrieben. Denn als 2020 der frühere NHL-Verteidiger Petr Svoboda zusammen mit den Financiers Zdenek Bakala und Gregory Finger einstieg, wurde es in Lausanne trotz des Einzugs in die schmucke Vaudoise Aréna ungemütlich. Spieler wurden von Svoboda wie Schachfiguren herumgeschoben oder auch weggemobbt. Grossmann sprach nach seiner Flucht nach Biel von «Mafia-Stil». «Es erstaunt mich, dass immer noch Spieler Verträge in Lausanne unterschreiben», sagte 2021 ein Sportchef zu Blick und sprach aus, was viele dachten.

Unruhe, Unsicherheit, Unbehagen

In der Tat wurde es für Lausanne bei diesem Image schwierig bis unmöglich, weiterhin nationale Topshots für einen Transfer zu begeistern. Und so wurde eben die zweite Garde mit horrenden Gehältern gelockt. Spieler wie Michael Hügli, der in den aktuellen Playoffs kaum ein Faktor und oft überzählig ist. Hinter vorgehaltener Hand war auch oft von fürstlichem Schmerzensgeld die Rede, damit sich Spieler dieses Haifischbecken überhaupt antun.

Sportlich blieb ein Halbfinal-Einzug 2019 der einzige Ausreisser nach oben. Dafür machte sich Svoboda einen Spass daraus, Trainer auszutauschen. Ville Peltonen wurde ebenso gefeuert wie Craig MacTavish – beide mussten anschliessend vor Gericht ziehen, um die finanziellen Ausstände einzufordern. Auch die Spieler benötigten juristischen Beistand – als mit Svoboda während der Corona-Zeit Lohnverzichte ausgehandelt werden mussten. Es herrschte ein Klima der Unruhe, Unsicherheit und des Unbehagens.

Nach Debakel an richtigen Schrauben gedreht

Zur Besserung führte zunächst auch ein Housecleaning nicht, das nach sich zog, dass Svoboda zuerst degradiert und dann ganz entfernt wurde, aus Trainer John Fust der Sportchef John Fust wurde und Geoff Ward im November 2022 als neuer Headcoach kam. Die Saison wurde auf dem kläglichen 11. Rang abgeschlossen, Lausanne präsentierte sich als die Mannschaft mit dem mit Abstand schlechtesten Preis-Leistungs-Verhältnis in der Liga.

Sekac versenkt Fribourg mit Backhand-Kunststück
5:05
Fribourg – Lausanne 2:4:Sekac versenkt Fribourg mit Backhand-Kunststück

Doch was Fust und Ward kaum jemand so richtig zugetraut hat, ist tatsächlich gelungen. Sie haben nach diesem Debakel an den richtigen Schrauben gedreht und aus diesem Team in Windeseile einen Meisterkandidaten geformt. Nati-Stürmer Damien Riat spricht dieser Tage von einer Dynamik, die er noch nie bei einem Team erlebt habe. Nati-Verteidiger Andrea Glauser lobt, wie alle – von der sportlichen Führung bis zum Materialwart – am gleichen Strick ziehen. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis der Mannschaft ist erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit in einem akzeptablen Bereich. Dass es sich da um den gleichen Klub handelt, der vor anderthalb Jahren noch im Chaos versunken ist – es ist fast nicht zu glauben.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
1
3
3
2
SC Bern
SC Bern
1
2
3
2
ZSC Lions
ZSC Lions
1
2
3
4
EV Zug
EV Zug
1
1
3
4
Lausanne HC
Lausanne HC
1
1
3
6
HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
7
EHC Kloten
EHC Kloten
1
1
2
7
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
1
1
2
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
1
-1
1
10
HC Davos
HC Davos
2
-3
1
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
1
-1
0
12
EHC Biel
EHC Biel
1
-2
0
12
SCL Tigers
SCL Tigers
1
-2
0
14
HC Ajoie
HC Ajoie
1
-3
0
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