National-League-Prognose zum Saisonstart
An Bern und ZSC kommt niemand vorbei

Sechs der letzten sieben Meistertitel gingen nach Bern (2013, 16 und 17) und Zürich (2012, 14 und 18). An den beiden Titel-Hamstern wird auch diesmal kaum einer vorbeikommen.
Publiziert: 21.09.2018 um 10:36 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2018 um 16:24 Uhr
Bully ist der Playoff-Trumpf
2:03
«Spieler gehen an die Grenze»:Bully ist der Playoff-Trumpf
BLICK-Eishockeyredaktion

1. Bern: Lockerlassen mit Jalonen kein Thema

Die Schockwellen des angekündigten Genoni-Abgangs sind verebbt, für die Suche nach einem erstklassigen Nachfolger bleibt genügend Zeit. Wenigstens das. Ein Schweizer? Nein. Dieser Markt ist knochentrocken. Trainer Kari Jalonen kann seinen Sportstrategen etwas unter die Arme greifen, Finnland besitzt den Ruf einer erstklassigen Goalie-Schmiede.

Die Gegenwart? Vielversprechend. Die Ausländerpositionen sind mit Verteidiger Almquist und Stürmer Mursak (beide von Frölunda) besser besetzt als zuletzt, Ebbett und Arcobello zählen zur Elite unter dem ausländischen Fachpersonal. Jalonen dreht derweil konsequent an der Schraube der Intensität, ein Lockerlassen steht nicht zur Debatte.

Bodenmanns Abgang wird durch Grassi, Bieber (beide Kloten) und Sciaroni (Davos) aber nur ansatzweise kompensiert. Grassi hat nicht das Format Bodenmanns, Bieber (Hüfte, Knie) ist angezählt, Sciaroni wurde zuletzt immer wieder durch Verletzungen gebremst.

SC Bern.
Foto: freshfocus

2. ZSC: Haben die Lions das Titel-Rezept?

Auf dem Papier sieht der Meister gigantisch aus. Mit seinen Transfers ist Sportchef Sven Leuenberger wie jemand vorgegangen, der streng nach Rezept kocht. Man will einen neuen Trainer? Man nehme Serge Aubin, der Wien 2017 zum Titel führte. Es braucht einen Top-Center? Man nehme Roman Cervenka von Fribourg, der in zwei Saisons über einen Punkt pro Spiel buchte. Es fehlt ein schussstarker Offensiv-Verteidiger? Man nehme Maxim Noreau vom SCB. Schweizer Flügel höchster Qualität? Man nehme Denis Hollenstein aus Kloten und Simon Bodenmann aus Bern. Dazu steht Verteidiger Severin Blindenbacher, mit dem niemand mehr gerechnet hatte, nach überstandener Hirnerschütterung wieder auf der Matte, Playoff-MVP Kevin Klein verschob seinen Rücktritt um ein Jahr und auch das Comeback von Robert Nilsson ist nicht mehr undenkbar. Was soll da noch schiefgehen? Geniessbar wird Leuenbergers Gericht bestimmt sein. Doch lässt sich ein echtes Gourmet-Menü nach Kochbuch zubereiten?

ZSC Lions.
Foto: freshfocus

3. Biel: Wieder kam ein Hochkaräter dazu

Die Entwicklung im Seeland ist beeindruckend. Der EHCB ist in den letzten Jahren organisch gewachsen. Von einem Verein, für den die Playoff-Qualifikation ein sportliches Wunder war und der jedes Jahr seine besten Spieler an die Konkurrenz verlor, zu einem Klub, der sich allmählich der Spitze angenähert hat und sich stetig verstärken kann. Dabei konnte Biel nach Jonas Hiller und Beat Forster (fällt nun 3 Monate aus) mit Damien Brunner das dritte Jahr in Folge einen Hochkaräter verpflichten, ohne dabei den Eindruck eines neureichen Protzklubs zu hinterlassen. Die Fall-höhe ist nach dem dritten Quali-Rang und dem Halbfinal-Einzug letzte Saison zwar hoch. Die Bieler haben aber bewiesen, dass sie inzwischen mit Krisen gut umgehen können. Letzte Saison griffen sie mit chirurgischer Präzision ein, als Trainer Mike McNamara das Team nicht mehr im Griff hatte, und entschieden sich für Antti Törmänen. Mit dem SC Bern wurde der Finne übrigens im zweiten Jahr (2014) Meister.

EHC Biel.
Foto: KEY

4. Lugano: Der Sturm muss die Musik machen

Neben den ZSC Lions (Meister) ist Luganos Trainer Greg Ireland der Gewinner der vergangenen Saison. Der Kanadier hat den zuvor volatilen Klub auf eine stabile Flughöhe gebracht und die Mannschaft unter den Meister-Aspiranten etabliert. Trotz einiger Misstöne während der Saison. Eine Jobgarantie ist das aber bei weitem nicht, so etwas wäre in Lugano auch undenkbar. Der Versuch, den zwischen Stuhl und Bank gefallenen Linus Klasen loszuwerden, scheiterte an breiter Front. Keiner wollte sich am genialen, aber kaum in ein sinnstiftendes System zu integrierenden Schweden die Finger verbrennen. In den Playoffs 2018 war Klasen fast nur Zuschauer, das Tischtuch zwischen ihm und Ireland ist wohl zerschnitten. Mit Romain Loeffel (Servette) bekommt die Abwehr einen Offensivstrategen, der den Abgang Furrers (Fribourg) nicht kompensieren wird. Goalie Merzlikins (letzte Saison, dann NHL) macht die Abwehr nochmals salonfähig, um die Differenz muss der erstklassig besetzte Sturm besorgt sein.

HC Lugano.
Foto: KEY

5. Zug: Der EVZ hat grosse Träume

Die Ambitionen sind riesig. «Der EV Zug wird im Eishockey eine Macht sein. Es sollen nicht nur die ZSC Lions, Bern oder Lugano das Sagen haben», sagte Boss Hans-Peter Strebel unlängst. Doch nicht nur deshalb musste Coach Harold Kreis seinen Platz nach dem Viertelfinal-Out gegen den ZSC für den Norweger Dan Tangnes räumen: Der Deutsch-Kanadier wollte einfach nicht glauben, dass es dem EVZ mit der Nachwuchsförderung wirklich ernst ist. Für das Ziel, erstmals seit 1998 den Titel zu holen, wird der EVZ erst nächste Saison die Brechstange auspacken. Dann kommt Hexenmeister Leonardo Genoni aus Bern. Dann hofft man, auch die Offensive mit Nati-Stars wie Enzo Corvi (Davos) und Gregory Hofmann (Lugano) veredeln zu können. Das Gebaren des EVZ sorgt bei den Klubs an der Macht bereits für Unruhe.

EV Zug.
Foto: freshfocus

6. Lausanne: Peltonen kommt aus der Jalonen-Schule

Beobachter erkennen im Spiel der Waadtländer bereits in der Aufwärmphase Ansätze von SCB-Eishockey. Ville Peltonen hat bei Kari Jalonen gelernt, das ist die finnische Schule. Ein Top-6-Ergebnis wird vorausgesetzt, mindestens. Lausanne hat noch einmal kräftig investiert, die puckgewandte Abwehrreihe wurde mit Grossmann (Zug) und Lindbohm (Fi, AHL) nochmals deutlich aufgewertet. Gleiches gilt für die Abteilung Attacke: Christoph Bertschy (AHL) gilt als erstklassiger Transfer, bei Ronalds Kenins (ZSC) scheiden sich die Geister: Bekommt man den Kenins der vergangenen Playoffs – oder den Kenins, der nach seiner Rückkehr aus Nordamerika schon als Blindgänger abgetan wurde? Fragwürdig: Tim Traber. Der Haudrauf ist wenig tempofest und neigt zu Gewaltausbrüchen. Nicht Top-6-würdig ist scheinbar nur das Torhüter-Duo Zurkirchen/Boltshauser. Der frühzeitig vollzogene Transfer von Tobias Stephan (Zug, per nächste Saison) dürfte für Verunsicherung sorgen.

HC Lausanne.
Foto: KEY

7. Davos: Neuer Goalie in letzter Minute

Eine Wundertüte? Aber garantiert nicht Arno Del Curto allein schon die Playoffs? Oder die Rückkehr des zuletzt verletzten Ambühl? Die Genesung Lindgrens (Hüfte) vertreibt erstmal die gröbsten Sorgenfalten. Der Finne hatte sich in der letzten Saison erneut an der Hüfte operieren lassen müssen und stand zeitweise vor einer bestenfalls ungewissen Zukunft. Shane Prince (Bridgeport/AHL) wird branchenintern zugetraut, den Topskorern der Liga Beine zu machen. Gestern zog der HCD nach zwei Jahren die Reissleine beim Experiment mit den jungen Goalies Senn und Van Pottelberghe, die nächste Saison ihr Glück in Nordamerika versuchen wollen, und verpflichtete den Schweden Anders Lindbäck (30, zuletzt Milwaukee/AHL). Fragen werfen die Abgänge von Simion (Zug), Sciaroni (Bern) oder Schneeberger (Fribourg) auf. Gewichtig ist nur der Abgang Schneebergers, ein zweikampfstarker Verteidiger mit der Fähigkeit, das Tempo zu variieren – wofür Del Curto nicht immer Verständnis aufbrachte. Ein Prestigeprojekt ist Inti Pestoni. Die Wiederbelebung des beliebten Flügelstürmers könnte im HCD neue Energien freisetzen.

HC Davos.
Foto: KEY

8. Fribourg: Die Abwehr wurde versilbert

Bei Gottéron ist man zufrieden mit der Entwicklung. Nach der Horror-Saison 2016/17 stabilisierte sich der Klub und schaffte im letzten Frühling den Playoff-Einzug. Deshalb wurden Sportchef Dubé (um 4 Jahre) und Trainer French (um 2) grosszügigst mit vorzeitigen Vertragsverlängerungen belohnt. Mit einem Jahr Verspätung steht Nordamerika-Rückkehrer Reto Berra nun doch im Tor der Fribourger und ersetzt den kanadischen Barry Brust, der mit seinem Theater mitschuldig am Playoff-Aus gegen Lugano war. Vor dem doppelten WM-Silberhelden veredelte man nach dem Abgang von Yannick Rathgeb (New York Islanders) die Abwehr mit Philippe Furrer (Lugano) und Noah Schneeberger (Davos). Doch im Sturm? Andrew Miller, der aus der AHL kommt, dürfte kaum die Klasse des zum ZSC abgewanderten Roman Cervenka haben.

Fribourg-Gottéron.
Foto: KEY

9. Servette: Unter McSorley ärgert Genf Gegner und Refs

Chris McSorley hat nicht nur den Umsturzversuch des selbstherrlichen Ex-Präsidenten Quennec überstanden. Er hat auch die plumpen Machtansprüche seiner Landsleute Gillis, Henning und Gall ins Leere laufen lassen. McSorley spricht über das Sportliche: ein verlorenes Jahr. Nun ist er zurück an den Instrumenten der Macht – und die setzt er mit einiger Hebelwirkung ein. Bei den Transfers der NHL-Spieler Tommy Wingels (Boston) und Lance Bouma (Chicago) nutzt er sein hervorragendes Netzwerk in Übersee, mit dem Abschieben von Bremsklotz Traber beweist er seine Schlitzohrigkeit. Den tumben Haudegen schob er dem Derby-Gegner Lausanne in die Schuhe. Die Erwartungshaltung? Servette wird die Gegner wieder mit Ablenkungsmanövern aus der Fassung bringen, sie ärgern und piesacken – und sie so davon abhalten, sich auf die eigenen Stärken zu fokussieren. Oder mit McSorleys Worten: «Der Schiedsrichterboss hat eine Lohnerhöhung gefordert, als er hörte, ich sei zurück.»

Servette-Genf.

10. SCL Tigers: Beisst Taktikfuchs Ehlersdie eigenen Spieler?

Eigentlich fehlt es den Langnauern an der sportlichen Substanz für den Sprung in die Playoffs. Zumal mit Thomas Nüssli und Emanuel Peter auch noch zwei routinierte Stürmer auf unbestimmte Zeit ausfallen. Es ist das Resultat der Politik der Vernunft von Präsident Peter Jakob. Und dennoch schnupperten die SCL Tigers in den letzten beiden Jahren an den Playoffs. Der Grund? Sie haben mit Heinz Ehlers einen Trainer, der aus wenig viel machen kann. Kaum einer kann sein Defensivkonzept seinem Team so gut vermitteln wie der Taktikfuchs. Im Vergleich zu einem Spiel gegen ein Ehlers-Team ist das Schlucken einer bitteren Pille ein Zuckerschlecken. Bei Misserfolg könnte der bärbeissige Däne, der nebenbei auch noch zum Nati-Coach seines Landes aufstieg, allerdings für die eigenen Spieler ungeniessbar werden. Dann wäre der SCL in Gefahr.

SCL Tigers.
Foto: KEY

11. Ambri: Tessiner haben ihre Seele wieder

Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca Cereda haben in ihrem ersten Jahr ein kleines Wunder geschafft. Obwohl die Playoff-Plätze bald einmal nur noch mit dem Fernrohr zu sehen waren und Ambri den Playout-Final gegen Kloten bestreiten musste, waren Fans und Umfeld zufrieden, und es kam im Gegensatz zu den Vorjahren nie Panik oder Hysterie auf. Unter Führung der beiden smarten, leidenschaftlichen Einheimischen wusste wieder jeder, wo er zu Hause ist. Ambri ist auf dem richtigen Weg, hat seine Seele wieder. Das heisst nicht, dass es einfacher wird. Duca musste noch einmal mit einem geringeren Budget auskommen Captain und WM-Silberheld Michael Fora wechselte nach Nordamerika in die Organisation der Carolina Hurricanes. Wenn der Anschluss an die Playoff-Plätze wieder verloren geht, wird es immer schwieriger, die Energie für den leidenschaftlichen Spielstil zu finden, ohne den Ambri nicht mehr Ambri ist.

Ambri-Piotta.
Foto: freshfocus

12. SCRJ Lakers: Ruhig Blut – von unten droht keine Gefahr

Es ist das Los des Aufsteigers: Nach einer perfekten Saison beginnt man erstmal ganz unten. Auf dem sportlichen Glatteis dürften die St. Galler der elitären Konkurrenz erstmal einen Schrecken einjagen, weil Trainer Tomlinson seinem Personal im Verlauf der letzten Jahre eine hieb- und stichfeste Organisation verpasst hat. Eine Kostprobe davon bekam Kloten bereits in der Liga-Quali verabreicht. Kurzum: Wer die Lakers auf die leichte Schulter nimmt, wird eine unangenehme Überraschung erleben. Fragen betreffen die Tempofestigkeit des teilweise etwas angekratzten Personals, Anführer Aulin ist zudem angeschlagen. Glück hat man mit Timo Helbling (von Zug), der erfahrene Haudegen gibt immer noch in jeder Garderobe eine gute Figur ab. Die Lakers haben sich nach dem Abstieg 2015 neu erfunden. Mit leisen Tönen und ohne Firlefanz wurde die Vergangenheit analysiert und verarbeitet. Sorgen braucht man sich keine zu machen. Eine Lakers-Kopie ist im Unterhaus derzeit nicht auszumachen.

Rapperswil-Jona Lakers.
Foto: KEY

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Alles zur neuen Saison in der National League gibts in der achtseitigen Sonderbeilage im BLICK. Unter anderem erfahren Sie, warum Gates Orlando und nicht Slawa Bykow der beste Ausländer aller Zeiten ist.

So startet die National-League-Saison

1. Runde – 21. September (alle um 19.45 Uhr)

Ambri – Zug
Biel – Servette
Fribourg – Lausanne
Lugano – Davos
SCL Tigers – SCRJ Lakers
ZSC Lions – Bern

2. Runde – 22. September (alle um 19.45 Uhr)

Bern – SCL Tigers
Davos – Ambri
Servette – Fribourg
SCRJ Lakers – ZSC Lions
Lausanne – Biel
Zug – Lugano

1. Runde – 21. September (alle um 19.45 Uhr)

Ambri – Zug
Biel – Servette
Fribourg – Lausanne
Lugano – Davos
SCL Tigers – SCRJ Lakers
ZSC Lions – Bern

2. Runde – 22. September (alle um 19.45 Uhr)

Bern – SCL Tigers
Davos – Ambri
Servette – Fribourg
SCRJ Lakers – ZSC Lions
Lausanne – Biel
Zug – Lugano

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National League 24/25
Mannschaft
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TD
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Lausanne HC
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2
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6
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2
3
5
3
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
2
2
5
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EHC Kloten
EHC Kloten
2
2
4
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SC Bern
SC Bern
2
1
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EV Zug
EV Zug
1
1
3
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SCL Tigers
SCL Tigers
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0
3
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HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
2
1
3
10
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
2
-2
2
11
HC Davos
HC Davos
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1
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Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
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EHC Biel
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-3
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