Rikard Franzén hat das Landleben lieben gelernt
Der neue Trainer im Tigers-Tal

In einem Jahr mit besonderen Umständen übernimmt Rikard Franzén (52) seinen ersten Headcoach-Job in der Schweiz. Der Schwede sagt, was der grösste Unterschied ist nach seiner Beförderung und warum er abends immer mit Skype isst.
Publiziert: 11.09.2020 um 10:28 Uhr
Nicole Vandenbrouck (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Idylle pur auf einer Anhöhe in Langnau. Der neue Tigers- Trainer Rikard Franzén zeigt SonntagsBlick seine Lieblingsbank, auf der er auf seinen ausgedehnten Spaziergängen jeweils Halt macht, den Blick über die Traumkulisse und die Gedanken weg vom Eis­hockey schweifen lässt. Eine Anwohnerin fragt höflich, ob der Rasenmäherlärm denn bei der Fotosession störe. Franzén lächelt und verneint. «Die Menschen hier sind so nett und hilfsbereit», sagt der Schwede.

Ein Leben auf dem Land. Für Franzén bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. Über 30 Hockey-Saisons haben sich für ihn in Grossstädten abgespielt. Stockholm (Sd), Köln (De), Bern und Hannover (De) sind seine Stationen als Verteidiger. In Schwedens Hauptstadt steigt er nach seiner Spielerkarriere ins Trainerbusiness ein in der Nachwuchs-Bewegung von AIK Stockholm. Und in der Schweiz lebt er von 2014 bis 2018 in Lausanne als Assistenztrainer des LHC.

Dann der Wechsel ins Emmental. Skeptisch sei er zunächst gewesen, gesteht der 52-Jährige. Ein Leben auf dem Lande, wie das wohl so ist?

Über 30 Jahre lebte Rikard Franzén nur in Städten, jetzt geniesst der Schwede das Landleben in Langnau.
Foto: Sven Thomann
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Drei Jahre später ist Franzén mehr als glücklich. «Ich war überrascht, wie gut es mir hier gefällt.» Es sei ein stressfreieres Leben. Der Verkehr in den Städten hat ihn Nerven gekostet. «Hier gehe ich zur Wohnungstüre raus und weiss genau, in wie vielen Minuten ich im Stadion ankommen werde», sagt er schmunzelnd. Gewöhnungs­bedürftiger sei das Läuten der Kirchenglocken gewesen, «das kannte ich so nicht».

Franzén fühlt sich willkommen und wohl. In den letzten zwei Jahren hat er sich bestens akklimatisiert. Als Assistenztrainer ist er nicht im gleichen Fokus gestanden wie Headcoach Heinz Ehlers (54). Der Däne nimmt eine sehr wichtige Rolle ein in der Trainerlaufbahn Franzéns. Einst Teamkollegen bei AIK (1989 bis 1991), holt er ihn nach Lausanne sowie später auch nach Langnau als seinen Assistenten. Und Ehlers rät Franzén nach seinem Abgang Ende letzter Saison: «Falls sie dir den Posten als Headcoach anbieten, nimm ihn an.»

Franzén tut es. Und muss nun ständig die Frage beantworten, was und ob er etwas anders mache als sein Vorgänger (und Freund). «Heinz und ich sind zwar zwei total unterschiedliche Menschen, aber wir sehen das Hockey genau gleich.» Es brauche eine defensive Struktur, er wolle jetzt lediglich etwas mehr Tempo in die Offensiv­aktionen bringen.

«Der grösste Unterschied für mich ist, dass ich jetzt das letzte Wort habe», betont der neue Tigers-Dompteur. Denn er selbst macht keine so grosse Differenz zwischen Headcoach und Assistent, wie dies in der Aussen­wahrnehmung oft der Fall sei. «Der Coaching-Staff ist ein Team. Der Trainerstuhl ist nicht anders als jener des Assistenten. Ich will einfach täglich in den Spiegel schauen können mit dem Wissen, mein Bestes gegeben zu haben.»

Start mit zwei Ausländern

Darum scheut Franzén den Vergleich mit Ehlers nicht. Auch mit dem Druck könne er umgehen. So oder so wird seine Debütsaison als Headcoach hierzulande eine mit besonderen Umständen sein: Die Corona-Krise rückt für die Klubs den Kampf ums finanzielle Überleben in den Fokus. Aus Kostengründen starten die SCL Tigers mit nur zwei Ausländern in die Saison, Ben Maxwell (32, Ka) und Robbie Earl (35, USA) – sofern Letzterer nach seinen Hirnerschütterungen fit ist zum Meisterschaftsstart. Dass es in dieser Saison keinen Absteiger gibt – darüber ist Franzén nicht unglücklich. Auch darüber nicht, dass er den Rest der (Corona-)Welt gedanklich draussen lassen kann, sobald er die Eishalle betritt.

Ganz gut von der Pandemie sowie von der dominierenden Hockey-Thematik ablenken kann sich der Schwede bei den täglichen Skype-­Gesprächen mit seiner Frau Asa (51), die ihres Berufes wegen in der Heimat geblieben ist, wie auch die beiden Kinder Mathias (28) und Moa (24).

«Wir essen quasi abends zusammen, einfach via Skype.» Jede dritte bis vierte Woche weilt Franzéns Frau dann in Langnau. Und dann setzen sie sich auch mal gemeinsam auf seine Lieblingsbank.

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