Wegen sexueller Nötigung
Formenton und vier NHL-Profis in den Mühlen der Justiz

Fünf Eishockey-Profis werden angeklagt. Was bisher geschah, warum das Verfahren verschleppt wurde und was die Spieler jetzt erwartet. Am Montagabend (MEZ) informierte die Polizei von London (Ontario).
Publiziert: 05.02.2024 um 21:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2024 um 22:30 Uhr
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Dino KesslerLeiter Eishockey-Ressort

Was liegt dem Fall zugrunde?

Im Jahr 2022 klagte eine junge Frau gegen Kanadas Eishockey-Verband «Hockey Canada». Sie behauptete, in den frühen Morgenstunden des 19. Juni 2018 im Umfeld einer Wohltätigkeits-Veranstaltung von acht jungen Männern sexuell genötigt worden zu sein. Der Verband kehrte die Klage damals durch eine Zahlung von umgerechnet rund 2,3 Millionen Franken aus zivilrechtlicher Sicht unter den Teppich.

Laut Gerichtsdokumenten sagte die zum vermuteten Tatzeitpunkt 20-jährige Frau aus, ein Mann habe sie in ein Hotelzimmer gebracht und vor Ort sieben weitere Männer eingeladen, nicht weiter beschriebene sexuelle Handlungen auszuführen. Sie sei danach eingeschüchtert und daran gehindert worden, das Hotel zu verlassen, habe eine Dusche nehmen und vor laufender Handy-Kamera aussagen müssen, sie stehe nicht unter dem Einfluss von Alkohol.

Als 2022 bekannt wurde, dass Hockey Canada seit 1989 mehr als umgerechnet sechs Millionen Franken Schweigegeld an mögliche Missbrauchsopfer gezahlt hatte, setzten Sponsoren, Öffentlichkeit und Politik massiven Druck auf.

Alex Formenton (Ambri) ist einer von fünf kanadischen Hockey-Spielern, die wegen sexueller Nötigung angeklagt sind.
Foto: Michela Locatelli/freshfocus
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Bereits am Tag des Vorfalls hatte der Schwiegervater der jungen Frau eine Beschwerde wegen sexueller Nötigung bei der Polizei in London eingereicht, die Ermittlungen wurden allerdings im Februar 2019 ohne Ergebnis eingestellt.

Wer steht unter Anklage?

Die Eishockey-Profis Alex Formenton (24, Ambri), Carter Hart (25, Philadelphia Flyers), Dillon Dube (25, Calgary Flames) und Cal Foote (25, New Jersey Devils) wurden wegen sexueller Nötigung angeklagt, Michael McLeod (26, New Jersey Devils) wurde wegen sexueller Nötigung und wegen Anstiftung zu sexueller Nötigung angeklagt.

Warum ist Formenton bei Ambri gelandet?

Trotz 18 Toren als Empfehlungsschreiben verzichten die Ottawa Senators 2022 auf den Stürmer. Offiziell darum, weil er sich nach Ablauf seines Einstiegs-Vertrags nicht mit dem NHL-Klub einigen konnte. In Kanada wurde spekuliert, dass sich die nach dem Tod des Eigentümers Eugene Melnyk zum Verkauf stehende Organisation mit Formenton nicht die Finger verbrennen will, solange die Untersuchung läuft. Am 1. Dezember war die Frist für eine Einigung abgelaufen, der Klub behielt aber die Rechte am Spieler. Am 14. Dezember 2022 wurde Formenton von Ambri verpflichtet.

Wann und warum wurde der Fall wieder aufgerollt?

Die Polizeibehörde von London (Ontario) nahm 2022 die Ermittlungen unter dem grossen öffentlichen und politischen Druck wieder auf und reichte im Frühjahr 2023 beim Gerichtshof von Ontario einen Antrag ein, der sich auf den begründeten Verdacht beruft, dass eine junge Frau von fünf Mitgliedern der U20-Nationalmannschaft von 2018 sexuell genötigt wurde.

Wann beginnt das Gerichtsverfahren?

Die erste Anhörung wurde auf den 30. April verschoben. Laut Schätzungen dürften 18 bis 24 Monate bis Prozessbeginn vergehen, die Gerichte in Ontario sind seit der Pandemie mit den Verfahren im Rückstand. Die Spieler dürften bis zu diesem Zeitpunkt auf freiem Fuss bleiben. Kanadas oberster Gerichtshof hat 2016 verfügt, dass Verfahren dieser Art innerhalb von 30 Monaten abgeschlossen sein müssen. Wird bis dahin kein Urteil gefällt, muss das Verfahren eingestellt werden.

Was droht den Angeklagten?

In Kanada sieht das Gesetz für sexuelle Nötigung Haftstrafen bis zu 10 Jahren vor, das Verdikt hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter ist auch das Alter des angeblichen Opfers zum Tatzeitpunkt massgeblich. Die NHL, die parallel zu den Behörden eigene Ermittlungen zu diesem Fall in Auftrag gab, will sich nicht zu möglichen disziplinarischen Massnahmen äussern, bis der Fall abgeschlossen ist. Für die Spieler ist eine Fortsetzung der Profi-Karriere in Nordamerika unwahrscheinlich.

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