Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit
Die verrücktesten Formel-1-Teamchefs aller Zeiten

War früher alles besser? Zumindest anders, wie ein Blick auf die ehemaligen Teamchefs der Formel 1 zeigt. Hier erzählt Blick-Benoit die besten Anekdoten.
Publiziert: 20.12.2023 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.12.2023 um 07:08 Uhr
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Daniel LeuStv. Sportchef

Lieber Roger, ich möchte heute mit dir über die Teamchefs der Formel 1 reden. Kannst du dich noch an deine Sympathie-Hitparade aus dem Jahr 1998 erinnern?
Roger Benoit: Na klar. Damals habe ich im Blick den elf Teamchefs Sympathie-Noten verteilt. Von einem Punkt für Ron Dennis von McLaren bis zu zehn Punkte für Giancarlo Minardi.

Was passierte dann?
Die Hitparade kam kurz vor dem GP Argentinien raus. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sagte in Buenos Aires seiner rechten Hand, Pasquale Lattuneddu, er solle Kopien davon erstellen und diese überall aufhängen. Als ich dann im Fahrerlager zum WC lief, kam mir Ron Dennis entgegen und schaute mich richtig böse an. Hätte er in dem Moment eine Pistole dabei gehabt, er hätte mich erschossen.

Warum?
Das realisierte ich erst, als ich im Klo war, denn Ecclestone liess auch dort eine Kopie meiner Hitparade aufhängen. Ich bekam aber auch positive Rückmeldungen. Als ich im Pressesaal sass, kam plötzlich ein Mann in Minardi-Teamkleidung auf mich zu und sagte, sein Chef würde mich gern empfangen. Giancarlo Minardi erklärte mir dann, dass ich auf Lebzeiten bei ihnen gratis essen dürfe.

Legendär I: Colin Chapman mit Jochen Rindt.
Foto: imago images/Motorsport Images
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Auf eine Zigarre mit Roger Benoit

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

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Wir sind schon mittendrin in den guten alten Zeiten. Früher waren die Teamchefs noch echte Racer mit Ecken und Kanten und keine glattgebügelten Manager.
Apropos Buenos Aires und echte Racer. Da kommt mir spontan Ken Tyrrell in den Sinn. Ecclestone bot ihm beim GP Argentinien mal 100 Dollar, wenn er Colin Chapman, den Monsieur unter den Teamchefs, samt Kleidung in den Swimmingpool schmeisst. Natürlich hat das Tyrrell gemacht.

Tyrrell soll seinen Fahrern auch ein Sex-Verbot auferlegt haben.
Das hat mir mal Sir Jackie Stewart erzählt. Die Fahrer durften in der Nacht vor dem GP keine Liebe machen. Doch Tyrrell hatte auch noch andere Marotten.

Zum Beispiel?
Kam ein Fahrer unrasiert oder mit kurzen Hosen zur Rennstrecke, schickte er ihn wieder zurück ins Hotel. Unter Tyrrell wäre Valtteri Bottas schon einige Male zurückgeschickt worden. Einmal sass ich in Anderstorp mit Martin Brundle, der zu Beginn seiner Karriere für Tyrrell fuhr, beim Nachtessen am Tisch. Punkt 22 Uhr kam Tyrrell zu uns rüber und sagte Brundle, er müsse jetzt schlafen gehen.

Was machte Brundle daraufhin?
Er stand auf und ging artig schlafen. Tyrrell war zwar weich im Kern, aber ansonsten knallhart. Das musste auch Gregor Foitek erfahren, der für Tyrrell eines der grössten Talente war. Mir sagte er aber mal: «Wenn ich den nehme, dann muss im Vertrag stehen, dass sein Vater während jedem Rennen mindestens 20 Kilometer von der Rennstrecke entfernt sein muss. Der redet sonst immer rein.» Vielleicht hat sein Vater Karl, der 2019 starb, seinem Sohn eine längere Formel-1-Karriere verunmöglicht.

Apropos Schweizer Formel-1-Fahrer. War da nicht mal was mit Marc Surer?
Als Surer für Arrows fuhr, fragten ihn seine Teamchefs Jackie Oliver und Alan Rees: «Was für Reifen brauchst du?» Und was antwortete Surer? «Die schwarzen!» Später sagte mir Oliver, sie hätten ihn deswegen beinahe rausgeworfen.

Auch Frank Williams war noch ein echter Racer.
Als er noch jung war, klaute der Blumen aus anderen Gärten und verkaufte sie später. Oder wenn ihm seine Kollegen Geld dafür boten, nackt um Kirchtürme zu rennen, dann tat er das. Williams sagte mir mal: «Man darf Journalisten natürlich nicht immer alles glauben. Aber wer alles glaubt, was die Teamchefs erzählen, ist noch schlechter dran.» Ich mochte Williams immer, auch Bernie tat dies und hat den Rennstall bestimmt zehnmal gerettet, wenn dieser finanziell mal wieder vor dem Ende stand.

Wenn wir schon bei Bernie Ecclestone sind: Hat er als Boss gelegentlich auch die Teamchefs untereinander ausgespielt?
Sagen wir es so: Bernie hat viele Feuer gelegt, die er danach selber löschen konnte. Er hat gern mal einem Teamchef X gesagt, du musst gegen Y Protest einlegen, weil er zu diesem Zeitpunkt dann schon die Lösung für die Schlichtung des Streits parat hatte. Einmal hat Bernie sogar etwas Unglaubliches geboten.

Was?
Ein Team hat sich Jahr für Jahr bei ihm über das Reglement beschwert. Irgendwann sagte Bernie dem Teamchef: «Dann schreib doch das Reglement für die nächste Saison selber.» Die durften das dann tatsächlich machen, aber weisst du, was das Beste ist?

Nein.
Sie wurden dann in der Saison trotzdem nicht Weltmeister. Gruss nach Maranello …

In den wilden Formel-1-Jahren gab es aber auch Teamchefs, die nicht ganz sauber waren.
Es gab mal einen namens Jean-Pierre Van Rossem, der bei Onyx das Sagen hatte. Der kam gefühlt aus der Unterwelt. Mit einem Bein stand er im belgischen Parlament und mit dem anderen im Knast. Der kam immer mit dem Ferrari angebraust, und hinten stiegen dann die leicht bekleideten Frauen aus. Das hat damals aber niemanden gestört. Jeder, der einen Schuhkarton an den Start bringen konnte, durfte starten. Ähnlich war auch einer, dessen Name mir jetzt grad entfallen ist. Wenn ihn die englischen Journalisten zu sehr kritisierten, liess er die einfach in ein Auto packen und warf sie irgendwo im Nirgendwo aus dem Auto.

Es gab eine Phase, in der sehr viele italienische Teams an den Start gingen. War dort immer alles sauber?
Nein! Es gab Teams, vor allem italienische, die erhielten von einem Sponsor offiziell 10 Millionen Dollar und gaben dann unter dem Tisch gleich wieder 5 davon zurück. Das war für beide Seiten ein gutes Geschäft.

Wer an legendäre Teamchefs denkt, der denkt auch an Eddie Jordan und Flavio Briatore.
Jordan war ein Schlitzohr. Der Brite kann übrigens bis heute nicht begreifen, dass sein früherer Wegbegleiter Peter Sauber einst ein Drittel seines Teams an eine Frau überschrieben hat.

Stichwort Flavio Briatore?
Ein richtiger Playboy, der James Hunt unter den Teamchefs. Er lud mich einmal in Monte Carlo auf seine Yacht ein. Plötzlich läufst du an Naomi Campbell vorbei. Das war schon speziell, aber irgendwie nicht meine Welt. Und auf keinen Fall vergleichbar mit heute.

Wie sieht es denn heute aus?
Die Teamchefs früher hatten Biss und Leidenschaft. Heute geht es nur noch ums Geld. Jedes Team ist mittlerweile eine Milliarde wert. Wenn heute ein Teamchef nicht 150’000 Euro im Monat verdient, ist er ein Depp und hat irgendetwas falsch gemacht. Kurz zusammengefasst: Früher war die Formel 1 ein Sport, heute ist sie nur noch Kohle, Kohle, Kohle.

25 Jahre sind seit deiner letzten Sympathie-Hitparade vergangen. Wie sähe diese für das endende Jahr 2023 aus?
Sieger ist mit neun Punkten Franz Tost von Alpha Tauri. Ein Mann der klaren Sprache. Schade, dass er 2024 nicht mehr dabei sein wird. Er war immer offen und ehrlich – ein Racer. Toll, dass sein früherer Schüler Max Verstappen ihn beim Finale in Abu Dhabi so herzlich gewürdigt hat.

Wer schafft es auch noch aufs Podest?
Zweiter wird Günther Steiner von Haas mit acht Punkten. Im Gegensatz zu vielen anderen ist er kein Schönredner, dafür aber bescheiden. Auf Platz 3 kommt mit sieben Punkten Andrea Stella von McLaren: immer freundlich, immer bereit, Auskunft zu geben.

Wie gehts weiter?
Sechs Punkte für James Vowles von Williams: Der frühere Mercedes-Strategie-Chef macht einen guten Job. Auch sechs Punkte gibts für Mike Krack von Aston Martin. Der frühere Mann aus Hinwil ist immer freundlich, darf aber wegen Teambesitzer Stroll nicht immer sagen, was er denkt. Und auch Toto Wolff von Mercedes erhält sechs Punkte. Er ist hochintelligent, ein klarer Leader, hat den Laden im Griff, ist aber oft zu emotional.

Kommen wir zur hinteren Hälfte.
Fünf Punkte für Andreas Seidl von Alfa-Sauber: schwer zu beurteilen, weil es seit seinem Abgang bei McLaren dort aufwärtsgeht und der Deutsche sich in Hinwil momentan schwertut. Nach der Audi-Bestätigung wird nun sein Leben vielleicht etwas leichter. Auch fünf Punkte gibt es für Christian Horner von Red Bull und Frédéric Vasseur von Ferrari. Horner ist ein knallharter Typ. Er ist nicht kompromissbereit, hat nur eine Optik, die für sein Team. Ferrari-Vasseur muss noch beweisen, dass er das Chaos in Maranello als Binotto-Nachfolger wirklich im Griff hat.

Fehlt nur noch einer.
Auf den letzten Platz kommt mit zwei Punkten Bruno Famin von Alpine: eine Marionette des meist unruhigen französischen Rennstalls. Eine Randfigur und Nachfolger des charismatischen Otmar Szafenauer, der jetzt für die FIA bei vielen Rennen die VIP-Gäste betreut.

Was mir bei deiner Liste auffällt: Da hat es Namen drunter, die kennt man kaum noch.
Genau das ist das Problem heute. Das sind alles keine Typen mit Ecken und Kanten mehr, das sind keine Racer mehr. Es sind zum Teil austauschbare Figuren und viele davon Schönredner. Früher tauchte Mo Nunn mit seinem Rennstall Ensign mit lediglich zehn Mechanikern an der Rennstrecke auf. Heute arbeiten allein in der Werbe- und Marketingabteilung vieler Teams bis zu 50 Leute. Schade!

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