BLICK-Experte Roger Benoit blickt auf das F1-Jahr zurück
Commander Hamilton… und die Storys des Jahres

BLICK-Legende Roger Benoit lässt mit 18 Kurzstorys das Formel-1-Jahr 2017 Revue passieren.
Publiziert: 28.11.2017 um 08:33 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 16:10 Uhr
Monisha Kaltenborn umarmt Pascal Wehrlein.
Foto: Lukas Gorys
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Roger Benoit, Abu Dhabi

Rauswurf des Jahres

Frau Kaltenborn – Am Muttertag feierte sie dank Wehrlein (8. Platz) in Spanien das beste Saisonresultat. Zwei Rennen später wurde die studierte Juristin mit abgebrochener Doktorarbeit gefeuert. Sie hatte sich in Hinwil mit Technikdirektor Zahnder überworfen. Fast fünf Jahre war sie in Hinwil eine oft kritisierte Teamchefin. Leider hatte Monisha Kaltenborn (46) kein Benzin im Blut, sondern meist nur Paragraphen. 

Crash des Jahres

GP Singapur – Nach sieben Sekunden war beim Nachtspuk am Äquator für Pole-Mann Vettel, Teamkollege Räikkönen und Verstappen (Red Bull) alles schon vorbei. Ein unglücklicher Crash, wie man nach langer Zeit feststellte. Vettel wollte im Ferrari mit einem scharfen Schlenker nach links Verstappen (Red Bull) blockieren – doch da war innen schon Kimi nach dem besten Start seines Lebens da… . Es krachte. Hamilton siegte.

Trennung des Jahres

McLaren-Honda – Nach drei Jahren ist eine erfolglose Story endlich zu Ende. Wie oft hat McLaren auf seinen Motorenpartner Honda verbal eingeprügelt, mit Scheidung gedroht. Die Japaner wollten in der Hybrid-Ära (mit einem Jahr Verspätung) an frühere Titel-Erfolge mit Senna, Prost und Piquet anknüpfen. Sie scheiterten. Zwei 5. Plätze von Alonso 2016 waren die magere Ausbeute. Honda geht zu Toro Rosso, McLaren zu Renault.

Spruch des Jahres

Bernie Ecclestone – Seit zehn Monaten ist der 87jährige Brite als Formel-1-Chef abgesetzt. Eine bittere Pille für den Mann, der über 45 Jahre lang die Formel 1 gross machte. Ab und zu lästert er noch über die neuen US-Besitzer ohne eine erkennbare Zielrichtung: «Ich habe ihnen ein Gourmet-Restaurant übergeben – und sie machen einen Fastfood-Laden daraus!» Ende Jahr zieht Ecclestone definitiv von London nach Gstaad, wo er auch ein Hotel («Olden») besitzt.

Foul des Jahres

Vettel in Baku – Der eigentlich klare Fall beim Rennen in Aserbaidschan löste in den digitalen Medien weltweit einen Shitstorm aus. Dabei ging es auf dem Netz oft unter die Gürtellinie. Entweder die Fans sind gegen Vettel und für Hamilton – oder eben umgekehrt. Neutrale Stimmen: Fast Fehlanzeige. Die Szene: Bei einer Safety Car Phase fährt Vettel links neben Leader Hamilton – und rammt ihn! Aus Frust, weil er glaubte, Lewis mache einen Bremstest.

Das Ärgernis des Jahres

Strafplatz-Flut – Die Teams fluchen, die Fans verstehen es schon lange nicht mehr – und die neuen F-1-Besitzer suchen verzweifelt nach einer Lösung. Die Qualifikation ist längst nicht mehr die Startaufstellung. Die Bilanz nach Abu Dhabi: Total gab es dieses Jahr wegen des Antriebsstranges 740 Startplatz-Strafen. Verteilt auf Honda 380, Renault 320, Ferrari und Mercedes je 20. Dabei sind die über 30 unerlaubten Getriebewechsel (minus 5) gar nicht mitgerechnet!

Boxenhalt des Jahres

Williams in Silverstone – Früher gehörte Sauber zu den Topteams bei den Boxenhalts. Das ist lange her. Jetzt streiten sich jeweils Williams und Mercedes um die Krone. Williams gelang in Silverstone mit Massa ein Boxenstopp in unglaublichen 2.02 Sekunden. Mercedes erzielte in 14 Rennen jeweils die beste Durchschnittszeit für beide Autos in der Boxengasse! Bis Abu Dhabi hatte Mercedes nach eigenen Angaben schon 891 Boxenstopp-Übungen gemacht!

Fahrer des Jahres

Lewis Hamilton – Der exentrische Brite ist verdient zum vierten Mal Champion. Mit der Startnummer 44 hat er im Titelduell gegen Vettel zum 4:4 ausgeglichen. Mit 62 Siegen liegt er «nur» noch 29 hinter Schumi, den er nach Pole-Positionen jetzt überholt hat: 72:68. Die Zahlen werden dem momentan besten Lenkrad-Artisten mit den über 20 Tattoos gerecht. «Ohne Lewis hätten wir die WM nicht gewonnen», adelte ihn sein Mercedes-Chef, Niki Lauda.

Aufsteiger des Jahres

Esteban Ocon – Der Pilot, der einst im Wohnwagen lebte und bei McDonalds um einen Job anfragte, steht bei Mercedes als Bottas-Nachfolger 2019 ganz vorne auf der Liste: Esteban Ocon (21). Mit 64 Kilogramm das Leichtgewicht im Zirkus – aber eine grosse Nummer auf der Strecke. Bei Force India-Mercedes gab der Franzose, der bei Manor debütierte, dem erfahrenen Teamkollegen Pérez oft Saures: WM-Achter mit tollen 87 Punkten – und nur ein Ausfall (Brasilien).

Funkspruch des Jahres

Force India-Ingenieur – Beim Training in Bahrain regte sich Ocon bei seiner Boxencrew über Wehrlein auf. Der Renningenieur antwortete sofort: «Wehrlein weiss selbst nicht, was Wehrlein tut. Also mach dir keine Sorgen!» Die Sauber-Fahrer hatten es natürlich als Dauer-Schlusslichter oft verdammt schwer, den Gegnern nicht im Wege herumzustehen. Niemand sah so oft die blauen Flaggen (Achtung, einer will überholen).

Fighter des Jahres

Max Verstappen – Die holländische Kampfmaschine soll 2018 mit dem hoffentlich standfesteren Red-Bull-Renault den WM-Kampf zwischen Hamilton und Vettel aufmischen. Dieses Jahr war Max mit sieben unverschuldeten Ausfällen in den ersten 14 Rennen meist das Opfer seines Motors. Dann ging mit 100 Zählern in den letzten sechs Rennen endlich die Post ab. Verstappen gewann am 20. Geburtstag in Malaysia, später noch in Mexiko. Ein zukünftiger Weltmeister.

Trauer des Jahres

Tod von John Surtees (†83) – Am 10. März 2017 verstarb der einzige Weltmeister auf zwei und vier Rädern mit 83 Jahren. Jetzt ist Jackie Stewart (78) der älteste noch lebende Champion. Mit den Töffs holte der Brite auf MV Agusta in nur 49 Rennen siebenmal die WM-Krone (350 und 500 ccm), mit Ferrari war er später, 1964, Weltmeister. 2009 brach für Surtees eine Welt zusammen: Sohn Henry (19) wurde in Brands Hatch bei einem F2-Rennen von einem Rad getötet.

Sponsor des Jahres

BWT Dieses Ehre gehört klar der «Grazer» Firma mit der pinkfarbenen Aufschrift und der weltweit grössten Wasseraufbereitung- und Reinigung: BWT oder eben Best Water Technologie. Sie stecken bei Force India in fünf Jahren rund 125 Millionen Dollar ins Team. Zuerst wollten die Österreicher zu Sauber. Dort wurden sie schnell wieder weggeschickt. Frau Kaltenborn: «Sauber gibts nie in Pink!» Warum eigentlich nicht?

Abschied des Jahres

Felipe Massa – 2016 verabschiedete sich der Brasilianer mit Freude und Tränen aus der Formel 1. Da hörte Rosberg auf, Mercedes holte Bottas – und machte Massa mit fünf Millionen Dollar das schnelle Comeback schmackhaft. Jetzt muss er bei Williams endgültig gehen. Nicht freiwillig und mit einem gewissen Groll. Der Mann, der 2002 bei Sauber debütierte, fuhr 269 Rennen, gewann elf und wurde 2008 Vizechampion.

Grid Girl des Jahres

Francesca in Monza – Sie sind weiter ein Hingucker für die Fahrer und Fans, die Grid Girls. «Allerdings treten sie oft nicht mehr so freizügig auf wie früher!» Das sagt BLICK-Fotograf Lukas T. Gorys (58). Und seine Favoritin 2017 hatte er deshalb schnell gefunden: Franceca in Monza. Auch wenn die neuen Formel-1-Besitzer vielleicht etwas prüder sind, sie werden wohl keine Experimente mit Grid Boys machen. Vettel: «Ich will nie mehr Männer Hintern sehen!»

Fremdgeher des Jahres

Alonso ­– Der 36-jährige Spanier fuhr im Mai die 500 Meilen von Indianapolis – und schied mit Honda-Motorschaden aus. Im November testete er einen Ligier für die 24 Stunden von Daytona und Buemis Toyota für die 24 Stunden von Le Mans. Dort will er 2018 siegen. Wie in der Formel 1. Gegenüber «Sky Sport» machte er sich zum Titelfavoriten: «Dann kommen Hamilton, Ricciardo und Verstappen!» Auf Ferrari hat er seit seinem Weggang Ende 2014 wohl einen Dauergroll.

Test des Jahres

Abu Dhabi – Am Dienstag und Mittwoch knallt es hier in der Wüste: 18 Stunden Testfahrten. Da können selbst die Superstars, die sonst nach einem GP sofort abhauen, nicht kneifen. Pirelli lässt schon die ersten Gummis für 2018 aufziehen. Bei Sauber im Einsatz: Ericsson und Leclerc. Bei Williams steht der Comeback-Versuch von Kubica nach sieben Jahren im Vordergrund. Die Bewegung der rechten Hand ist eingeschränkt (Rallye-Unfall 2011).

Jubiläum des Jahres

25 Jahre Sauber – Fast ohne sichtbaren Sponsoren stiegen die Hinwiler in ihre 25. Saison. Die grösste Werbefläche schenkten sie sich mit ihrem Juiläums-Logo selbst! WM-Punkte gabs fünf. Die Zähler-Bilanz der fünf Jahre zuvor: 2, 36, 0, 57 und 126. Ja, das waren noch Zeiten. Der Optimismus beim neuen Besitzer Pascal Picci (Longbow S.A.) scheint ungebrochen. Teammanager Beat Zehnder: «Unsere Richtung stimmt!» Aber wo will man eigentlich hin?

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