Sebastian Vettel im Exklusiv-Interview
«Ich bin jetzt glücklicher als bei Ferrari»

Sebastian Vettel sammelt in Silverstone den Müll auf den Tribünen ein. Er kniet vor jedem GP mit Kollegen für den Kampf gegen Rassismus nieder. Und in Saudi-Arabien organisiert er ein Kartrennen für Frauen.
Publiziert: 19.12.2021 um 21:21 Uhr
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Aktualisiert: 20.12.2021 um 08:48 Uhr
Interview: Roger Benoit

Sebastian Vettel, sind Sie nach fast 300 Rennen ein Heiliger geworden?
Sebastian Vettel: Nein, aber wir können auf dieser Welt nur etwas verbessern, wenn wir gegen die vielen Missstände auch was tun. Und wir müssen es vor allem für unsere Kinder tun. Denn sie müssen noch lange auf diesem Planeten leben.

Jetzt regiert in Deutschland die Ampelkoalition. Das muss Ihnen ja gefallen, schliesslich ordnet man Sie den Grünen zu!
Ich finde die jetzige Situation gut. Natürlich hat man seine eigene Partei, die man wählt, und vielleicht gerne nur diese Partei. Aber wenn ich ehrlich bin, finde ich es richtig, dass jetzt drei Parteien an der Macht sind, die sich einig werden müssen. Positiv ist auch, so wird es wenigstens dargestellt, dass der Wille da ist, etwas gemeinsam zu erreichen. Man muss der Ampel jetzt mal zwei Jahre Zeit geben. Denn alles Gerede bringt nichts, wenn es nicht vorangeht.

Nicht nur Gerede, nein, weltweit gab es heisse Diskussionen über das WM-Finale. Zufrieden?
Es geht. Die Sache hat doch einen recht komischen Eindruck hinterlassen. Man hätte das Feld hinter dem Safety Car schon viel früher sortieren sollen. Ich hatte den Vorschlag nach der ersten Runde im Funk gemacht.

Der vierfache Weltmeister mit Red Bull (2010 bis 2013) kann weiter lachen.
Foto: imago images/Motorsport Images
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Verstappen profitierte, Hamilton war der Verlierer.
Ich hatte nur gesehen, dass in der letzten Runde die holländischen Fans aufsprangen. Da wusste ich: Max ist vorne. Und Lewis hatte mit seinen Reifen keine Chance. Nun, beide hätten den Titel verdient. Schade für Hamilton, denn er hatte eine bärenstarke zweite Saisonhälfte. Jetzt gratuliere ich einfach beiden Piloten.

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Sie hatten eine durchzogene Saison mit Aston Martin. In den ersten vier Rennen landeten Sie je zweimal auf Platz 13 und 15 ... Dann ging es mit dem 5. Platz in Monaco und Rang 2 in Baku los.
Wir hatten generell ein schwieriges Jahr mit dem neuen Reglement und dem modifizierten, ja abgeschnittenen Unterboden. Wir hatten hinten einen nicht so steilen Anstellwinkel wie zum Beispiel Red Bull. Auch Mercedes litt unter dem Unterboden. 2020 waren sie noch 1,5 Sekunden voraus.

Bei Ihnen hatte man das Gefühl, dass es Strecken gibt, die dem Auto gar nicht liegen.
Das ist richtig. Unser Auto ist nicht so effizient. Das ist eine Schwachstelle. Wir hatten leider zu oft zu viel Luftwiderstand.

Kann man sich für 2022, wenn alles total neu ist, schon Ziele setzen, auch wenn die Autos noch im Bau sind?
Ja und nein. Natürlich kann man noch keine Zahlen oder Prognosen abgeben. Ich kann doch jetzt nicht sagen, wir wollen das schnellste Team sein und Weltmeister werden. Aber wenn man mit allen Teams redet, dann hoffen und glauben die meisten, dass sie ganz vorne dabei sein werden. Das geht sich ja nicht aus. Auch wir müssen die Füsse auf dem Boden lassen und realistisch bleiben.

Also WM-Siebter will Aston Martin nicht mehr werden ...
(Lacht.) Natürlich nicht, aber irgendein Team wird dort landen.

Ihr Kollege Lance Stroll ist der Sohn des Teambesitzers. Gibt es da Probleme? Er landete in der WM nur einen Rang hinter Ihnen.
Überhaupt nicht. Wir haben ein professionelles Verhältnis. Und das Team arbeitet auch so, holt seit Monaten für den Neustart viele Mitarbeiter. Es herrscht eine tolle Aufbruchstimmung. Das gefällt mir, und es macht mir auch Spass weiterzufahren. Neue Dinge haben mich immer motiviert.

Sind Sie jetzt glücklicher als 2020 im sechsten und letzten Jahr mit Ferrari?
Nun, mein Abgang von Ferrari war vielleicht etwas komisch. In dieser Hinsicht bin ich jetzt glücklicher als vorher. Aber ich möchte meine Zeit bei Ferrari nie missen. Auch wenn dort meine geplanten grossen Erfolge ausgeblieben sind. Wir wollten ja Weltmeister werden.

Sie sind ja seit Singapur 2019 immer noch der letzte Sieger mit einem Ferrari. Und jetzt haben die beiden roten Fahrer in vielen Rennen oft bis zu einer Minute Rückstand.
Das ist ganz klar auf den Vorsprung von Mercedes und Red Bull zurückzuführen. Die sind leider weiter so krass überlegen. Aber irgendwann wird auch Ferrari wieder siegen und Weltmeister werden.

Aber das neue Reglement soll ja diese Vormachtstellung einbremsen, das Feld endlich wieder näher zusammenbringen. Eine Vision, die auch eintrifft?
Das ist die grosse Frage. Ein neues Reglement lässt, wie ich schon gesagt habe, alle hoffen. Wir müssen jetzt einmal ein Jahr abwarten und sehen, ob sich alles positiv entwickelt – in allen Regionen der aktuellen Tabellenlage. Kurz: ob wirklich alle zusammenrücken und dann auch mehr überholt wird.

Ach ja, wir müssen Ihnen ja noch zum einzigen FIA-Pokal 2021 gratulieren. Kein Fahrer über-holte während der Saison mehr Autos als Sie mit 132. Da haben Sie Alonso mit 128 geschlagen.
(Lacht.) Nun, wer eben meist in den hinteren Regionen losfahren muss, hat bessere Chancen auf diesen Überholtitel. Ich hätte lieber mehr WM-Punkte (43; Anm. d. Red.) und vor allem in Budapest meinen zweiten Platz nicht am grünen Tisch verloren. Da sollen im Tank ja 0,3 Liter Sprit verloren gegangen sein.

Sie sind in dieser Saison so etwas wie der rasende Ziehvater von Mick Schumacher geworden. Wie hat er sich geschlagen?
Im schlechtesten Auto im Feld hat er sich gut gehalten. Und seine Hauptaufgabe, Teamkollege Mazepin hinter sich zu lassen, hat er ebenfalls souverän gelöst.

Aber Mick hat auch sieben Autos kaputt gemacht, mehr als jeder andere Pilot.
Im ersten Jahr musst du eben noch viel lernen. Und wenn dir dieser Prozess nicht mehr gegönnt wird, dann wird es schwer. Ich wünsche ihm für 2022 ein besseres Auto, das seinem Talent gerecht wird.

Auch Verstappen begann 2015 mit Kleinholz. Und wie sagte Franz Tost, Ihr früherer Chef bei Toro Rosso: Wenn du wirklich schnell bist, dann hast du auch das Recht, ein Auto mal richtig an die Wand zu knallen!
Genau.

Ihr Kumpel Kimi Räikkönen verlässt die Formel 1 mit 42 Jahren. Es kommt in Hinwil zum Finnenwechsel. Was halten Sie eigentlich von Valtteri Bottas?
Irgendwie finde ich es schade, dass er bei Mercedes gehen muss. Aber vielleicht kommt ihm ja 2022 beim Schweizer Team das neue Reglement entgegen, dass die Sache im Feld endlich ausgeglichener wird und er mehr Chancen hat. Ich behaupte, Valtteri ist einer der unkompliziertesten und ehrlichsten Fahrer. Und vor allem ist Bottas auch einer der schnellsten Fahrer im Feld!

Also Morgenröte in Hinwil?
Ich bin einfach froh, dass er dort eine viel zentralere Rolle spielen kann als bisher. Bottas hatte es in den fünf Jahren neben Hamilton bestimmt nicht immer einfach. Ich bin mir aber auch sicher, dass er bei Mercedes stets fair behandelt wurde.

Weihnachten steht vor der Tür – haben Sie auch Wünsche?
Ja. Eine gesunde Familie und Ski fahren, wenn es Corona zulässt.

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