Der jüngste Torschütze Europas
Wunderkind Adili wagt bei Kosova den Neustart

Beim FC Kosova in der vierthöchsten Liga spielt ein Profi mit Vergangenheit bei GC, Basel und Galatasaray. Wunderkind Adili (24) will nach drei (!) Kreuzbandrissen nochmals durchstarten.
Publiziert: 05.10.2018 um 17:49 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:50 Uhr
Endogan Adili, seit 2010 jüngster Super-League-Torschütze, will nach schwierigen Jahren wieder angreifen.
Foto: Sven Thomann
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Max Kern (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Wir sehen einen noch nicht 16-jährigen GC-Spieler, der sich beim Jubeln die Hände vor den Kopf schlägt. Endogan «Erdi» Adili schiesst am 13. Mai 2010 auf dem Brügglifeld beim 4:1-Sieg von GC gegen Aarau sein erstes Super-League-Tor. Der Sek-Schüler aus Zürich-Altstetten ist damals zarte 15 Jahre und 286 Tage jung. «Das in Aarau war einmalig, das werde ich mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen, ich war noch ein Kind, bin über den ganzen Platz gerannt», sagt Adili acht Jahre später zu BLICK. 1,65 m ist er damals, 54 Kilo leicht. Reden darf er noch nicht. Interview-Verbot von GC.

Seit diesem denkwürdigen Abend ist Adili der jüngste Torschütze von ganz Europa. Kein Jüngerer hat seit dem Zweiten Weltkrieg in einer höchsten Liga getroffen.

Acht Jahre später. Adili fährt vor dem «La Stanza» am Zürcher Paradeplatz standesgemäss in einem Mercedes-SUV vor. Keine Überraschung bei einem Profi, der 2015 bei Galatasaray Istanbul einen Vertrag über fünfeinhalb Jahre unterzeichnete. Jetzt darf er reden. «Journey» steht auf seinem Shirt. Reise. Wie passend. Er war viel unterwegs in den letzten Jahren. Und seit dieser Saison spielt er beim FC Kosova, in der vierthöchsten Liga der Schweiz. Zu erzählen hat das einstige Wunderkind viel. Ganze 90 Minuten lang.

Endogan Adili in der Kaffeebar «La Stanza» in Zürich.
Foto: Sven Thomann

Die Kurzfassung: Mit knapp 16 erhält der Mittelfeldspieler Angebote von Arsenal, ManCity und Aston Villa. «Ich wechselte fast zu Aston Villa, aber meine Mutter war dagegen.» GC-Trainer Ciri Sforza, er war mit 16 ebenfalls schon Stammspieler, fördert den Sohn eines Türken und einer Albanerin. Und schickt ihn zwischendurch in die U21. Um auf mehr Spielpraxis zu kommen. «Wir spielten in Winterthur auf Kunstrasen. Da riss ich mir das vordere Kreuzband im linken Knie.»

Acht Monate Pause. «Als ich zurück war, hiess der Trainer Uli Forte. Ich spürte vom Klub nicht mehr die gleiche Wertschätzung.» Basel macht das Rennen. Im Januar 2013 unterschreibt Adili für drei Jahre. «Trainer Murat Yakin setzte nicht auf mich, ich musste ein Jahr unten durch.» Im Januar 2015 fällt Adili im FCB-Camp in Marbella (Sp) fast das Handy aus der Hand. Am anderen Ende ist Ünal Aysal, Präsident von Galatasaray Istanbul. «Er fragt mich, ob ich für Galatasaray spielen wolle. Ich war seit Kindsbeinen Gala-Fan. Von Marbella aus flog ich nach Istanbul. Und dort bin ich dann richtig auf die Welt gekommen. Die Stars hiessen Drogba, Sneijder, Melo oder Muslera. Ich trainierte einen Monat lang mit, ohne einen Vertrag zu haben. Als ich das Trainer Roberto Mancini erzählte, ging's schnell. Am nächsten Tag unterschrieb ich einen Vertrag über fünfeinhalb Jahre.»

Und keine 24 Stunden später schlägt das Schicksal wieder zu! «Ich wäre im Kader fürs Champions-League-Spiel gegen Chelsea gewesen, da riss ich mir das vordere Kreuzband im rechten Knie. Auch Innen- und Aussenband und ein Meniskus waren beschädigt. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich war ganz nahe am grossen Traum. Und als ich nach acht Monaten Reha zurückkam, war Mancini weg.» In einem internen Vorbereitungsspiel passiert's erneut. «Es machte im rechten Knie Klack-Klack. Ich wusste schon vor dem MRI, was los war.» 3. Kreuzbandriss, und das mit 21!

Wieder Reha. Diesmal dauert's 10 Monate. Beim Challenge-Ligisten FC Wil haben Türken übernommen. Sie wollen Adili, leihweise. Im Januar 2017 kehrt Adili wieder zu Gala zurück. Er wird in die zweite Mannschaft abgeschoben. «Sie machten Psycho-Spiele. Mit Spielern wie De Jong durften wir dann plötzlich nur noch mit dem Kondi-Trainer arbeiten. Die letzten zwei Jahre waren die schlimmsten für mich.»

Im Sommer löst Adili den Vertrag mit Galatasaray auf – und wagt einen Neustart.
Foto: Sven Thomann

Am 17. Juli macht Adili dem Ganzen ein Ende, er löst den bis 2020 laufenden Vertrag mit Galatasaray auf. «Trainer Fatih Terim persönlich gab sein Einverständnis. Ich verzichtete auf 50 Prozent meines Lohnes.»

Von Gala geht's in die Schweizer Erstliga. FC Kosova, Sportplatz Buchlern in Zürich-Altstetten. «Ich bin einen Steinwurf von der Buchlern entfernt aufgewachsen. Trainer Enver Osmani kenne ich seit Jahren. Hier kann ich mich jetzt fithalten.»

Wohin geht die «Journey», die Reise, jetzt? Adili: «Das Allerwichtigste ist, dass ich gesund bin. Von den letzten acht Jahren war ich ganze drei Jahre verletzt. Es geht weiter. Auch wenn ich in der Ersten Liga spiele, habe ich mächtig Spass. Ich habe keine Schmerzen und auch keinen Druck. Ich will jetzt sicher nochmals angreifen!»

Beim 3:1-Heimsieg gegen den SV Höngg steuert Europas jüngster Torschütze der Nachkriegszeit ein Tor und zwei Assists bei. Weniger gut läuft's beim Auswärtsspiel gegen Winterthur II. Auf der Schützi tauchen Adili & Co. 1:5. Das Tor für Kosova erzielt nicht Adili.

Was ist, falls es mit dem Comeback in einer höchsten Liga nicht mehr klappen sollte? Adili: «Finanziell geht es mir gut. Wenn ich im Winter nicht in den Profi-Fussball zurück kann, schreibe ich mich an einer Handelsschule ein. Früher war Fussball alles für mich, jetzt ist es meine Gesundheit und die Familie. Ohne meine Eltern und meine beiden Schwestern wäre ich schon vor Jahren total im Tief gewesen.»

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Jüngster Goalie kickt jetzt in Langenthal

Es passiert vor 11 Jahren. Am 1. April 2007 (kein Aprilscherz) wird Aaraus Ersatzgoalie Sascha Studer beim Auswärtsspiel in Sion (1:1) eingewechselt. Er ist damals erst 15 Jahre, 6 Monate und 29 Tage alt und damit bis heute der jüngste Debütant in der Super League. Nach Auslandabenteuern bei Babelsberg 03 und Mansfield Town (4.-höchste eng­lische Liga) gibt der 1,91 m grosse Solothurner im Alter von 23 Jahren seinen Rücktritt als Profi. Heute steht der eidgenössische Finanz­berater beim Erstliga-Kellerkind FC Langenthal im Tor.

Sascha Studer ist bis heute der jüngste Debütant in der Super League.
Foto: KEY
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