Das Euro-Märchen von Dänemark
Vor der EM waren Kjaer und Co noch «geldgierige Söldner»

Erst verachtet, jetzt verehrt: Warum die dänischen Fans ihrem Team die Liebe entzogen und wie es jetzt an der Euro zum Liebes-Comeback kam.
Publiziert: 07.07.2021 um 14:39 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2021 um 14:46 Uhr

Kein Blatt passt in diesen Tagen zwischen das dänische Team und seine Fans. So sagte zum Beispiel Stürmer Martin Braithwaite nach dem gewonnenen Viertelfinal: «Ich wünschte, ich wäre jetzt in Kopenhagen. Wie gerne würde ich jetzt dort mitfeiern.»

Vor drei Jahren war das noch anders. Ganz anders. Damals ging ein tiefer Riss durch Fussball-Dänemark. Die Spieler galten als «geldgierige Söldner» und «Verräter».

2018 kams zum Liebesentzug

Was war passiert? Am 5. September 2018 sollte Dänemark in einem Testspiel in der Slowakei antreten. Doch im Vorfeld entbrannte zwischen den Spielern und dem Verband ein heftiger Streit. Es ging offiziell um einen besseren Versicherungsschutz und um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte, in Wahrheit aber ging es wie so oft ums liebe Geld und die Höhe der Prämien.

Alarmstufe Rot: Dänemark und seine Fans erobern die Euro 2020.
Foto: imago images/Ritzau Scanpix
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Zu den Rädelsführern damals zählten ausgerechnet Christian Eriksen und Simon Kjaer, die heute, knapp drei Jahre später, die Lieblinge der Dänen-Fans sind.

Doch zurück zu 2018. Die beiden zerstrittenen Parteien konnten sich nicht einigen. Deshalb lief Dänemark mit einer B-Elf auf, im Tor stand gar ein Futsal-Goalie. Besonders dreist: Kjaer soll einen Tag vor dem Spiel noch persönlich zum Handy gegriffen haben. Er wollte die B-Spieler offenbar davon überzeugen, nicht anzutreten.

Der Plan misslang. Die Dänen zeigten einen aufopferungsvollen Kampf und verloren nur 0:3. Die eingesprungenen Spieler wurden gefeiert und die streikenden Kicker mit Liebesentzug abgestraft.

Kjaer war deshalb entsprechend sauer: «Wie sollten wir jemandem dankbar sein, der sich gegen uns und den dänischen Fussball stellt?», soll er damals gemäss «11 Freunde» über die Ersatzspieler gesagt haben.

«Die Stimmung war am Boden»

Diese negative Grundstimmung, sie war selbst noch unmittelbar vor der Euro zu spüren. Doch spätestens seit Dänemarks EM-Auftakt und den dramatischen Szenen um Eriksen ist alles anders. Die Dänen lieben endlich wieder ihre Nationalmannschaft.

In «11 Freunde» erklärt Gustav Knudsen, der damals als einer von zehn Dänen in der Slowakei das B-Team unterstützt hat: «2018 war die Stimmung rund ums dänische Nationalteam wirklich total am Boden. Für viele waren die Spieler nur noch gierige Millionäre, die immer noch mehr Geld wollten. Spätestens seit dem Auftaktspiel zur EM ist das jedoch vergessen. Die Spieler treten volksnäher und bodenständiger auf.»

Schreiben das Team und ihre Fans heute im EM-Halbfinal gegen England das nächste Kapitel im Liebes-Comeback? (led)

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