Ein Staff aus 30 Personen
Sie sind die guten Geister der Schweizer Nati

An der Euro kümmert sich ein Staff aus 30 guten Geistern um das Wohl unserer Fussballstars. Im Trainingslager im südspanischen La Manga geben vier Teammitglieder der Nati Einblick in ihren Arbeitsalltag.
Foto: Fabian Michel / SFV
Diese Menschen sind die guten Geister der Schweizer Nati
Thomas Wälti
Thomas Wälti
Schweizer Illustrierte
Publiziert: 19.06.2024 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2024 um 17:34 Uhr

Team hinter dem Team. Um an einem grossen Fussballturnier Erfolg zu haben, braucht die Schweiz nicht nur einen taktisch gewieften Trainer, einen reflexschnellen Torhüter, einen umsichtigen Abwehrchef, defensive Mittelfeldspieler, einen genialen Regisseur und unwiderstehliche Stürmer, sondern auch einen vielköpfigen Staff. In Deutschland werden an der EM nebst den 26 Nationalspielern ein siebenköpfiges Technikerteam sowie 22 Betreuerinnen und Betreuer dabei sein – rund 30 gute Geister also

Die helvetische Delegation ist im Waldhotel Stuttgart untergebracht. «Das Gesamtpaket hat gestimmt», begründet Teammanager Damien Mollard die Wahl des Viersterne-Hauses am Waldrand. Später erzählt der gebürtige Freiburger, dass die Spieler mit der Deutschen Bahn an die Gruppenspiele nach Köln und Frankfurt reisen – im Erstklasswagen mit eingebauter Küche.

Chefkoch Francesco Baraldo Sano hat der Küchenbrigade des Waldhotels bereits die Rezepte gesendet. «Ich bestelle immer lokale und frische Produkte. Wenn es diese in einem bestimmten Land nicht gibt, nehme ich sie aus der Schweiz mit. Das ist im Fall von Deutschland aber nicht nötig», sagt der Italiener.

Wer im Team auf grösstem Fuss lebt, beziehungsweise wer die kleinsten Schuhe trägt, verrät uns Materialwart Jean-Benoît Schüpbach. Er sorgt dafür, dass die Fussballstiefel unserer Stars wie angegossen sitzen. Spielanalyst Kevin Ehmes beschafft für das Team von Murat Yakin wertvolle Daten, die womöglich entscheidend dafür sind, dass die Eidgenossen am grossen Fussballturnier in Deutschland erfolgreich auftreten können.

Foto: Fabian Michel / SFV

Als Servicemann der Fussballer kümmert sich Jean-Benoît Schüpbach um das wertvollste Kleidungsstück der Kicker: die Schuhe. Auf Reisen transportieren die Spieler ihre Fussballstiefel im Handgepäck. Denn käme das Gepäck nicht an, wären die Nati-Stars aufgeschmissen. Ohne ihre Treter können sie kein Training absolvieren! «Schüpi» sorgt seit 25 Jahren dafür, dass sich die Nationalspieler in ihren Schuhen wohlfühlen. In einem persönlichen Gespräch holt der Romand die individuellen Ansprüche jedes einzelnen Spielers ab.

Prüfender Blick: Jean-Benoît Schüpbach kontrolliert die Schuhe von Yann Sommer, Renato Steffen (rechts) schlüpft in sein Paar.
Foto: Fabian Michel / SFV

«Meistens kontaktieren mich die Spieler, weil sie Druckstellen vom Schuh verspüren», erzählt der Materialwart. In diesem Fall erstellt er auf einer plastifizierten Membrane mittels Vakuumsystem einen Fussabdruck des Spielers. So kann er entsprechende Korrekturen am Schuh vornehmen. Unter Zuhilfenahme einer Heisssiegelmaschine modelliert er dann die individuelle Einlage. «Oft genügt es, den Schuh nur auszuklopfen oder ein paar Nocken mit Stollen zu ersetzen», führt er aus.

Geprägt: «GX34» steht für Granit Xhaka und dessen Trikotnummer. Aayden und Keeyan heissen die Söhne von Manuel Akanji (rechter Schuh).
Foto: Fabian Michel / SFV

Bigfoot Embolo. Im Arbeitszimmer des Materialwarts stehen überall neonfarbene Fussballschuhe herum. «Jeder Spieler nimmt jeweils je zwei Paar Nocken- und Stollenschuhe mit», sagt Schüpbach. Stürmer Breel Embolo ist der Mann mit den grössten Füssen. «Er hat Schuhgrösse 45. Die kleinsten Schuhe hat Rubén Vargas. Er trägt Schuhgrösse 41», verrät der Fachmann. Sein Handwerk hat «Schüpi», der im Team auch als Stimmungsmacher gilt, von der Pike auf gelernt: Als selbstständiger Unternehmer führt er mit seiner Frau ein Sportgeschäft in Marnand bei Payerne VD. «Vor 35 Jahren kam eine Neuigkeit auf den Markt: Einlagen für Skischuhe», sagt Schüpbach. «Diese Fussstützen entwickelte ich weiter – für den Sommersport und speziell für die Fussballer.» Der Rest ist Geschichte.

Kevin Ehmes, Videoanalyst
Foto: Fabian Michel / SFV

Am Computer allein gewinnt man zwar keine Spiele, sagt Kevin Ehmes. «Der Fussball lebt von kreativen Genies wie einst Maradona oder Messi.» Die Datenanalyse könne aber Voraussetzungen schaffen, damit ein Match gewonnen werden kann, ergänzt der Spielanalyst des Nationalteams. Während Videoanalyst Selcuk Sasivari jeweils hoch oben auf der Tribüne sitzt und filmt, nimmt Kevin Ehmes auf der Trainerbank Platz. «Ich stehe in ständigem Kontakt mit Selcuk Sasivari.

Er liefert mir Videos und Daten in Echtzeit auf meinen Laptop. So kann ich mich bei Auffälligkeiten, die Murat Yakin aufgrund seiner Perspektive an der Seitenlinie nicht wahrnehmen kann, sofort melden», sagt Ehmes und nennt ein Beispiel: «Es kann vorkommen, dass der Gegner bei Standardsituationen einen bestimmten Spieler von uns blockt, damit der Raum frei wird, um dort angreifen zu können. Darauf können wir reagieren.» Die Live-Analyse helfe auch, Schiedsrichterentscheidungen einzuordnen. Etwa wenn Murat Yakin fragt: «War es ein Penalty?» So sei der Nationalcoach immer auf dem aktuellsten Stand, sagt der gebürtige Zuger.

Penalty oder nicht? Die Live-Analyse helfe, Schiedsrichter-entscheidungen einzuordnen, sagt Kevin Ehmes.
Foto: Fabian Michel / SFV

Kevin Ehmes kümmert sich bereits seit geraumer Zeit mittels Studium von Videoanalysen akribisch um die drei Schweizer Gruppengegner Schottland, Ungarn und Deutschland. Aufgrund der Erkenntnisse daraus plant Murat Yakin entsprechende Übungseinheiten. Diese Trainings werden mit einer Drohne gefilmt. Anhand dieser Aufnahmen kann der Sportwissenschaftler etwa kontrollieren, ob die Vorgaben im taktischen Bereich umgesetzt werden.

Foto: Fabian Michel / SFV

Wenn der Schiedsrichter das Spiel anpfeift, weiss Damien Mollard, dass das Feld für die Schweizer Nationalspieler gut bestellt ist und diese sich ausschliesslich aufs Fussballspielen konzentrieren können. «Ich bin Koordinator des Teams hinter dem Team», definiert der Teammanager seine Rolle im Staff. Der gebürtige Freiburger und Sohn des ehemaligen YB-Goalies François Mollard ist für den reibungslosen Ablauf der Prozesse auf allen Ebenen zuständig. Er koordiniert die Aufgaben des technischen Staffs, von medizinischer Abteilung, Medienstelle, Küchenbrigade, Ernährungsberater, Sicherheitsdienst, Materialwarten, Fotografen und Kameramann. Damien Mollard war selbst Fussballer. «Nach meinem Studiengang Unternehmenskommunikation spielte ich drei Jahre lang als Profi bei Lugano.»

Bodenständige Spieler. Mollard erfüllt auch Sonderwünsche der Spieler. Etwa die Organisation der Flugtickets für Familienmitglieder oder passende Adapter für den Computer. «Die Spieler sind bodenständig und haben keine grossen Ansprüche», verrät der Teammanager. «Für Murat Yakin organisiere ich die Tickets, wenn er im Ausland ein Spiel beobachten will.» Federführend war Mollard bei der Suche des Schweizer EM-Quartiers in Stuttgart: «Wir haben uns für das Waldhotel entschieden, weil das Gesamtpaket gestimmt hat.» Die Qualität und die Nähe zu den Trainingsanlagen, Ausstattung und Grösse der Teamräume und Zimmer, der Mietpreis und die Erfahrung des Personals mit Fussballteams spielten ebenfalls eine Rolle. Dazu kommt die Distanz zum Bahnhof – ein wichtiges Kriterium: Die Nati-Stars reisen von Stuttgart aus mit der Deutschen Bahn an die Gruppenspiele nach Köln und Frankfurt.

Francesco Baraldo Sano, Koch
Foto: Fabian Michel / SFV

Heute ist er quasi Cheftrainer in der Schweizer Fussballküche, zuvor war Brotverkäufer in New York, Steward bei Alitalia, Hotelier in Tarvisio (It): Der Koch der über 50-köpfigen Schweizer Delegation hat viel erlebt in seinem bewegten Leben. «Vor gut einem Jahr habe ich bei der Schweizer Nationalmannschaft meinen Traumjob gefunden. Ich bin zwar Italiener, aber mein Herz schlägt für die Schweiz!», sagt der diplomierte Betriebswirtschaftler, der auch den italienischen Serie-A-Klub Udinese an Heimspielen bekocht. Wenn Francesco Baraldo Sano das Buffet aufbaut und schön dekoriert, fühlt man sich wie im Schlaraffenland. Es gibt immer einen Fisch und zwei Fleischsorten: Kalbs-, Rinds-, Lamm- oder Geflügelfleisch. Oder auch mal ein Hirschgulasch. Zur Auswahl stehen zehn verschiedene Gemüsebeilagen, Pasta und Risotto. Desserts werden ohne Butter und Zucker zubereitet. «Als Süssstoffe verwende ich Aloe-, Ahorn- oder Dattelsirup. Oder Honig», erzählt der Zauberer am Herd. Tabu auf dem Menüplan sind Zwiebeln, Knoblauch und Lauch. Sie können Blähungen verursachen.

Verschnaufpause: Der Zauberer am Herd gönnt sich eine Stärkung.
Foto: Fabian Michel / SFV

Wer gluten- und laktosefreie Produkte verzehren will, wird auf dem reichhaltigen Buffet ebenso fündig wie Spieler, die ein muslimisches Angebot geniessen möchten. Muslime essen nur Lebensmittel, die nach den islamischen Speisegeboten «halal» (erlaubt) sind. Am Buffet beantworten zwei Ernährungsberater Fragen der Gäste. Alkohol und Süssgetränke werden nicht ausgeschenkt. Dafür nebst Mineral- und stillem Wasser frischer Apfel- oder Orangensaft. Oder ein Mix aus Ananas, Spinat und Ingwer. Im EM-Quartier in Stuttgart wird Baraldo Sano von fünf internen Köchen unterstützt, die im Schweizer Teamhotel angestellt sind. Das nebenstehende Menü haben die Nati-Stars im Camp in La Manga genossen.

VIP-Service: Fabian Schär lässt sich von Francesco Baraldo Sano bedienen. Renato Steffen (rechts) gibt gleich die Bestellung bekannt.
Foto: Fabian Michel / SFV
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