Sommer und Donnarumma: zwei Goalies, eine Mission
Wer hext sein Land in den Viertelfinal?

In der K.o.-Phase kann jede Abwehraktion und jede Flugparade über Weiterkommen und Heimfahren entscheiden. Entsprechend im Fokus stehen heute beim Duell Italien – Schweiz die beiden Torhüter Yann Sommer und Gigio Donnarumma.
Publiziert: 29.06.2024 um 09:34 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2024 um 11:25 Uhr

Yann Sommer (35)

Nati-Goalie Yann Sommer hat eine dominante Serie-A-Saison hinter sich.
Foto: TOTO MARTI

So richtig arbeitsintensiv ist die EM für Yann Sommer noch nicht gewesen. Erst acht Schüsse hat er in den bisherigen drei Spielen auf sein Tor bekommen. Doch im EM-Achtelfinal gegen Italien wird der Nati-Goalie gefordert sein. Es ist sein 89. Länderspiel – und im Falle einer Niederlage vielleicht auch sein letztes? Öffentlich gesagt, wie lange er noch für die Nati auflaufen will, hat Sommer nie. «Der Fokus liegt auf der EM. Was nachher ist, werden wir sehen», hatte er vor dem Turnier erklärt.

Blickt man auf seine Meistersaison mit Inter Mailand, gibt es keinen Grund, warum Sommer nicht bis zur WM 2026 weitermachen sollte. Das Datenportal «Wyscout» listet ihn auf Platz eins unter allen Serie-A-Goalies. In 34 Ligapartien blieb er 19 Mal ohne Gegentor – Bestwert! Nur in der Statistik der abgewehrten Bälle liegt Sommer weit hinten. Das ist aber darauf zurückzuführen, dass er hinter der besten Abwehr Italiens auch kaum etwas zu tun bekommt.

Erinnerungen an Frankreich und Spanien

Auch in seinen zwölf Jahren im Nati-Tor hat sich Sommer kaum einen groben Fehler zu Schulden kommen lassen. Zumindest keinen, der so langfristig in Erinnerung bleiben wird wie sein sensationeller Auftritt im EM-Achtelfinal gegen Frankreich (5:4 n.P.) vor drei Jahren. Oder im Viertelfinal gegen Spanien (1:3 n.P.) ein paar Tage später. Eine Partie, die Sommer selbst als sein bestes Nati-Spiel bezeichnet.

Yann Sommer: Sorgt er mit seinen Paraden für den nächsten Nati-Coup?
Foto: TOTO MARTI
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Der Schweizer Rekordgoalie hat immer wieder gezeigt, dass er in den grossen Spielen da ist. Das Spiel gegen Italien wird für ihn der fünfte Achtelfinal, den er mit der Nati bei einem grossen Turnier bestreitet. Verantwortlich dafür, dass es nur einmal für den Viertelfinal gereicht hat, ist er nicht.

Nachfolger Kobel drückt

Das einzige Problem von Sommer heisst Gregor Kobel (26). Zusammen mit Gianluigi Donnarumma (PSG) und Diogo Costa (Porto) ist der BVB-Profi inzwischen der wertvollste Goalie der Welt. Und genau so spielt Kobel auch seit Jahren. Mit seinen überragenden Leistungen ist der Zürcher der Hauptgrund, warum der BVB in der Champions League bis in den Final marschiert ist.

Obwohl im Ausland kaum jemand verstehen kann, warum einer der besten Goalies der Welt in der Schweizer Nationalmannschaft nur auf der Bank sitzt, kann man Murat Yakin keinen Vorwurf machen. Der Nati-Trainer hat zu Recht an Sommer festgehalten. Zu gross sind seine Verdienste für die Nati. Zu klein die Fehler, die eine Degradierung rechtfertigen würden. Hinzu kommt, dass Kobel seine wenigen Chancen verletzungsbedingt nicht nutzen konnte.

Nicht nur in der Nati steht sein Nachfolger schon bereit. Inter dürfte demnächst die Verpflichtung von Genua-Goalie Josep Martínez (26). Rund 15 Millionen Franken soll der Spanier kosten. Ob Sommer in der neuen Saison nach wie vor die klare Nummer eins im Mailänder Tor sein wird? Offen. Genau, wie die Frage nach seiner Nati-Zukunft. Doch dass Sommer auch im Herbst seiner Karriere noch immer zu grossen Spielen fähig ist, das wissen die Italiener seit dieser Saison ohnehin am besten.

Gianluigi Donnarumma (25)

Gianluigi Donnarumma: Der Schlussmann führt die Squadra Azzurra an.
Foto: Getty Images for FIGC

Er sagt: «Er ist der Beste. Der Beste der Welt.» Da lässt sich mit Luigi Garlando von der «Gazzetta dello Sport» nicht diskutieren wie sonst bei jedem Thema üblich. Nicht bei Gianluigi Donnarumma (25). «Intoccabile» sei der Goalie. Unantastbar. Gegen Spanien hält der PSG-Keeper alles, was auf seinen Kasten zugeflogen kommt. Und es ist viel! Gegen Kroatien den Penalty von Ex-Weltfussballer Luka Modric. Das ist kein Zufall. Donnarumma pariert ein Viertel aller Penaltys. Eine Kurzentscheidung vom Punkt hat er weder mit der AC Milan (drei) noch mit der Nazionale (EM-Halbfinal gegen Spanien und EM-Final gegen England) verloren …

Mit 25 ist der gebürtige Neapolitaner auf dem Zenit seines Schaffens. Ungewöhnlich früh für einen Torhüter. Er hat bereits 65 Länderspiele absolviert. Er ist Europameister, bester Spieler des Turniers 2021 und Welttorhüter. Das alles verdankt er auch seinem Mentor, der Goalielegende schlechthin: Gianluigi Buffon (46). Gigio (Donnarumma) hat Gigi (Buffon) in Deutschland jeden Tag um sich. Denn der ist Teammanager. Buffon schwärmt von seinem Schützling: «Er ist ein absoluter Fixpunkt und Leistungsträger der Mannschaft. Er gibt uns Sicherheit und Garantien.» Als «unüberwindbares Bollwerk» hat er den PSG-Goalie nach den Spielen gegen Spanien und Kroatien bezeichnet. Und ja, er, Buffon, schlafe ruhiger, seit Donnarumma da ist. «Ich muss mir um mein nationales Erbe keine Sorgen mehr machen.» Auch nicht vor dem Kickoff. Denn die beschwingte italienische Nationalhymne «Inno di Mameli» schmettert Gigio schon fast mit der gleichen Inbrunst wie sein Vorgänger.

«Ich bin ein anderer Mensch geworden»

Nur bei der AC Milan verlor er viele Sympathien, als sein Berater eines Tages antrabte und sagte, sein Klient könne anderswo einen zweistelligen Millionenbetrag verdienen. So geht er zu Katar-Klub Paris Saint-Germain, wo das Geld sprudelt. Nur fallen ihm die Herzen der Pariser auch nicht bedingungslos zu. Macht er mal einen Bock, wird das hochstilisiert. Gelingt ihm ein Pass nicht perfekt – mit dem Fuss ist er sicher nicht der Beste der Welt –, wird das zum grossen Thema. Und auch mit dem Italiener im Kasten hat PSG die Champions League nach wie vor nicht gewonnen.

Am Freitag gab sich der Captain die Ehre an der Medienkonferenz vor dem Clash gegen den kleinen, unbequemen Nachbarn. Und dies ausgerechnet im Bauch jenes mythischen Stadions, in dem Mentor Gigi 2006 seinen Karriere-Höhepunkt erlebte. Allerdings ist seit damals viel Wasser die Spree hinuntergeflossen. Aber auch seit 2021, als Donnarumma den EM-Titel feierte und danach dem Lockruf des Geldes erlag. «Ich bin ein anderer Mensch geworden, bin gewachsen. Auch, weil ich nun im Ausland spiele. Ich übernehme viel mehr Verantwortung», sagt er. In einem Ton, der Wärme und Echtheit ausstrahlt. «Nur schon, sich das Trikot dieser unbeschreiblichen Nation überstreifen zu dürfen, ist eine Emotion, die man kaum erklären kann. Und dann noch das Captainbändeli …»

Es sei schlicht ein wahr gewordener Kindheitstraum, das an solchen Spielen machen zu können. Und Gigios Augen leuchten.

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