«Er fiel aus dem Nichts zusammen»
Das verrückte Leben des Schweizer Bundesliga-Pioniers Toni Allemann

Vor 60 Jahren lief in der Bundesliga erstmals ein Schweizer auf: Toni Allemann. Wie er Geschichte schrieb und warum bei Nürnberg nicht alle von ihm begeistert waren.
Publiziert: 18.08.2024 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2024 um 07:59 Uhr
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Daniel LeuStv. Sportchef

Wenn die Bundesliga kommendes Wochenende in ihre 62. Saison startet, werden wie in den letzten Jahren üblich viele Schweizer Spieler in tragenden Rollen mitmischen. Das war früher noch völlig anders, da waren die Schweizer Exoten. Der erste Eidgenosse, der je in der Bundesliga auflief, war vor 60 Jahren Toni Allemann. 22. August 1964, Nürnberg gegen Borussia Neunkirchen – ein rückblickend historischer Tag für den Schweizer Fussball.

Anruf bei Horst Leupold, damals Teamkollege von Allemann, später Meister mit dem Klub und heute 82-jährig. «Ach der Toni, irgendwann tauchte der plötzlich bei uns in der Kabine und im Training auf. Wir wussten damals nur, dass er zuvor beim PSV Eindhoven gespielt hatte. Mehr nicht», erinnert sich Leupold. Und weiter: «Toni war sympathisch und ein guter Aussenstürmer, doch auf dem Platz hatte er manchmal Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. Er ist gelegentlich lieber aufgesprungen, statt mit den rustikalen Aussenverteidigern in den Zweikampf zu gehen und das Duell anzunehmen.»

Rekord an der ZDF-Torwand

Aus deutscher Perspektive mag der gebürtige Solothurner Allemann einer von vielen gewesen sein, doch aus Schweizer Sicht war er ein Grosser. Und für einige legendäre Momente und Meilensteine verantwortlich.

22. August 1964: Mit Toni Allemann (Nürnberg) läuft erstmals ein Schweizer in der Bundesliga auf.
Foto: imago sportfotodienst
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Torwand: Während seiner Nürnberg-Zeit traf Allemann an der Torwand im ZDF-Sportstudio gleich viermal und hielt dadurch zwischen 1966 und 1974 den Rekord, bis ihn ein gewisser Günter Netzer mit fünf Treffern ablöste. Offenbar auch, weil kurz nach Allemanns Auftritt die Löcher von 50 auf 55 Zentimeter vergrössert worden waren.

Schuss ins Glück: Dank Allemanns Tor 1965 in der WM-Quali gegen Holland schaffte es die Schweizer Nati an die WM nach England.

Italien-Abenteuer: 1961 war Allemann nach Mantova gewechselt. Im «Migros-Magazin» erzählte er einst: «Was war ich für ein naiver Siech! 70’000 Franken habe ich mit dem Wechsel verdient. Ich dachte, das ist ja ungeheuer viel Geld. Später erfuhr ich, dass man mir das Dreifache geboten hätte, wenn ich beim Verhandeln etwas hartnäckiger gewesen wäre.»

Ärger mit dem Trainer: Während seiner GC-Zeit ging es gegen YB, mit denen er zuvor dreimal Meister geworden war, um den Titel. Doch Trainer Albert Sing schickte ihn ins Reserve-Team. Dort schoss er gemäss GC-Chronik aus Frust alle sechs Tore. Als er im Spiel darauf wieder mit der 1. Mannschaft auflaufen durfte und ihm Sing erklärte, er habe auch Defensivaufgaben zu übernehmen, meinte er nur: «Ich habe keinen Rückwärtsgang.»

«Er fiel aus dem Nichts zusammen»

Mit Allemann über all diese Anekdoten zu plaudern, ist leider schon seit 16 Jahren nicht mehr möglich. Damals starb er im Alter von 72 Jahren an einem Herzinfarkt. Chili Allemann, einer seiner drei Söhne, zu Blick: «An jenem Sonntag bestritt er in Klosters ein Senioren-Tennisturnier. Nach dem Seitenwechsel lief er zurück auf den Platz und fiel aus dem Nichts zusammen.»

Der 61-jährige Chili kam während der Mantova-Zeit seines Vaters in Italien zur Welt. Allzu viel über die einzigartige Karriere seines Vaters weiss nicht einmal er. «Mein Vater war keiner, der mit uns regelmässig über seine Zeit als Fussballer geredet hat. Es gab aber ein riesengrosses Album mit Fotos drin, das wir manchmal zusammen angeschaut haben.»

An zwei Episoden, die ihm sein Vater erzählt habe, könne sich Chili aber noch erinnern. «Mein Vater war einer der Ersten, der mit weissen und farbigen Künzli-Schuhen kickte. Das war damals aussergewöhnlich, nicht gerne gesehen und sorgte gelegentlich für hämische Sprüche.»

Und die zweite Anekdote? «Rückblickend eigentlich unvorstellbar, doch obwohl mein Vater die Schweiz an die WM geschossen hatte, war er in England 1966 nicht dabei. Er hatte seinen Umzug von Nürnberg zurück in die Schweiz regeln müssen und verpasste dadurch ein Trainingslager. Deshalb wurde er vom Trainer als Strafe nicht für die Endrunde aufgeboten.»

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