«Keine Ahnung, was ich da sagen soll»
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Coumba Sow über Inka Grings:«Keine Ahnung, was ich da sagen soll»

Die Gründe für die Nati-Krise
Verkennung der Realität, Kulturwandel, taktische Mängel

Die Frauen-Nati befindet sich 19 Monate vor der Heim-EM in einer Krise. Blick nennt die Gründe, warum die Schweizer Frauen unter Inka Grings nicht auf Touren kommen.
Publiziert: 01.11.2023 um 12:25 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2023 um 15:41 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Nur ein Sieg in 14 Spielen, abgeschlagen Tabellenletzter in der Nations League mit null Punkten und 1:14 Toren in vier Spielen. Die Nati befindet sich 19 Monate vor der Heim-EM in einer sportlichen Krise, Trainerin Inka Grings (45) gerät unter Beschuss. Die schwachen Resultate alleine an der Deutschen festzumachen, wäre allerdings zu kurz gegriffen. «Wir müssen uns an der eigenen Nase nehmen», sagt Captain Lia Wälti (30). Acht Gründe, warum es derzeit bei der Nati nicht läuft:

Verkennung der Realität

Die drei Spiele gegen Weltmeister Spanien bestätigen das, wovor Tatjana Haenni (56) schon lange gewarnt hat: «Wir entfernen uns immer mehr von der Weltspitze.» Was die frühere SFV-Direktorin gemeint hat, zeigt die erstmals durchgeführte Nations League schonungslos auf. Die Nati gehört nicht in die Liga A. Hinzu kommt, dass Spanien derzeit das Nonplusultra ist. «Wir dürfen uns nicht mit solchen Nationen messen», sagt Inka Grings. «Wer das macht, hat – mit allem Respekt – keine Ahnung von Fussball.»

Falsche Aussenwahrnehmung

Klatschen setzte es auch schon unter Grings-Vorgänger Nils Nielsen (51) ab. Ein 0:4 in Belgien im Dezember 2020 in der EM-Qualifikation, ein 0:7 gegen Deutschland oder ein 0:4 gegen England im Vorfeld der EM 2022. Ein Sieg gegen einen Grossen gab es in einem Wettbewerbsspiel noch nie – auch unter Martina Voss-Tecklenburg (55) nicht. An der EM 2017 trotzte man Frankreich – auch dank einer frühen Roten Karte des Gegners – ein 1:1 ab, schied damit aber trotzdem nach der Vorrunde aus. Das höchste der Gefühle sind Siege gegen Italien, Belgien oder Portugal, die im Frauenfussball aber nicht zur Weltspitze gehören.

Inka Grings weht eine steife Brise ins Gesicht.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Kulturwandel

Mit dem Wechsel von Nielsen zu Grings setzte in der Nati ein Kulturwandel ein. Dort der Däne, der auf Mitspracherecht und Eigenverantwortung setzte und unter dem sich die Nati zu einer Wohlfühloase entwickelte. Hier die forsche Deutsche, die eine klare Ansprache und die Schraube angezogen hat. Damit kommen nicht alle klar. Am offensichtlichsten Ana-Maria Crnogorcevic (33), die nach ihrer Nicht-Nomination im September Grings öffentlich kritisierte. Ihre Körpersprache beim Oktober-Zusammenzug verriet, dass der Konflikt nicht beigelegt ist. Trotzdem soll der Teamgeist intakt sein. «Wir gehen zusammen auch durch schlechte Zeiten», sagt Coumba Sow (29).

Taktische Mängel

Auch am Dienstag läuft die Nati mit einem zu Beginn offensiv ausgerichteten 4-3-3-System gegen Spanien ins offene Messer – wie bereits im WM-Achtelfinal, als die Schweiz schon zur Pause 1:4 hinten liegt. Das wirft Fragen auf, was am Dienstag offensichtlich wird, als es zwischen den Spielerinnen und der Trainerin an der Seitenlinie zu heftigen Diskussionen kommt. Lia Wälti sagt: «Wir müssen uns alle in die Verantwortung nehmen. Aber letztlich sind wir für das auf dem Platz verantwortlich.» Im Heimspiel gegen Italien (0:1), ein Team auf Augenhöhe, agiert die Nati dagegen erst in der Schlussphase mutig und offensiv, als sie bereits mit dem Rücken zur Wand steht.

Zu viele einfache Fehler

Der Auftritt gegen Spanien ist eine defensive Horrorshow. Sechs von sieben Gegentoren gehen eklatante individuelle Fehler voraus, sinnbildlich dafür sind die ersten beiden Treffer, bei denen gleich mehrere Spielerinnen neben den Schuhen stehen. Gegen Schweden (0:1) kassiert die Nati das einzige Tor nach einer Standardsituation, als Wälti ihre Gegenspielerin laufen lässt. Im September beim 0:5 in Spanien muss Keeperin Elvira Herzog drei Gegentore auf ihre Kappe nehmen. 

Harmlose Offensive

Die harmlose Offensive war an der WM das grosse Problem. Trotz stärkerer Gegnerinnen gab es im Herbst leichte Besserung – aber nur dank den Jungen. Alayah Pilgrim (20) ist die mit Abstand gefährlichste Stürmerin. Kein Zufall, dass sie gegen Spanien nach mehr als 400 Minuten die Torflaute beendete. Das spricht für sie, aber auch gegen die anderen Stürmerinnen wie Alisha Lehmann (24) oder Seraina Piubel (23), die gegen Spanien zwei Top-Chancen kläglich vergeben. Letztlich fehlt der Schweiz seit jeher eine Weltklasse-Knipserin, wie es Grings einmal war.

Fehlende Qualität

Nur Lia Wälti, Noelle Maritz (beide Arsenal), Géraldine Reuteler (Frankfurt), Luana Bühler (Tottenham) und Eseosa Aigbogun (AS Roma) sind in Top-Klubs im Ausland Stammspielerinnen, Ramona Bachmann und Viola Calligaris (beide PSG) und Ana-Maria Crnogorcevic (Atletico Madrid) kommen regelmässig zum Einsatz, Schlüsselrollen in ihren Teams haben aber nur wenige. Dass auf diesem Niveau ein ganz anderer Wind weht, spüren Riola Xhemaili und Nadine Riesen, die in Wolfsburg und Frankfurt hartes Brot essen. Der Weg ins Ausland ist aber der einzige Weg, um mittelfristig vorwärtszukommen. Wie schwach die Super League im internationalen Vergleich ist, zeigt der Champions-League-Auftritt des FCZ, der gegen Ajax Amsterdam sang- und klanglos ausscheidet.

Falsche Selbsteinschätzung

Vor dem Start der Nations League spricht Ramona Bachmann (32) vom Traum der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024. Das Problem ist: Nur die beiden Finalisten der Final Four (und Frankreich) dürfen in Paris antreten. Die Schweizer Realität ist eine andere. Bereits zwei Runden vor Schluss ist der Abstieg aus der Liga A der Nations League kaum mehr zu verhindern. Crnogorcevic sagt nach ihrer Nati-Rückkehr: «Wir haben stagniert.» Das stimmt. Die Frage ist aber: War die Nati jemals besser?

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Gruppe A1
Mannschaft
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Italien
Italien
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Niederlande
Niederlande
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Norwegen
Norwegen
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Finnland
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Gruppe A2
Mannschaft
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1
Spanien
Spanien
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2
Dänemark
Dänemark
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6
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Belgien
Belgien
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4
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Tschechische Republik
Tschechische Republik
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4
Gruppe A3
Mannschaft
SP
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1
Frankreich
Frankreich
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2
England
England
6
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3
Schweden
Schweden
6
2
8
4
Irland
Irland
6
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3
Gruppe A4
Mannschaft
SP
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Deutschland
Deutschland
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2
Island
Island
6
6
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3
Österreich
Österreich
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Polen
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-13
0
Gruppe B1
Mannschaft
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1
Schweiz
Schweiz
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15
2
Türkei
Türkei
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Ungarn
Ungarn
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1
7
4
Aserbaidschan
Aserbaidschan
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Gruppe B2
Mannschaft
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1
Schottland
Schottland
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2
Serbien
Serbien
6
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3
Slowakei
Slowakei
6
-6
4
4
Israel
Israel
6
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1
Gruppe B3
Mannschaft
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1
Portugal
Portugal
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Nordirland
Nordirland
6
1
10
3
Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina
6
-5
7
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Malta
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1
Gruppe B4
Mannschaft
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1
Wales
Wales
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Ukraine
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3
Kroatien
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Kosovo
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Gruppe C1
Mannschaft
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1
Weißrussland
Weißrussland
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Georgien
Georgien
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Litauen
Litauen
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Zypern
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Gruppe C2
Mannschaft
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Slowenien
Slowenien
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Lettland
Lettland
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Nordmazedonien
Nordmazedonien
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Moldawien
Moldawien
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Gruppe C3
Mannschaft
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1
Griechenland
Griechenland
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2
Montenegro
Montenegro
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3
Färöer
Färöer
6
2
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Andorra
Andorra
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0
Gruppe C4
Mannschaft
SP
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1
Rumänien
Rumänien
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2
Bulgarien
Bulgarien
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Armenien
Armenien
6
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Kasachstan
Kasachstan
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4
Gruppe C5
Mannschaft
SP
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1
Albanien
Albanien
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4
9
2
Luxemburg
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3
Estland
Estland
4
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