Die Highlights der WM
Vom Schock-Aus Deutschlands bis zum Tränenabschied des Superstars

Die WM in Australien und Neuseeland ist Geschichte. Neun Episoden zum Turnier, das alle bisherigen Rekorde schlägt.
Publiziert: 20.08.2023 um 18:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2023 um 18:18 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Die Parade

Schwedens Goalie Zecira Musovic (27) hat ihre Sternstunde im Achtelfinal gegen die USA. Mit einem unglaublichen Reflex pariert sie in der 53. Minute den Schuss von Lindsey Horan (29). Auch später sorgt sie mit einer Glanzparade bei einem Kopfball von Alexis Morgan (34) dafür, dass sich Schweden ins Penaltyschiessen rettet und dort die Hegemonie der Amerikanerinnen nach zwei WM-Titeln in Folge beendet. Für Musovic ist es das erste grosse Turnier als Stammkeeperin.

Ein Penaltyschiessen für die Ewigkeit

Erst der 20. Versuch bringt die Entscheidung im Penaltyschiessen im Viertelfinal zwischen Frankreich und Australien, das Stoff für ein ganzes Buch liefert. Der Schuss von Mary Fowler (20), die Paraden von Frankreichs Keeperin Solène Durand, die erst für das Penaltyschiessen eingewechselt wird. Australiens Keeperin Mackenzie Arnold, die zuerst pariert, dann scheitert, sich zu früh bewegt und doch noch zur Heldin wird. Oder die eingewechselte Cortnee Vine (25), die mit dem letzten Schuss ein Land in Ekstase versetzt. Knapp 50'000 Zuschauer jubeln in Brisbane über den erstmaligen Halbfinal-Einzug Australiens, mehr als sieben Millionen vor den TV-Bildschirmen. Es ist der emotionale Höhepunkt des Turniers.

Als 20. Schützin macht Vine Halbfinaleinzug perfekt
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Matildas hüpfen vor Freude:Als 20. Schützin macht Vine Halbfinaleinzug perfekt

Ein Tor wie ein Gedicht

Es ist ein Tor wie ein Gedicht, und es ist der Anfang vom frühen Ende der Deutschen an diesem Turnier. Als Linda Caicedo (18) im Spiel zwischen Kolumbien und Deutschland Svenja Huth (32) und Sara Däbritz (28) austanzt und danach den Ball in den Winkel schlenzt, steht die Fussball-Welt für einen Sekundenbruchteil still. Was für ein Tor, was für eine Cinderella-Story. Mit 15 wurde bei Caicedo Eierstockkrebs diagnostiziert. Sie besiegte die Krankheit und kehrte zurück. Heute gilt «La Neymar» als eines der grössten Talente des Weltfussballs. Bleibt sie gesund, wird es nicht die letzte Sternstunde Caicedos an einer WM gewesen sein.

Die schwedische Keeperin Zecira Musovic brachte mit ihren Paraden die USA zu Fall.
Foto: IMAGO/Shutterstock
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Linda Caicedo macht mit Traumtor auf sich aufmerksam
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Bei Sieg gegen Deutschland:Linda Caicedo macht mit Traumtor auf sich aufmerksam

Die tragische Heldin

Sam Kerr (29) trägt die Hoffnungen einer ganzen Nation auf ihren Schultern. Nachdem sie die Vorrunde wegen einer Wadenverletzung verpasst, hilft sie im Achtel- und Viertelfinal als Joker, dass Australien erstmals einen WM-Halbfinal erreicht. Dort hat sie gegen England zwar den von ihr im Vorfeld des Turniers gewünschten Cathy-Freeman-Moment, als sie nach einem brillanten Solo zum 1:1 trifft. Doch kurz vor Schluss wird der Chelsea-Star zur tragischen Heldin. Kerr vergibt zwei Topchancen zum 2:2, ehe im Gegenzug das 1:3 fällt. Der Traum vom Titel im eigenen Land platzt.

Kerr gleicht mit Traumtor für Australien aus
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Es reicht trotzdem nicht:Kerr gleicht mit Traumtor für Australien aus

Die Enttäuschung

Mit einem 6:0 startet der EM-Finalist Deutschland gegen Marokko rauschend ins Turnier. Doch das Turnier in Australien wird für Ex-Nati-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg (55) und ihr Team zum Albtraum. Eine Last-Minute-Niederlage gegen Kolumbien und ein mageres Remis gegen zähe Südkoreanerinnen sorgen für das Unmögliche: Der zweifache Weltmeister Deutschland muss erstmals überhaupt nach der Vorrunde die Koffer packen. Ein Jahr vor der Heim-EM bei den Männern liegt beim DFB so manches im Argen.

«Kleinere Länder wollen zeigen, dass sie spielen können»
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Leiden von Deutschland und Co.Das steckt hinter dem Favoritensterben

Ein Abgang im Tränenmeer

Sie ist die Grösste, die der Frauenfussball je gesehen hat: Marta Vieira da Silva (37). Keine andere hat die Sportart so geprägt wie sie, die sechsfache Weltfussballerin des Jahres und WM-Rekordtorschützin (17 Tore). Doch Marta bleibt die Ungekrönte. Der ganz grosse Titel mit Brasilien bleibt ihr auch in Down Under verwehrt. Der Abschied von der grossen Bühne endet in einem Meer von Tränen. Schluchzend sagt die Heldin: «Wissen Sie, was gut ist? Als ich anfing, gab es im Frauenfussball keine Idole, an die ich mich hätte halten können. Das ist jetzt anders.»

Die Rebellin tritt ab

Neben Marta verabschiedet sich mit Megan Rapinoe (38) eine weitere Ikone von der grossen Bühne. Im Penaltyschiessen gegen Schweden setzt die Amerikanerin den Ball übers Tor – und lächelt danach ironisch. «Das ist doch ein kranker Witz. Das ist ganz, ganz schwarzer Humor.» Keine andere stand so offen für die Werte ein, die der Frauenfussball verkörpert: Diversität, Inklusion, Offenheit, Gleichberechtigung. Keine andere legte sich mit den Mächtigen dieser Welt so an wie sie: mit dem amerikanischen Verband, der eigenen Trainerin oder dem früheren US-Präsidenten Donald Trump (77). Rapinoe liess ihren grossen Worten auch Taten folgen. Bis ihr letzter Schuss in die dunkle Nacht über Melbourne flog.

Rapinoe verschiesst Penalty deutlich – und muss lachen
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US-Legende versagen die Nerven:Rapinoe verschiesst Penalty deutlich – und muss lachen

Der Aufstand der Kleinen

Vor dem Turnier sind die Jamaikanerinnen auf ein Crowdfunding angewiesen, damit sie sich überhaupt angemessen auf die WM vorbereiten können. In Down Under bieten die Rasta-Girls dann den ganz Grossen Paroli. Nach dem 0:0 gegen Frankreich schmeissen sie mit einer weiteren Nullnummer den Mitfavoriten Brasilien aus dem Turnier. Erst im Achtelfinal gegen Kolumbien muss Jamaika die Segel streichen. Der Karibikstaat steht stellvertretend für den Aufstand der Kleinen an diesem Turnier. Haiti hätte sich gegen England ein Remis verdient, Südafrika kegelt Italien aus dem Turnier, Marokko zieht auf Kosten von Deutschland und als drittes von vier afrikanischen Teams in die K.o.-Runde ein. Nur die Asiatinnen – mit Ausnahme von Japan – enttäuschen.

Gescheiterter Superstar

2019 verzichtete Norwegens Superstar Ada Hegerberg (28) wegen eines Streits mit dem Verband freiwillig auf die WM. Erst 2022 kehrte sie wieder in das Nationalteam zurück. Doch nach der EM in England wird auch die WM für Hegerberg zum Super-Gau. Nach der Startniederlage gegen Neuseeland verschwindet sie beim zweiten Gruppenspiel gegen die Schweiz Sekunden vor dem Anpfiff in der Kabine. Noch nicht einmal die Trainerin Hege Riise (54) weiss, was mit der Mittelstürmerin los ist. Erst im Achtelfinal gegen Japan kehrt Hegerberg in der Schlussphase auf das Feld zurück – zu spät.

Hier verlässt Norwegens Superstar Hegeberg das Spielfeld
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Vor Anpfiff:Hier verlässt Norwegens Superstar Hegeberg das Spielfeld
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