«Es fehlen die offensiven Impulse»
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Nach deutlicher WM-Klatsche:«Es fehlen die offensiven Impulse»

Nati-Stars verlangen nach WM-Aus Verbesserungen
«Haben jetzt zwei Jahre Zeit, einen Schritt vorwärts zu machen»

Die Schweizerinnen werden im WM-Achtelfinal von Spanien nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Der Abstand zur Weltklasse ist gross. Die Landung auf dem Boden der Realität hart.
Publiziert: 06.08.2023 um 08:53 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2023 um 00:11 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Der WM-Traum der Nati ist jäh geplatzt. Im mit über 43’000 Fans ausverkauften Eden Park in Auckland, der grössten Kulisse überhaupt an einem Fussballspiel in Neuseeland, ist sie beim 1:5 gegen Spanien auf dem harten Boden der Realität gelandet. Bereits kurz vor der Pause und dem 4:1 durch Aitana Bonmati, der alles überragenden Spielerin, ist die Partie entschieden. Und hätte Spanien nach der Pause nicht einen Gang runtergeschaltet, wäre die Pleite noch höher ausgefallen.

«Sie haben mit uns Katz und Maus gespielt», bringt es Lia Wälti (30) nach dem Schlusspfiff auf den Punkt. Sie habe schon vor dem Spiel gesagt, dass Spanien mit seiner Klasse irgendwann einmal etwas gewinnen werde. «Sie waren schlicht und einfach besser.» Die Statistik spricht Bände: 25:2 Schüsse, 11:0 Corner, 680:317 Pässe. Die Spanierinnen zerlegen die Nati nach allen Regeln der Kunst.

Kein Mut zur Änderung

Die Stärke Spaniens ist das eine, hinzu kommt, dass die Nati nicht an ihr maximales Leistungsniveau herankommt. Trainerin Inka Grings (44) lässt den Mut zum Risiko vermissen und bringt in praktisch unveränderter taktischer Ausrichtung die gleiche Startelf, welche die Vorrunde als Gruppensieger und ohne Gegentor überstanden hat.

Lia Wälti (r.) und Ana-Maria Crnogorcevic finden, dass der Schweizer Frauenfussball «einen Schritt nach vorne» machen muss.
Foto: keystone-sda.ch
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Erst in der Pause nimmt sie erste Wechsel vor und stellt auf ein defensiveres 4-5-1-System um, obwohl sich bereits früh das Unheil anbahnt. Das spektakuläre Eigentor der Spanierinnen zum 1:1 ändert am Kräfteverhältnis nichts. Die Nati ist überrascht, dass der im Vergleich zum Japan-Spiel auf mehreren Positionen veränderte Gegner mehr über die Flügel angreift. Die in der Vorrunde so überzeugende Abwehr ist Mal für Mal überfordert. «Wir sind auseinandergefallen wie ein Weggli», sagt Nadine Riesen.

Grings reagiert spät und übt danach leise Selbstkritik: «Im Nachhinein hätten wir von Beginn an ein wenig defensiver agieren können.» Die Gegentore hätten allerdings nichts mit der Taktik, sondern mit der individuellen Klasse des Gegners zu tun. «Wir sind auf eine Mannschaft getroffen, die wahnsinnig viel Bock hatte. Es war ein Klassenunterschied.» Trotzdem: Ein 4-1-4-1-System wäre wohl erfolgversprechender gewesen.

Nach vorne läuft wie bereits gegen Norwegen und Neuseeland praktisch nichts. Dass eine mutigere, offensivere Taktik mehr Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, glaubt auch Wälti nicht. «Wir traten einst mit Arsenal gegen Barcelona offensiv auf und lagen zur Pause 0:4 zurück.»

«Der Verband kann von Spanien lernen»

Für die Arsenal-Mittelfeldspielerin stellen sich eher grundsätzliche Fragen. «Für mich ist es nichts Neues, dass der Unterschied zwischen der Schweiz und der absoluten Weltspitze gross ist.» Lernen könnten alle aus einem solchen Spiel. «Das Trainerteam, dass es andere Lösungen finden muss, wir Spielerinnen, dass wir mehr über die Physis kommen. Und der Verband kann von Spanien lernen.»

Wie die Schweiz qualifizierte sich Spanien 2015 erstmals für eine WM. Die Tatsache, dass Weltfussballerin Alexia Putellas erst kurz vor Schluss eingewechselt wird und drei Top-Spielerinnen nach dem Knatsch im letzten Herbst noch immer fehlen, zeigt, was in Spanien in den letzten Jahren passiert ist.

«2025 werden wir ein sehr interessantes Team haben»

Für Ana-Maria Crnogorcevic (32) ist das keine Überraschung. Schliesslich trainiert sie täglich beim FC Barcelona. «Wir sind dort jeden Tag im Kraftraum, da reicht es nicht, einmal während einer Vorbereitung körperlich etwas mehr zu machen.» Aus ihrer Sicht hat dies auch mit dem Liga-Alltag in der Schweiz zu tun, schliesslich kann da praktisch kaum eine vom Fussball leben. «Wir haben nun zwei Jahre Zeit, einen Schritt vorwärts zu machen», sagt Crnogorcevic.

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Auch für Wälti und Grings ist klar, dass im Schweizer Frauenfussball etwas gehen muss. Diese Prozesse zur weiteren Professionalisierung müssten jetzt eingeleitet werden, so die Deutsche, die die Nomination vieler Spielerinnen aus der heimischen Liga aber erneut verteidigt. Trotz des bitteren Endes sieht ihre WM-Bilanz positiv aus. «Wir haben wahnsinnig viel richtig gemacht.» Die Gruppenphase habe gezeigt, dass sie auf gutem Weg seien. «2025 werden wir ein sehr interessantes Team haben.»

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