«Du spielst nicht, weil du zu schwer bist!»
Leverkusen-Trainer trieb FCL-Kapitänin in eine Essstörung

Barbara Reger hat im Frauenfussball so einiges erlebt. Die Spielerin des FC Luzern öffnet ihr Herz und spricht über ihre schwierige Vergangenheit.
Publiziert: 13.04.2024 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2024 um 10:00 Uhr
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Nicola AbtReporter Sport

Diesen Satz wird Barbara Reger (24) nie mehr vergessen. Ausgesprochen wurde er vom Trainer von Bayer Leverkusen. Als die Deutsche ihn fragte, weshalb sie immer auf der Ersatzbank sitze, meinte er: «Du spielst nicht, weil du zu schwer bist!» Nach dieser Aussage sollte nichts mehr so sein, wie es einmal war im Leben der ambitionierten Fussballerin und heutigen Kapitänin des FC Luzern.

Aufgewachsen ist Reger in Frechen in der Nähe von Köln. Bereits in jungen Jahren lernte sie, mit Widerständen umzugehen. Während alle ihre männlichen Freunde in einem Verein kickten, durfte sie nur zuschauen. «Es galt noch die Meinung, Fussball ist kein Frauensport.» Erst als Frechen einen eigenen Fussballklub gründete, konnte sie durchstarten.

Das Geld diktiert die Aufstellung

Ihr Talent war offensichtlich. Bald einmal meldete sich Bayer Leverkusen und bot sie für ein Probetraining bei der U13 auf. Reger überzeugte. Trotz einiger privater Rückschläge gelang ihr als Einzige von ihrem Jahrgang der Sprung in die erste Mannschaft. «Zu Beginn musste ich unten durch.» Die erfahrenen Nati-Spielerinnen erzogen die Neuankömmlinge. «Da wurde einem knallhart ins Gesicht gesagt, was nicht gut war. Heute sind leider viele Spielerinnen nicht mehr so kritikfähig», erzählt sie in einem Luzerner Café.

Lässt sich nicht kleinkriegen: Barbara Reger hat in ihren 24 Jahren bereits einigen Widerständen getrotzt.
Foto: Sven Thomann
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In ihrer ersten Saison 2016/17 stieg Leverkusen in die zweite Liga ab. «Ein Glücksfall für mich», so Reger. Weil einige Spielerinnen den Verein verliessen, erhielt sie einen Stammplatz. Zurück in der obersten Spielklasse fingen die Probleme an. «Es heisst Leistungssport, aber es wurde oft nicht nach Leistung aufgestellt. Spielerinnen aus dem Ausland, die finanziell mehr Aufwand bedeuteten, wurden oftmals bevorzugt.»

Mit den Gedanken immer beim Essen

Wie sie zu dieser Theorie kommt? «Ich ging mehrfach zum Trainer und fragte, was mir fehlte. Er meinte, nichts, ich mache alles sehr gut.» Trotzdem erhielt sie in dieser Saison gerade einmal drei Minuten Einsatzzeit. In dieser Phase fiel dann auch der denkwürdige Satz: «Du spielst nicht, weil du zu schwer bist!»

Diese Aussage veränderte ihr Leben. Das Thema Essen stand plötzlich im Mittelpunkt. Auf einmal kochte sie zu Hause für sich selbst. «Mein Gemüse habe ich beispielsweise ohne Öl angebraten.» Aus Angst vor den zusätzlichen Kalorien. «Ich machte alles für den Erfolg.» Wenn sie gefühlt zu viel gegessen hatte, ging sie sogleich eine Runde joggen.

Restaurantbesuche mit Kolleginnen vermied sie. «Ich wollte selber kontrollieren, wie viel oder wenig Essen auf meinem Teller ist.» Während sie davon erzählt, wirkt Reger gefasst. Sie spricht leise, wählt ihre Worte mit Bedacht. «Mein Verhalten war nicht gesund.»

Plötzlich ist der Rücktritt ein Thema

Alle zwei Wochen mussten die Spielerinnen auf die Waage. Zudem kontrollierte der Verein ihren Fettwert. «Neben mir kämpften weitere Teamkolleginnen mit einem ungesunden Essverhalten», so Reger. Brisant: Der damalige Trainer ist aktuell noch immer in einer leitenden Funktion bei Leverkusen tätig. Eine Blick-Anfrage für eine Stellungnahme blieb bisher unbeantwortet.

Innerhalb weniger Wochen nahm Reger sieben Kilo ab. In dieser Zeit ging es ihr körperlich schlecht. «Ich hatte über ein halbes Jahr keine Periode.» Letztlich wog sie noch 56 Kilogramm. Und siehe da: gegen Ende Saison erhielt sie wieder mehr Einsatzzeit. Im Gespräch nach der Saison schwärmt der Trainer von ihr. «Er meinte, ich werde auch nächste Saison meine Chance bekommen.» Weit gefehlt. Reger spielte keine Sekunde.

Zwei Wochen vor dem Saisonende riss sie sich das Kreuzband. «Das war das Beste, was mir passieren konnte.» Sie brauchte Abstand vom Fussball. Während ihrer Reha setzte sie sich intensiv mit ihrem Essverhalten auseinander.

«Ich habe viel mit mir selbst gesprochen. So konnte ich einiges verarbeiten.» Daneben führte sie wertvolle Gespräche mit Freunden und den Eltern. Auf externe Hilfe verzichtete Reger, überlegte aber, ganz vom «Frauenfussball-Business» zurückzutreten. Dank der Unterstützung der Familie entschied sie sich dagegen.

Beim FCB nicht mehr erwünscht

Über einen deutschen Drittligisten landete Reger für die Saison 2022/2023 beim FC Basel. Schnell erkämpfte sich die Deutsche einen Stammplatz und verlängerte ihren Vertrag um ein Jahr. Doch nur wenige Monate später stand die Mittelfeldspielerin auf der Strasse. «Sie wollten mich unbedingt loswerden.»

Nach ihrer ersten Saison schwärmte der Sportchef noch: «Er sagte mir, ich sei eine der besten Spielerinnen gewesen.» Als im Sommer eine neue Trainerin kam, musste Reger nach zwei Wochen zu einem Gespräch antraben. Das Verdikt: Der Verein sieht keine Verwendung mehr für die Deutsche. «Wieder einmal ging es nicht um sportliche Leistungen. Innerhalb von zwei Wochen konnte die neue Trainerin gar nicht über mich urteilen.»

So kam der FC Luzern zum Zug und verpflichtete das ehemalige Supertalent. «Hier fühle ich mich endlich wieder wertgeschätzt und habe den Spass am Fussball zurückgewonnen.» Nach einigen Monaten erhielt sie die Kapitänsbinde. Die «Regular Season» schliessen die Luzernerinnen auf dem siebten Rang ab. Reger freut sich auf die kommenden Wochen. Das brisante Wiedersehen mit dem FC Basel in den Playoffs, das lange möglich erschien, ist dort vorerst aber geplatzt: Weil der FCZ bei Leader Servette gewinnt, trifft Luzern auf die Stadtzürcherinnen.

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FC Basel
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