GC-Frauen Dickenmann und Wirz über Pläne, Ziele und Probleme
«Im Ausland ist im Frauenfussball mehr gegangen»

Mit der Gründung der GC Frauenfussball AG macht sich die Frauenabteilung unabhängiger. Lara Dickenmann und Evelyne Wirz sprechen über ihre Visionen und sagen, wo es im Frauenfussball am meisten hapert.
Publiziert: 18.09.2023 um 20:08 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Blick: Warum die Idee der Gründung dieser AG?
Lara Dickenmann:
In der Fussball-Sektion von GC hat niemand auf den Frauenfussball gewartet und dass das Projekt ihr angeschlossen wird. Nun sind wir strukturell verankert.

Evelyne Wirz: Für die Fussball-Sektion wäre das Risiko einer Frauen-Profimannschaft mit Vertragsspielerinnen und einem entsprechenden Budget gross gewesen. Die Sektion und auch der Zentralvorstand haben uns aber beim Ablösungsprozess unterstützt. Diese Unabhängigkeit hilft uns.

Die chinesischen Besitzer reden nicht rein?
Dickenmann:
Nein. Klar gibt es Dinge, wo wir mit den Männern in Berührung kommen. Zudem nützen wir immer mehr Synergien. Mittlerweile spüren wir eine sehr grosse Offenheit gegenüber unserer Sache, sei es vom Präsidenten, von Sportchef Bernt Haas oder Männer-Cheftrainer Bruno Berner. Wir können immer zu ihnen gehen. Cool ist, dass sie auch von uns profitieren können.

Lara Dickenmann versucht, mit ihrer Rolle bei GC den Frauenfussball in der Schweiz besser zu etablieren.
Foto: Joanna Nottebrock/laif
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Bei GC sind damit alle Profis?
Dickenmann:
Wir haben solche, die vom Fussball leben könnten, aber freiwillig noch einen Job oder eine Ausbildung machen. Mit den jungen Spielerinnen haben wir gute Lösungen mit den Schulen. Das Ziel ist, dass irgendwann alle maximal noch 50 Prozent arbeiten müssen.

Davon sind aber viele AWSL-Teams weit entfernt.
Dickenmann:
Das schaffen wir nur, wenn alle Vereine mit den Männer-Teams zusammenarbeiten. Klubs wie Real Madrid oder Chelsea machen es vor. Turbine Potsdam, jahrelang eine grosse Nummer im Frauenfussball in Deutschland, ist nun abgestiegen. Ein Frauenverein hat mittelfristig alleine keine Chance, ausser er hat einen Mäzen im Hintergrund.

Wie war das damals bei Lyon?
Dickenmann:
Auch das war ein Prozess. Zuerst wurden wir stiefmütterlich behandelt, unsere Garderobe war in einem öffentlichen Gebäude. Danach erhielten wir einen Container. Seit der Klub ins neue Stadion ausserhalb der Stadt gezogen ist, ist die Infrastruktur zusammengelegt, inklusive Büros, Akademie und ein kleines Stadion für die Frauen.

Verträge geben Planungssicherheit und bei einem Abwerben einen Transfererlös.
Dickenmann:
Dieses Geschäft funktioniert noch nicht gleich wie bei den Männern. Die Xhakas und Shaqiris gibt es noch nicht, vielleicht einmal in fünf, sechs Jahren. Aber darum geht es nicht: Die Entwicklung steht im Vordergrund, die Verträge dienen der Absicherung. Wenn eine gehen will, bringt es nichts, sie hierzubehalten. Am Schluss steht die Spielerin und nicht das Geld im Zentrum, auch wenn ich vielleicht eines Tages für diese Aussage entlassen werde.

Was ist die Vision von GC?
Dickenmann:
Wir wollen den Frauenfussball in der Schweiz nachhaltig verändern und als Vorbild vorangehen. Wir wollen eine Plattform für Talente sein, die sich bei uns weiterentwickeln und später in eine grössere Liga wechseln. Wir wollen aber auch Titel gewinnen, der beste Verein der Schweiz werden und uns für die Champions League qualifizieren. Frauen sollen generell gefördert und auch ermutigt werden, Ausbildungen als Trainerin, Schiedsrichterin oder Funktionärin zu machen, denn es gibt viel zu wenig Frauen im Fussball. Zur Vision gehört auch ein Fussballstadion in der Stadt Zürich.

Wirz: Vor allem der sportliche Erfolg des Nationalteams ist wichtig und funktioniert als Magnet. Spielerinnen wechseln ins Ausland und werden zu Vorbildern für jüngere. Die Sichtbarkeit steigt, der Frauenfussball wird interessanter für Sponsoren. Womit man auch an die finanziellen Mittel kommt, welche für die entscheidende Weiterentwicklung unabdingbar sind.

Wo fehlt das Geld am meisten?
Wirz:
Es braucht auch bei den Juniorinnen gut ausgebildete Trainer, die medizinische Betreuung muss stimmen, ansonsten verlieren wir Talente. All das kostet viel Geld.

Wer soll das alles finanzieren?
Dickenmann:
Die AG gibt uns eine andere wirtschaftliche Ausgangslage. Wir sind auf fünf Jahre abgesichert. Die Koppelung an die Marke GC und das Logo bleibt bestehen. Aber als AG ist es einfacher, Sponsoren und Investoren zu finden.

Lara Dickenmann persönlich

Lara Dickenmann ist am 27. November 1985 in Kriens geboren. Nach Jahren in der Schweizer Liga und einem Studium in den USA wechselte sie 2009 zu Lyon. 2015 folgte der Wechsel zu Wolfsburg, ehe sie 2019 ihre Karriere beendete. Dickenmann gewann in ihrer Karriere 15 Meistertitel in der Schweiz, Frankreich und Deutschland und mit Lyon zweimal die Champions League. Für die Schweiz bestritt sie 135 Länderspiele und nahm mit der Nati an der WM 2015 und der EM 2017 teil. Seit 2021 ist sie Generalmanagerin bei GC.

Lara Dickenmann ist am 27. November 1985 in Kriens geboren. Nach Jahren in der Schweizer Liga und einem Studium in den USA wechselte sie 2009 zu Lyon. 2015 folgte der Wechsel zu Wolfsburg, ehe sie 2019 ihre Karriere beendete. Dickenmann gewann in ihrer Karriere 15 Meistertitel in der Schweiz, Frankreich und Deutschland und mit Lyon zweimal die Champions League. Für die Schweiz bestritt sie 135 Länderspiele und nahm mit der Nati an der WM 2015 und der EM 2017 teil. Seit 2021 ist sie Generalmanagerin bei GC.

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Sie beendeten 2019 ihr Karriere, wie hat sich seither der Frauenfussball in der Schweiz entwickelt?
Dickenmann:
Im Ausland ist mehr gegangen. Vor zehn Jahren haben wir gegen Spanien auf Augenhöhe gespielt, seither hat Spanien eine Riesenentwicklung gemacht. Aber auch in kleineren Ländern wie Holland ist mehr passiert. Es hat bei uns schon Verbesserungen gegeben, aber es scheint kein Konzept dahinterzustecken.

Wer steht in der Pflicht? Der Verband?
Dickenmann:
Es ist schwierig, alles auf den Verband abzuwälzen. Die Strukturen müssen verändert werden, es braucht im Zentralvorstand Personen, welche die Anliegen des Frauenfussballs vertreten, was bis jetzt nicht der Fall ist. Wir sind momentan der Amateurliga angegliedert, was nicht optimal ist, da wir uns ja professionalisieren wollen. Alle sind gefordert: der Verband, die Liga, die Vereine, die Medien, die Wirtschaft, die Politik.

Wirz: Wir haben viel Nachholbedarf. Wir brauchen im Verband ein Gesamtkonzept, wie es die Männer vor gut 20 Jahren gemacht haben und weswegen sie auch weitergekommen sind. Letztlich ist es ein Verbandsentscheid, was man will. Aber man muss den Frauenfussball umfassend denken, dafür braucht es viele Player, einer allein kann zu wenig erreichen.

Woran spürt man, dass ein Konzept fehlt?
Dickenmann:
Momentan gibt es keine Plattform, die wirklich interessant ist für Sponsoren. Die Nati ist eine gute Plattform, die Liga aber nicht. Der Verband führt die Liga, es wäre aber gut, wenn es – wie bei den Männern – eine SFL geben würde, welche die Liga als Produkt vermarktet.

Evelyne Wirz Eberle persönlich

Evelyne Wirz Eberle ist am 30. Juni 1963 geboren. Sie spielte von 1978 bis 1997 Fussball, unter anderen bei Rapperswil-Jona, Seebach und Monza. Für die Schweiz bestritt sie 23 Länderspiele. Bei GC war sie in den Neunzigerjahren als Physiotherapeutin und später als Leiterin der Physiotherapie tätig. In der neuen GC Frauenfussball AG ist sie als Vizepräsidentin des Verwaltungsrates tätig.

Evelyne Wirz Eberle ist am 30. Juni 1963 geboren. Sie spielte von 1978 bis 1997 Fussball, unter anderen bei Rapperswil-Jona, Seebach und Monza. Für die Schweiz bestritt sie 23 Länderspiele. Bei GC war sie in den Neunzigerjahren als Physiotherapeutin und später als Leiterin der Physiotherapie tätig. In der neuen GC Frauenfussball AG ist sie als Vizepräsidentin des Verwaltungsrates tätig.

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Wirz: Wollen wir weiterkommen, brauchen wir eine Plattform. Die Mädchen brauchen Vorbilder und eine Perspektive, dass sie als Fussballspielerinnen Karriere machen können. Als ich Fussball gespielt habe, wussten wir noch nicht einmal, dass es Frauenteams gibt. Inzwischen hat sich der Frauenfussball enorm positiv gewandelt. Aber Länder, die früher nicht besser waren als die Schweiz, legten eine bedeutend schnellere Entwicklung hin, weil mehr investiert und besser gefördert wurde.

Wie muss man die Heim-EM 2025 nutzen?
Wirz:
In zwei Jahren ist kein fundamentaler Entwicklungsschritt möglich. Wichtig wäre, ein Entwicklungskonzept zu definieren, um die Euro 2025 für weitere Schritte nutzen zu können. Momentan muss man in die Spitze investieren, diese breiter machen, damit die Nati möglichst gut abschneidet. Die Resultate der Nati sind entscheidend. Diese schafft Sichtbarkeit. Und dann muss man bereit sein für all die Mädchen, die Fussball spielen wollen.

Dickenmann: Wenn allerdings plötzlich 5000 Mädchen mehr Fussball spielen wollen, dann haben wir ein Problem, denn es gibt keine Plätze und Garderoben.

GC hat doch den Campus.
Dickenmann:
Ja, wir haben es schön im Campus. Aber ausser der 1. Mannschaft der Männer und einigen Trainings der Frauen trainieren alle zu den gleichen Zeiten. Die Plätze sind den ganzen Tag nicht belegt, erst am Abend. Als der Campus gebaut worden ist, gab es noch keinen Frauenfussball.

Warum habt Ihr keine U21?
Dickenmann:
Wir haben U19- und sogar U17-Spielerinnen, die bereits in der 1. Mannschaft sind. Es ist besser, wenn wir Spielerinnen innerhalb der ASWL ausleihen, als wenn diese in einer U21-Meisterschaft spielen.

Wirz: Zuerst müssen die besten zehn Teams mit den besten Spielerinnen gestärkt werden. Wir müssen eine höhere Dichte hinbringen, um das Niveau möglichst hochzuhalten.

Die GC Frauenfussball AG

Die GC Frauenfussball AG wurde in diesem Sommer gegründet. Das Stammkapital beträgt zwei Millionen Franken. Präsident des Verwaltungsrates ist Heinz Spross (75), der frühere GC-Mäzen bei den Männern. Neben Wirz und Dickenmann sitzt auch noch Gerhard Aebi im Verwaltungsrat. Im Nachwuchs der 2009 gegründeten GC-Frauenabteilung trainieren aktuell rund 120 Mädchen in vier eigenen und drei zusätzlichen Partnerteams. Ein erster Meilenstein der neu gegründeten AG ist das neu bezogene Haus in der Nähe des Campus in Niederhasli, das neun Spielerinnen eine eigene Wohnung bietet.

Die GC Frauenfussball AG wurde in diesem Sommer gegründet. Das Stammkapital beträgt zwei Millionen Franken. Präsident des Verwaltungsrates ist Heinz Spross (75), der frühere GC-Mäzen bei den Männern. Neben Wirz und Dickenmann sitzt auch noch Gerhard Aebi im Verwaltungsrat. Im Nachwuchs der 2009 gegründeten GC-Frauenabteilung trainieren aktuell rund 120 Mädchen in vier eigenen und drei zusätzlichen Partnerteams. Ein erster Meilenstein der neu gegründeten AG ist das neu bezogene Haus in der Nähe des Campus in Niederhasli, das neun Spielerinnen eine eigene Wohnung bietet.

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Warum gibt es so wenige Frauen im Fussball?
Dickenmann:
Für die Generation vor mir gab es sehr wenige Möglichkeiten, um auf die Karte Fussball zu setzen. Lange war es eine sehr schöne Nebensache. Ab 25 hast du aber keine Lust mehr, deine ganze Freizeit für den Fussball zu opfern. Die meisten hören dann auf, weil es beruflich keine Option ist. Hinzu kommt, dass man in der Schweiz in der Privatwirtschaft gute Möglichkeiten hat, Karriere zu machen.

Warum sind Sie im Fussball geblieben?
Dickenmann:
Fussball ist meine Kernkompetenz. Ich habe zwar auch studiert, aber ich wollte mir nie etwas komplett anderes aufbauen. Zudem hatte ich mit 35 auch keine Lust, in der Privatwirtschaft ganz unten anzufangen. Im Fussball habe ich mir einen Namen gemacht.

Fühlen sie sich auch unter Druck, den Frauenfussball fördern zu müssen?
Dickemann:
Nicht unter Druck, aber verantwortlich schon. Es ist aber ein spannender Prozess, mit den Leuten, mit denen ich versucht habe, auf dem Platz etwas zu verändern, nun auch neben dem Platz etwas zu verändern.

Das Netzwerk funktioniert, trotz Konkurrenz?
Dickenmann:
Ja, das funktioniert. Ich und Sandra Betschart von YB können das relativ gut trennen. Und auf die eine oder andere warten wir noch. Mit Lia Wälti spreche ich viel, die ist aber noch voll im Fussball drin.

Wie wird sich der Frauenfussball entwickeln?
Wirz:
Ich bin überzeugt, dass dieser eine rasante Entwicklung nehmen und finanziell eine spannende Geschichte wird. Wer jetzt einsteigt, investiert in ein interessantes Produkt. Dass wir aktuell in einer wirtschaftlich eher schwierigen Phase leben, erschwert das Ganze ein wenig, aber es wird kommen. Die Entwicklung wird aber die Dimension, wie sie im Männerfussball herrscht, nicht erreichen.

Wo muss der Frauenfussball mittelfristig hin. Was ist die Vision?
Dickenmann:
Mein Wunsch ist es, dass der Frauenfussball akzeptiert, aber nicht verglichen wird. Ich hoffe, dass er zu einer Plattform wird, die Eventcharakter hat und vielleicht auch von einem anderen Publikum besucht wird. Der Frauenfussball hat auch positive Auswirkungen für die Gesellschaft, was Bewegung und Gesundheit betrifft. Er kann auch Werte vermitteln und bei der Integration helfen. Der Frauenfussball darf nur nicht den Fehler machen, dass man sich durch mehr Geld, das in Umlauf kommt, verderben lässt.

Wirz: Meine Vision wäre, dass in der Gesellschaft der Druck so gross wird, dass Frauen weltweit in jedem Land Fussball spielen können und dürfen. Das wird leider nicht von heute auf morgen möglich sein. Aber wenn wir das schaffen, dann wäre die Welt eine bessere. Und für die Schweiz wünsche ich mir, dass sich andere Klubs ähnlich entwickeln können wie wir bei GC, damit wir in der Schweiz ein höheres Niveau erreichen, was zu mehr und einer besseren Visibilität führen und für Sponsoren interessanter würde.

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