BLICK trifft die England-Legende
Der saubere Auftritt von Skandalnudel Paul Gascoigne

Die schönsten Szenen beim Länderspiel der Schweiz in Leicester: Der englische Nationalheld Paul Gascoigne (51) tanzt und lacht. Dabei sollte er doch längst tot sein.
Publiziert: 13.09.2018 um 01:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 23:06 Uhr
Michael Wegmann aus Leicester

Xherdan Shaqiri und Co. geben Interviews. Wenige Meter daneben, im Bauch des King Power Stadium, tanzt ein älterer Mann in Hemd und Anzug den Tanz aus dem beliebten Video-Game Fortnite. Er tanzt einem kleinen Mädchen zuliebe – ein wenig hüftsteif, aber ganz passabel. Vom englischen Materialwart kriegt er eine Umarmung und ein Shirt. Mit den Stars Harry Kane und Marcus Rashford plaudert und posiert er auf ­Fotos. Coach Gareth Southgate begrüsst ihn wie einen Freund.

Einmal hingeschaut, ein zweites Mal ... Ist das nicht Paul Gascoigne?

Er ist es. Gazza, englischer Dribbelkönig mit Goldfüsschen. Als «Englands letztes Genie» bezeichnet ihn sein ehemaliger Mitspieler Southgate. Andere Spieler mit ihm zu vergleichen, sei absolut unmöglich und unfair.

Schwere Zeiten: Paul Gascoigne schockt die Fussball-Welt immer wieder mit seinen Abstürzen.
Foto: DUKAS / Splash News
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«Three Lions»-Nationaltrainer Gareth Southgate bezeichnet Gascoigne (Mitte, hier 1996 im EM-Spiel gegen die Schweizer Henchoz und Geiger) als «Englands letztes Genie».
Foto: imago

Doch Gazza war nicht nur Genie. Leider ist er auch Wahnsinn. Durchgeknallt. Zu Beginn seiner Karriere fällt er durch derbe Sprüche und Streiche auf. Je länger, desto öfter dann durch totale Abstürze. Vor Spielen habe er manchmal mit etlichen Brandys, Wein und Koks auf Touren kommen müssen, erzählte er vor Jahren. Dass er noch lebt, ist ein Wunder. Mehrmals säuft sich der Alkoholiker fast zu Tode. Hinzu kommen Drogen und Medikamente.

Gazza lässt nichts aus: Häusliche Gewalt. Knast. Skandale. Depressionen. Und immer wieder Abstürze gefolgt von Entziehungskuren. Alles begleitet von der britischen Boulevardpresse. Der WM-Held von 1990 ist schliesslich Allgemeingut in England.

«Er wird wohl bald sterben, es hat keinen Zweck, ihm zu helfen», erzählte sein damals zwölfjähriger Sohn Regan 2009 in der TV-Doku «Saving Gazza» (Gazza retten).

Vor zwei Jahren der Tiefpunkt. Wieder einer. Bilder gehen um die Welt, die den ehemaligen Superstar zeigen, wie er aus einem Taxi steigt. Dabei trägt er nichts als einen Bademantel. Anscheinend auf dem Weg, um Gin, Schmerztabletten und Zigis zu kaufen. Wieder ein Absturz. Viele befürchten, es könnte endgültig der letzte sein.

«Er wird wohl bald sterben», sagte einst Gascoignes Sohn über den Zustand von Gazza.
Foto: Getty Images

In seiner Autobiografie liefert der Mann aus Dunston in Nordostengland Erklärungen. Schon als Elfjähriger sei er innerlich gebrochen, verrät Gazza darin. Damals hätte er auf ­einen achtjährigen Nachbarsjungen aufpassen sollen. Die beiden kickten auf der Strasse. Der kleine Gascoigne schickt den Bub in die Tiefe – und in ein Auto. Der Junge stirbt. Unfassbar. Seit diesem Tag leidet Gascoigne unter massiven Schlafproblemen.

Mittlerweile ist Gazza 51 und lebt noch immer.

Im Stadionbauch lobt er Rashford, Kane und Co., sagt: «Die Jungs haben es gut gemacht, es ist ein gutes Resultat. Es war ein toller Event, ich habe es sehr genossen.» Gazza ist höflich. Denn der Auftritt seiner Nachfolger gegen die Schweiz war kein Genuss. Sein Auftritt – der Auftritt des englischen Nationalhelden – allerdings schon!

Der Alkoholiker ist trocken. Freundlich und gut gelaunt ­posiert er für Selfies. Auch mit BLICK. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet er mit ­einem Lächeln im Gesicht: «Sehr gut, danke.»

Ganz England hofft jetzt, dass es so bleibt. Dass ihr Gazza nicht wieder einen Rückfall erleidet. Denn wie sagte er einst: «Manchmal bin ich gut drauf, und dann wache ich auf, ein Flasche Gin neben mir, und ich denke: Wo kommt die nur her?»

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