«Ginczek rief mir Achtung zu!»
So erlebte Matchwinner Mbabu sein erstes Geisterspiel

Wer ein Bundesligaspiel mit einem magistralen Assist in letzter Sekunde entscheidet wie Kevin Mbabu, für den sind bizarre Umstände sekundär. Rollen wir den ersten Geisterspieltag des Genfers nochmals auf.
Publiziert: 17.05.2020 um 18:55 Uhr
|
Aktualisiert: 17.05.2020 um 21:00 Uhr
Alain Kunz

Eigentlich beginnt der Matchtag am Vortag. Und das früh. Zwischen 6.30 und 7 Uhr morgens heisst es Antraben zum Corona-Test. Die Proben gehen vom Wolfsburger Ritz-Carlton unverzüglich nach Hamburg, wo sie ausgewertet werden. Am Nachmittag liegen die Resultate vor. «Denn sonst dürfen wir nicht ans Spiel fahren», erzählt der Rastaman. Kein Problem: alle negativ. So gehts also in die sechs, sieben Minivan des VfL, welche die Spieler in Corona-Zeiten zum Flughafen Braunschweig bringen. Und alle tragen sie brav den Mundschutz. Auch im Charter. «Der deutlich grösser war als die bisherigen, die wir benutzt haben. Kein Spieler hatte einen Nebenmann.» Dafür war man maskiert. Auch im Flieger…

Dies auch im Hotel, wenn sie nicht auf den Zimmern sind. In der Öffentlichkeit sowieso. Selbst die Ersatzspieler, die aus Abstandsgründen nicht auf der Ersatzbank sitzen dürfen, sondern sich auf der Tribüne verlieren. Das Bild, das da entsteht, ist jedenfalls mehr als skurril. Und was hält Kevin von diesen Dingern, von denen jeder VfL-Profi fünf waschbare Stück mit der Rückennummer neben dem Klublogo erhalten hat? «Ich mag sie natürlich nicht besonders. Aber wer mag sie schon», wirft er hinterher. Und begründet: «Ich habe durch die Maske etwas Mühe mit dem Atmen. Aber es ist eben so.»

Matchtag. «Frühstück. Dann den Kreislauf in einem grossen Raum des Hotels in Augsburg in Schwung bringen. Das muss dort geschehen, weil Spaziergänge untersagt sind», berichtet Kevin. Zum Lunch gibts keine Büffets. Die Mahlzeit wird von den Spielern vorbestellt, die Teller bereitgestellt. «Dann holen wir sie ab und setzen uns zu dritt mit viel Abstand an einen grossen Tisch», so Mbabu. Immerhin: Zum Essen darf die Maske abgenommen werden.

Kevin Mbabu im Duell mit Nati-Kollege Ruben Vargas vom FC Augsburg.
Foto: Tobias Hase/Pool via Getty Images
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Abfahrt ins Stadion. In zwei Teamcars. Abstand… «Wir kamen da relativ knapp im Stadion an, da wir uns so kurz wie möglich dort aufhalten sollen.» Einmarsch des maskierten Trupps aus der VW-Stadt in die WWK-Arena. «In der Garderobe dürfen wir die Masken dann abziehen. Endlich!» Zum Glück steht Mbabu in der Startelf. Denn die Ersatzspieler auf der Tribüne… Eben.

Pass auf, was du sagst

Schiribegrüssung mit dem Fuss. Und los gehts! Anders als gewohnt? Für den Nati-Spieler wars das erste Geisterspiel. «Nur zu Beginn. Die zwei, drei ersten Minuten. Danach war ich in meiner eigenen Welt, wie in einer Blase. Da muss ich mir nicht mal einreden, dass es ganz einfach wie ein Testspiel sei oder wie ein Juniorenmatch von früher.»

Die Intensität der Duelle. Die Taktik. Alles gleich, sagt Mbabu. Und doch gibts markante Unterschiede zur Vor-Corona-Zeit. «Zum einen hört man alles, was gesprochen wird. Nicht erstaunlich, kommt es da zur ersten Polemik.» Er spielt darauf an, dass Schalkes Todibo BVB-Star Haaland mit den Worten «F*** deine Grossmutter» beleidigt hat.

Da müssen die Spieler fortan höllisch aufpassen. Wie auch die Trainer. Dafür werden sie endlich mal gehört, die Armen. «In einem normalen Bundesligaspiel hast du keine Chance zu verstehen, was der Coach ruft, wenn du auf der anderen Seite des Feldes stehst. Und selbst wenn nicht, kann es manchmal schwierig sein. Das und die vereinfachte Kommunikation im Team sind immerhin Vorteile.»

Mbabu wird zum Matchwinner

Und dann ist da die 91. Minute. Fantastischer Rush von Mbabu, Mass-Querpass auf Daniel Ginczek, der einfaches Spiel vor dem Tor hat. 2:1 für die Wölfe. Siegtreffer. Ekstase pur! Oder ähnlich… Als Mbabu auf den Torschützen zurennt, ruft der ihm zu: Achtung, Achtung! «Mein erster spontaner Gedanke war natürlich, an Daniel hochzuspringen», so Mbabu. «Doch da wurde mir gleich gewahr: Ne, geht nicht! Also jubelten wir mit dem Bein und der Faust.» Was ist das für ein Gefühl? «Dass man sich nicht auf natürliche Art und Weise freuen darf, wenn man am liebsten die ganze Welt umarmen möchte, ist schon komisch. Es ist zwar keine Regel. Aber uns wurde Zurückhaltung eindringlich nahegelegt. Und da halten wir uns dran.»

Und wenn man auf der offiziellen Homepage der Bundesliga zum Mann des Spiels gekürt wird, fällt ohnehin alles unendlich leichter.

Lernen wir von den Deutschen

Kommentar von Fussball-Reporter Alain Kunz

Wir haben es doch gut! Wir haben gesehen, wie es die deutschen Pioniere machen. Und wir können vom Bundesliga-Relaunch lernen. Bis zum 19. Juni bleiben noch fünf Wochen.

Und in der ersten Geisterkonferenz hat vor allem etwas tierisch genervt. Nein, es ist mehr. Es ist Schwachsinn. Und zwar behördlich verordneter! Im Schutzkonzept der Deutschen Fussballliga ist das Verbot natürlichen Jubels nicht vorgesehen. «Gemeinsames Jubeln, Abklatschen und Umarmungen sind zu unterlassen.» Das ist später dazugekommen. Quasi im «Verordnungsstatus» als Anhang zum «Gesetz». Weil es doch sehr viele kritische Stimmen aus der Politik zum Bundesliga-Corona-Neustart gab.

Und kuckuck, völlig unüberraschend kommt es zu Vorfällen, die flugs zu Skandalen hochstilisiert werden, als es bei allen drei Hertha-Toren gegen die Hertha Umarmungen und Küsschen gibt. Prompt fordert der sonst den Fussball liebende bayerische Ministerpräsident Markus Söder, Fan des 1. FC Nürnberg, Klammer zu, und Promoter der Bundesliga-Wieraufnahme, dass er das nicht gut finde. «Der Fussball hat eine extreme Vorbildfunktion, deshalb sollte man die Anweisung einhalten.» Die DFL müsse nachbessern.

Aber nicht so, wie Söder das will. Sondern so, wie es Kolumbien-Star Falcao von Galatasaray Istanbul sagt. «Während der Spiele sind wir in ständigem Körperkontakt. Bei einem Eckball hängen die Verteidiger auf dir drauf. Gibt es einen fachlich fundierten Grund dafür, die Umarmungen nach Toren nicht zuzulassen?»

Gibt es nicht. Und deshalb können wir lernen und das in der Schweiz dann anders machen. Natürlich. Normal. Es gibt nicht ein bisschen Fussball. Es gibt nur Fussball. Und da gehört der Jubel dazu. Oder wie es Hertha-Trainer Labbadia auf den Punkt bringt: «Emotionen gehören dazu, sonst brauchen wir das Spiel nicht zu spielen.»

Kommentar von Fussball-Reporter Alain Kunz

Wir haben es doch gut! Wir haben gesehen, wie es die deutschen Pioniere machen. Und wir können vom Bundesliga-Relaunch lernen. Bis zum 19. Juni bleiben noch fünf Wochen.

Und in der ersten Geisterkonferenz hat vor allem etwas tierisch genervt. Nein, es ist mehr. Es ist Schwachsinn. Und zwar behördlich verordneter! Im Schutzkonzept der Deutschen Fussballliga ist das Verbot natürlichen Jubels nicht vorgesehen. «Gemeinsames Jubeln, Abklatschen und Umarmungen sind zu unterlassen.» Das ist später dazugekommen. Quasi im «Verordnungsstatus» als Anhang zum «Gesetz». Weil es doch sehr viele kritische Stimmen aus der Politik zum Bundesliga-Corona-Neustart gab.

Und kuckuck, völlig unüberraschend kommt es zu Vorfällen, die flugs zu Skandalen hochstilisiert werden, als es bei allen drei Hertha-Toren gegen die Hertha Umarmungen und Küsschen gibt. Prompt fordert der sonst den Fussball liebende bayerische Ministerpräsident Markus Söder, Fan des 1. FC Nürnberg, Klammer zu, und Promoter der Bundesliga-Wieraufnahme, dass er das nicht gut finde. «Der Fussball hat eine extreme Vorbildfunktion, deshalb sollte man die Anweisung einhalten.» Die DFL müsse nachbessern.

Aber nicht so, wie Söder das will. Sondern so, wie es Kolumbien-Star Falcao von Galatasaray Istanbul sagt. «Während der Spiele sind wir in ständigem Körperkontakt. Bei einem Eckball hängen die Verteidiger auf dir drauf. Gibt es einen fachlich fundierten Grund dafür, die Umarmungen nach Toren nicht zuzulassen?»

Gibt es nicht. Und deshalb können wir lernen und das in der Schweiz dann anders machen. Natürlich. Normal. Es gibt nicht ein bisschen Fussball. Es gibt nur Fussball. Und da gehört der Jubel dazu. Oder wie es Hertha-Trainer Labbadia auf den Punkt bringt: «Emotionen gehören dazu, sonst brauchen wir das Spiel nicht zu spielen.»

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