Union-Trainer im grossen Interview
Was sagen Sie zu den GC-Gerüchten, Urs Fischer?

Im Sonntags Blick redet Union-Trainer Fischer vor dem wegweisenden Spiel gegen Schalke über den Abstiegskampf, Schutzmasken, Geisterspiele, GC-Gerüchte und Lucien Favre.
Publiziert: 07.06.2020 um 10:17 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2020 um 14:22 Uhr
Interview: Michael Wegmann

Urs Fischer, vor dem Lockdown standen Sie mit der Union auf Platz elf, lagen komfortable acht Punkte vor dem Relegationsplatz. In den vier Partien nach dem Re-Start gabs nur noch ­einen Punkt. Rang 14, nur noch vier Punkte Vorsprung. Die Union ist zurück im Abstiegskampf. Sind Sie nervös?
Urs Fischer: Nervös überhaupt nicht. Ich richte wie immer den ­Fokus auf Dinge, die ich beeinflussen kann. Dass wir als Aufsteiger auch mal Phasen haben, in denen es schwieriger oder harziger läuft, haben wir erwartet. Es stehen noch fünf Spiele an, unser Fokus liegt jetzt auf Schalke.

Auch Schalke lief es zuletzt nicht nach Wunsch. Null Punkte in den vier Partien, letzter Platz in der virtuellen Geisterspiel­tabelle. Da kann man vor dem Anpfiff zur 30. Runde schon von einem wegweisenden Spiel sprechen, oder?
Ich schaue die ganze Spielzeit an, und da ist Union gegen Schalke ein Spiel zwischen dem Vierzehnten und dem Zehnten der Bundesliga. Aber wir haben nur noch weg­weisende Spiele vor uns, also ja. Dennoch wird auch im nächsten Spieltag keine Entscheidung fallen.

Ohne Sieg wird der Druck aber grösser und grösser.
Ja, ein Dreier würde uns natürlich helfen. Aber wissen Sie: Wir haben ab dem ersten Spieltag gesagt, dass es eine Sensation wäre, wenn wir den Ligaerhalt schaffen würden. Und das ist heute nicht anders. Wir tun alles, was wir können, um die Sensation zu schaffen.

Union-Trainer Urs Fischer ist zurück im Abstiegskampf.
Foto: Borussia Moenchengladbach via Getty Images
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Fällt der Heimvorteil in der leeren Alten Försterei eigentlich komplett weg?
Die Resultate sind eindeutig: Der Heimvorteil ist für alle Teams quasi aufgehoben, das ist nicht weg­zudiskutieren. Auch wenn man in der gewohnten Umgebung ist und die Abläufe klar sind. Nun sieht man, dass es keine leere Floskel ist, wenn wir sagen, dass wir für die Fans spielen. Schon eindrücklich, was ein Publikum ausmachen kann. Aber darüber haben wir in den letzten Tagen genug geredet. Die Zuschauer fehlen nun mal, das können wir nicht ändern.

Kann es sein, dass Geisterspiele Ihre Mannschaft besonders hart treffen? Es gibt eine These, dass kampfbetonte Teams stärker benachteiligt seien.
Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Ich mache mir Gedanken, wie wir wieder eine bessere Organisation auf den Platz bringen. Wir lebten von Organi­sation, von unserer Zweikampf- stärke und dem schnellen Umschaltspiel.

Was gibt Ihnen Zuversicht, dass Sie den Ligaerhalt packen?
Wenn wir am Sonntag die meisten Zweikämpfe für uns entscheiden, werden wir Selbstvertrauen gewinnen und den Schalkern die Spielfreude nehmen. Gelingt uns das, und sind wir wieder ein bisschen mutiger auf den letzten ­Metern vor dem gegnerischen Tor, bin ich zuversichtlich, dass wir das Spiel gewinnen.

Haben Sie sich als Trainer schon an Geisterspiele gewöhnt?
Sich an Geisterspiele zu gewöhnen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sich besser mit ihnen abzufinden und besser mit ihnen umzu­gehen, das kann man aber lernen.

Coachen Sie gleich, wie wenn das Stadion voll wäre? Oder halten Sie sich extra mit Kraftausdrücken zurück, weil ja jeder mithören kann?
Wenn das Spiel läuft, denke ich nicht daran, dass mich nun alle vor dem TV hören können. Also coache ich wie immer. Wahrscheinlich bin ich bei Geisterspielen aber sogar noch aktiver als sonst. Denn weil es so ruhig ist im Stadion, kann ich meine Anweisungen übers ganze Spielfeld geben.

Haben Sie als Trainer Schwierigkeiten, das Social Distancing zu wahren?
Auf dem Trainingsgelände und privat halten wir uns an alle ­Richtlinien und Anweisungen. Aber während den Partien ist auch mal ein Schulterklopfen notwendig und auch erlaubt. Das gehört zu ­einer Beziehung zwischen ­Trainer und Spieler einfach dazu. Wir werden laufend getestet und waren alle bisher immer negativ. Das bedeutet, dass wir ja sehr ­vieles richtig machen.

Wie erleichtert waren Sie eigentlich, als einen Tag vor dem Re-Start die Maskenpflicht für Trainer aufgehoben wurde?
Ich war schon ein bisschen erleichtert. Wir sind es nicht gewohnt, während 45 Minuten eine Maske zu tragen. Ohne ist das Coaching doch einfacher. Wäre es aber anders gewesen, hätte ich kein Problem gehabt. Ich habe mich schon auf eine Maske eingestellt.

Macht eine Maske auf der Ersatzbank denn überhaupt Sinn, wenn fünf Meter daneben Fussballer in Zweikämpfe steigen?
Sinn oder Unsinn? Über diese Frage kann man endlos diskutieren. Darauf habe ich aber keine Lust. Da sind Spezialisten am Werk, ich halte mich einfach an die Vor­gaben.

Stört Sie die Maske eigentlich im Privatleben?
Nein, sie schränkt mich nicht gross ein. Sie ist nur ungewohnt. Ich als Brillenträger habe gelernt, dass ich die Maske am besten weit nach oben ziehe, Brille drüber, fertig.

Tragen Sie sie auch beim Coiffeur?
Natürlich.

Franz Beckenbauer verriet einst sein Erfolgsrezept «flach spielen, hoch gewinnen». Für Ihre Eisernen wäre «hoch spielen» sicher erfolgversprechender. Wussten Sie, dass Ihre Spieler mit im Schnitt 187,4 Zentimeter die grössten in ganz Europa sind?
Nein. Das habe ich nicht gewusst.

Interessiert es Sie überhaupt?
Klar, warum nicht? Wir haben zuletzt bei stehenden Bällen unsere Stärke nicht mehr so ausspielen können. Vor dem Lockdown konnten wir oft mit einem stehenden Ball in Führung gehen. Natürlich interessiert mich die Körpergrösse.

Laut derselben statistischen Erhebung ist Ihr ­Mittelstürmer Sebastian Andersson das absolute Kopfballmonster der Liga. Der Schwede hat bereits 210 Luftduelle gewonnen. Das sind mehr als doppelt so viel wie die 102 des Zweitplatzierten Weghorst von Wolfsburg.
Das ist eine super Quote. Auf seine Kopfballstärke und Tor­gefahr zählen wir.

Zurück zu Ihnen. In der Schweiz hält sich hartnäckig das Gerücht, dass GC Sie verpflichten will und dass Sie einer Rückkehr nach Zürich nicht abgeneigt sein sollen?
Okay. Und jetzt? Was wollen Sie hören? Es ist eben ein Gerücht.

Sie wollen es nicht kommentieren?
Doch, das tu ich doch. Es ist ein Gerücht.

Anders gefragt: Gefällt es ­Ihnen noch in Berlin?
Ja, ich fühle mich sehr wohl hier.

In der Schweiz gehts am 19. Juni mit der Meisterschaft weiter. Haben Sie für Ihre Schweizer Trainer- kollegen noch ein, zwei Tipps für Geisterspiele?
Ich habe erst drei Geisterspiele absolviert. Das ist zu wenig ­Erfahrung, um Tipps geben zu können. Doch vielleicht einen habe ich: Ihr werdet euch nicht ­daran gewöhnen, versucht es erst gar nicht!

St. Gallen startet als Leader, punktgleich mit YB und fünf Punkten ­Vorsprung auf den FCB. Auf wen würden Sie als Geistermeister setzen und weshalb?

Die Super League ist so ausgeglichen wie lange nicht mehr. Jeder kann jeden schlagen. Es sind noch 13 Runden und ­alles englische Wochen. Das ist eine andere Be­lastung. Wer hat mehr ­Verletzte? Wer hat mehr Gesperrte? Bei diesen drei Teams ist das Rennen offen. Ich würde den FC Basel ­sicher nicht abschreiben.

Was sagen Sie eigentlich zur steten Kritik an Ihrem Kollegen Lucien Favre? Jetzt wird schon über seine mög­lichen Nachfolger als Dortmund-Trainer spekuliert, ­dabei hat er noch ­Vertrag.
Das ist Teil des Geschäfts. Lucien kann damit gut umgehen, glauben Sie mir.

Urs Fischer persönlich

Urs Fischer ist verheiratet mit Sandra und hat mit Riana und Chiara zwei Töchter. Die eine hat sich dem Reitsport verschrieben, die andere spielt Fussball wie ihr Papa. Der heuert im Alter von sieben Jahren beim FCZ an, wird dort zum Stammspieler, geht nach St. Gallen, kommt zurück, absolviert insgesamt 534 (!) NLA-Spiele. Nur Xamax-Legende Philippe Perret hat mehr (540). Vor 20 Jahren holt Fischer mit dem FCZ den Cupsieg, als Trainer gewinnt er mit Basel das Double.

Urs Fischer ist verheiratet mit Sandra und hat mit Riana und Chiara zwei Töchter. Die eine hat sich dem Reitsport verschrieben, die andere spielt Fussball wie ihr Papa. Der heuert im Alter von sieben Jahren beim FCZ an, wird dort zum Stammspieler, geht nach St. Gallen, kommt zurück, absolviert insgesamt 534 (!) NLA-Spiele. Nur Xamax-Legende Philippe Perret hat mehr (540). Vor 20 Jahren holt Fischer mit dem FCZ den Cupsieg, als Trainer gewinnt er mit Basel das Double.

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