Nach dem Tod von Luis Enriques Töchterchen Xana (†9)
Nachfolger Moreno ist bereit, für ihn abzutreten

Luis Enrique war der grosse Hoffnungsträger der spanischen Nationalmannschaft. Bis seine Tochter an Krebs erkrankte. Nach dem Tod von Xana (+9) ist Nachfolger Roberto Moreno bereit, seinen Platz zu räumen.
Publiziert: 11.09.2019 um 10:45 Uhr
Papas Stolz: Xana, die Tochter von Barça-Legende Luis Enrique, verliert den Kampf gegen den Krebs.
Foto: AFP
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Alain Kunz

Als Luis Enrique (49) Spaniens Nationalmannschaft Ende März 2019 zum ersten Mal in einem EM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen coacht, ist alles, was zählt, das Kader, die Aufstellung, die Tore, der 2:1-Sieg. Alles ist in Ordnung bei der «Furia Roja».

Dass man die Nations-League-Finals verpasst hat, ist verschmerzbar. Enrique, der Barcelona 2015 zum letzten Champions-League-Titel (sowie jenem als Meister und Cupsieger) geführt hat, ist der grosse Hoffnungsträger, Spanien zu alter Grösse zurückzuführen. Er tritt sein Amt nach der schwachen WM 2018 an und soll nach den Wirren um Lopetegui und Hierro wieder Ruhe in den Laden bringen.

Doch zwei Tage später, als sich die Mannschaft auf Malta auf das zweite Quali-Spiel vorbereitet, bricht Enriques Welt zusammen. Der Seleccionador erhält einen Anruf aus seiner Heimat mit einer Diagnose, die jeden Menschen aus der Bahn wirft. Bei seinem neunjährigen Töchterchen Xana ist eine seltene, aber aggressive Krebsart diagnostiziert worden: Osteosarkom, ein bösartiger Knochentumor. Weil diese Krebsart frühzeitig Metastasen in der Lunge bildet, kann die Prognose mitunter schlecht sein.

Einzig: Die Öffentlichkeit hat davon keine Ahnung. «Aus dringenden privaten Gründen» sei Enrique abgereist, heisst es von Verbandsseite nur, als der Cheftrainer plötzlich nicht mehr da ist. Sein Assistent Robert Moreno (41), der einst Wachmann an einer Tankstelle war, aber nie Profifussballer und Cheftrainer, übernimmt. Klar: Man hofft auf einen guten Ausgang des Kampfes gegen den Krebs beim Kind, das der ganze Stolz des Papas war. Er nahm Xana mit auf Ehrenrunden, schwang mit ihr die Barcelona-Flagge, setzte sie auf den Champions-League-Pokal oder einfach auf seine Schultern. Und jetzt liegt das Mädchen in einem Spital in Barcelona und kämpft einen Kampf, der die Vorstellungskraft von Eltern bei weitem übersteigt.

Doch auch im Juni hofft man in der Familie Martinez Cullell auf einen positiven Ausgang. Spaniens Sportdirektor José Francisco Molina teilt mit, dass der Verband keinen Wechsel erwogen habe: «Für uns gab es niemals Zweifel, und wir hoffen, dass wir lange Zeit auf den Trainer zählen können.»

Doch auch im Juni fehlt Enrique in den Spielen gegen Schweden und die Färöer. Die Öffentlichkeit ahnt nach wie vor nichts von der un­ermesslichen Tragödie, die sich anbahnt. Am 19. Juni tritt Enrique dann vollständig zurück. Auch hier heisst es lapidar: aus privaten Gründen. Moreno beerbt ihn und sagt als Erstes: «Das ist ein bittersüsser Tag, mehr bitter als süss. Ich habe immer davon geträumt, Spanien-Trainer zu sein, aber nicht so.»

Derweil es um Enrique ruhig wird. Bis zum 29. August. Das ist der Tag, an welchem die Öffentlichkeit erfährt, weshalb Enrique zurücktrat. Die Nachricht ist niederschmetternd: «Unsere Tochter Xana ist diesen Nachmittag im Alter von neun Jahren nach einem fünfmonatigen intensiven Kampf gegen Osteosarkom verstorben. (…) Wir werden dich enorm vermissen, aber jeden Tag in unserem Leben an dich denken, in der Hoffnung, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Du wirst der Stern sein, der unsere Familie lenkt.»

«Luis ist mein Freund»

Die Fussballwelt ist geschockt. Jeder nimmt Anteil am Schicksal von Enrique, von Rafa Nadal, Sergio Ramos über Leo Messi. Doch wie das so ist: Der Planet Fussball dreht sich weiter. Und Spanien siegt ein paar Tage später auch unter Moreno, dem ersten katalanischen Cheftrainer der Furia Roja seit 50 Jahren.

Doch bevor er die Elf zum 2:1-Sieg in Rumänien coacht, rührt er das Land zu Tränen, als er anbietet, seinen Posten zugunsten von Enrique sofort wieder zu räumen: «Wenn Luis eines Tages zurückkommen will, würde ich erfreut zur Seite treten. Er ist mein Freund, und Freundschaft kommt vor allem.»

Widerwärtig hingegen die Reaktion der rumänischen Fans, welche die Schweigeminute vor dem Spiel nicht respektierten und buhten und sangen wie zuvor. Der Planet Fussball mag sich weiter­drehen. Aber immer öfter geschehen auf ihm Dinge, die einen schlicht fassungslos zurücklassen.

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