Xhaka wird von eigenen Fans ausgepfiffen
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Provokante Geste des Captains:Xhaka wird von eigenen Fans ausgepfiffen

Exklusiv! Jetzt spricht Xhaka
«Ich fühlte Schmerz und Frust»

Granit Xhaka (27) wurde ausgebuht, als Captain abgesetzt und als Mensch attackiert. Im SonntagsBlick gibt der Arsenal-Star nun exklusiv sein erstes Interview und sagt: «Was hier passiert ist, geht weit über das normale Mass hinaus und ist durch nichts gerechtfertigt.»
Publiziert: 10.11.2019 um 00:18 Uhr
|
Aktualisiert: 11.11.2019 um 12:33 Uhr
Andreas Böni, London

Es ist eine dunkle Nacht in London, und Granit Xhaka (27) hat seine Kappe tief ins Gesicht gezogen. Er trägt bequeme Mode und nichts deutet auf die schweren Tage hin, die er hinter sich hat. Er lacht, er scherzt, er ist gut drauf – wie auch Papa Ragip, der ihn begleitet. Wie Frau Eli ist er in London zu Gast, weil Xhakas Gattin Leonita vor knapp fünf Wochen der Familie Töchterchen Ayana schenkte.

Doch das private Hoch ist nur die eine Seite. Natürlich ist Xhaka auch verletzt. Tief getroffen. Weil er erst beschimpft, dann von den Fans ausgebuht und nach seiner Reaktion darauf als Captain abgesetzt wurde.

Doch nun steht die Nationalmannschaft vor der Tür, die Spiele gegen Georgien und in Gibraltar, um die fast sichere EM-Qualifikation festzuzurren. Die Nati, sie ist Xhakas Hafen. Dort ist er unumstrittener Führungsspieler, Vize-Captain, wird als Mensch geschätzt.

Der 27. Oktober stellt ein einschneidender Tag in der Karriere des Granit Xhaka dar.
Foto: imago images/Sportimage
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Vor dem Abflug in die Schweiz entschliesst sich Xhaka, im SonntagsBlick sein erstes Interview nach dem Eklat zu geben.

*********

Granit Xhaka, wie geht es Ihnen nach diesen verrückten Tagen?
Granit Xhaka: Man kann wohl sagen, dass alles sehr turbulent war. Vor allem die letzte Woche war für mich eine sehr spezielle emotionale Erfahrung. Mir geht es aber wieder sehr gut, ich habe diese Woche gut trainiert und freue mich auf die nächsten Einsätze. Im Klub und natürlich auch in der Nati.

Lassen Sie uns chronologisch anfangen. Beim 2:2 gegen Crystal Palace vor zwei Wochen wurden Sie bei Ihrer Auswechslung ausgebuht. Können Sie beschreiben, was Sie auf dem Feld empfanden?
Als meine Rückennummer auf der Tafel des vierten Offiziellen aufleuchtete und daraufhin hämischer Jubel der eigenen Fans losbrach, hat mich das sehr getroffen und aufgewühlt. Es war sehr schmerzhaft und frustrierend. Für mich ist diese Reaktion noch heute nicht nachvollziehbar, vor allem in dieser Vehemenz und wie extrem ich hier angefeindet wurde.

Sind das richtige Fans, die auf eigene Spieler losgehen?
Seit ich denken kann, sind für mich die Fans ein fester Teil meines Sportes. Und ich hege von Beginn an grossen Respekt gegenüber dem Engagement und den Entbehrungen, die die Fans auf sich nehmen, um uns Spieler zu unterstützen. Berechtigte Kritik von ihnen lässt dich als Sportler wachsen. Und die Power und die Energie, welche sie auf das Spiel übertragen, lässt jeden Sportler den Fussball noch mehr lieben. Ich fühle mich dann als Teil einer grossen Fussball-Familie. Wenn man aber dann in Zeiten, wo man schon bereits massiv angefeindet wird, von eben dieser Fussball-Familie beschimpft wird, schmerzt das sehr. Damit meine ich nicht, dass ich keine Kritik aushalte. Wenn ich und das Team nicht gut spielen, müssen wir uns das auch anhören und an uns arbeiten. Aber wenn man den eigenen Kapitän beleidigt und beschimpft, bringt man Unruhe und schlechte Stimmung in das Team, das man eigentlich unterstützt. Das macht für mich keinen Sinn und schwächt den Zusammenhalt.

Nach der Partie sollen Spieler zu Ihnen nach Hause gekommen sein, um Sie zu trösten. Stimmt das?
Ja, es haben mich einige meiner Mannschaftskollegen besucht, das ist richtig, und das fand ich grossartig. Sie haben mich positiv motiviert, mich nicht unterkriegen zu lassen und vor allem aufgezeigt, wie viele Arsenal-Fans weltweit die Reaktion der Fans im Stadion auch nicht gut fanden und verurteilt haben.

Sie veröffentlichten ein Communiqué nach dem Vorfall. Dort schrieben Sie, dass Sie übel beschimpft wurden. «Deine Tochter soll Krebs bekommen», war eine der bösen Sätze auf Social Media.
Ja, das trifft zu und das sind nur einige Beispiele für das, was hier alles über mich und auch meine Familie ausgeschüttet wurde. Aber mal ehrlich, wir reden hier über Fussball und ein Kapitänsamt. Ich weiss, das bedeutet für viele hier in London die Welt. Und auch ich stehe, seit ich hier bin, zu hundert Prozent hinter dem Klub und meiner Rolle als Spieler hier. Ich bin stolz darauf, für diesen grossen Verein spielen zu dürfen. Das habe ich nicht nur einmal gesagt, was dies für mich bedeutet. Aber trotzdem sind wir jetzt an einem Punkt, wo ich klar sagen muss, dass man mal inne halten und überprüfen sollte, ob das nicht komplett aus dem Ruder läuft. Ich habe im meinen Leben immer die Werte Fairplay, Respekt und Loyalität vertreten. Was ich hier erfahren musste, hat nichts damit zu tun, das überschreitet jedes normale Mass.

Sie sprechen von Social Media. Was sagen die Beschimpfungen gegen Sie über die heutige Gesellschaft aus?
Was einmal als «Schwarzes Brett» für Freunde begann, wird heute mehr und mehr zum Forum für Leute, die andere beleidigen wollen. Ohne Konsequenzen darf man nun gegen Privatpersonen oder Personen in der Öffentlichkeit wie Musik, Schauspieler oder auch Sportler hetzen, wenn einem eine Meinung, eine Leistung nicht passt. Spielregeln des Anstands und des Respekts sind hier offensichtlich für viele nicht mehr gültig!

Was für Menschen sind das, die andere böse und mutwillig beschimpfen?
Es tut mir leid, aber damit möchte ich mich gar nicht beschäftigen.

Was bringt Social Media einem Sportler?
Für mich bieten meine Plattformen die Chance, meine Fans an meiner sportlichen Karriere und im Rahmen an meinem Privatleben teilhaben zu lassen, mir im wahrsten Sinne «zu folgen». Was früher die Fanpost war, ermöglicht heute Instagram und Co viel aktueller und lebensnaher. Das finde ich klasse. Doch diese Chance ist auch ein zweischneidiges Schwert, wie ich es nun erfahren habe. Es gibt ja wirklich Leute, die sich zum Hobby machen, täglich Leute zu beleidigen. Das geht sogar soweit, dass man für Leistungen kritisiert wird, die man gar nicht gebracht hat. Da beschimpfen mich Leute wegen meiner Spielweise am letzten Wochenende, wo ich gar nicht auf dem Feld stand. Das ist doch irre!

Sie gaben weitere Beschimpfungen preis, zum Beispiel, dass man Ihrer Frau den Tod wünschte. Wie waren die Reaktionen auf Ihre ehrlichen Worte in Ihrer Mitteilung?
Ich habe sehr viel positives Feedback bekommen, vor allem auch aus der Sportler-Szene, sei es von Spielern oder auch Trainern. Und auch von vielen Arsenal-Fans aus der ganzen Welt. Das zeigt mir, dass ich hier einen wichtigen Punkt angesprochen habe und es die richtige Entscheidung war, auch meine Emotionen zu zeigen. Das hat die Fussball-Familie gut aufgenommen und verstanden. Das freut mich sehr.

Als Sie 2011 in der Nati debütierten, gab es noch kein Social Media. War das als Spieler einfacher für Sie?Was heisst einfacher? Auch vor 8 Jahren gab es schon heftige Kritik der Fans und der Medien. Was sich aber durch Social Media verändert hat, sind solche Phänomene wie «Shitstorms», die einen von einer Minute auf die andere überrollen können. Neu ist auch der Mantel der Anonymität, mit dem man auf Spieler eindreschen kann, ohne Konsequenzen zu befürchten. Und neu ist vor allem, dass auf den Social-Plattformen bestimmte Stimmungen, Statements oft einfach unkritisch übernommen und gar nicht mehr geprüft oder hinterfragt werden. Das ist oft schon extrem. Ich bin da «old school», mag den persönlichen Umgang und nehme mir oft viel Zeit für unsere Fans, wenn sie ein Selfie oder Autogramm haben wollen.

Was sagen Sie Menschen, wenn diese meinen: Bei elf Millionen Franken Jahres-Gehalt muss man das einfach abkönnen?
Für mich hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Und es ist kein Freibrief für Beleidigungen. Respekt und Anstand gegenüber dem Mitmenschen und der richtige Umgang mit Kritik sollte unabhängig von Status oder Einkommen gelebt werden. Ich bin mir meiner Verantwortung als Teil einer Mannschaft gegenüber dem Verein und den Fans immer bewusst gewesen und behandle die Fans in London jederzeit höflich und nehme mir Zeit für sie. Da wird es keine andere Meinung geben und so lebe ich das, seitdem ich in der Öffentlichkeit stehe. Und wenn konstruktive Kritik oder auch einmal heftigere Sprüche kommen, versuche ich dieser ruhig und sachlich zu begegnen. Wie gesagt: Wenn wir schlechte Leistungen bringen, muss man das aushalten. Das kenne ich aus Basel und auch aus Mönchengladbach nur zu gut. Aber was hier passiert ist geht weit über das normale Mass hinaus und ist durch nichts gerechtfertigt.

Sie haben in den letzten 18 Monaten eigentlich gut gespielt. Fühlen Sie sich in England als Fussballer richtig beurteilt?
Ehrlich gesagt, sehe ich das nicht als meine Aufgabe, das zu kommentieren. Ich bin da wirklich selber mein stärkster Kritiker und wie andere meine Leistung beurteilen, einordnen oder einschätzen ist ja oft subjektiv und jeder sieht Fussball anders. Das ist auch hier in England nicht anders und da steht jedem seine Meinung zu.

Wenn Sie es im Rückblick betrachten: Wie sehen Sie Ihre Zeit bei Arsenal?
Für mich fällt der Rückblick bis lang sehr positiv aus. Nach einem etwas schwierigen Start, habe ich sehr viel gespielt und insgesamt eine super Zeit bei Arsenal gehabt. Auch in der Stadt London fühlen meine Familie und ich uns sehr wohl. Daran ändert auch das Geschehen der letzten Woche gar nichts. Ich werde weiter positiv bleiben, mich noch mehr reinhängen und beweisen, dass ich ein wichtiger Bestandteil dieses tollen Teams bin.

Die Nati kommt jetzt gerade richtig, um den Kopf zu lüften.
Ehrlich gesagt kommt die Nati für mich immer recht (lacht). Ich liebe es, für die Schweiz auf dem Platz zu stehen und fiebere den beiden kommenden Quali-Spielen schon entgegen.

Die zwei Siege gegen Georgien und Gibraltar sind Formsache, oder?
Formsache gibt es im Fussball nicht, dafür gibt es zu viele Beispiele, dass so etwas nach hinten los gehen kann. Uns ist bewusst, dass wir mit den beiden Spielen den Sack für die Euro-Quali zumachen können und so werden wir auch auftreten. Dominant, selber das Spiel machen und unsere Offensivpower ausspielen. Dann bin ich überzeugt, dass wir zweimal als Sieger vom Platz gehen werden.

Eine grosse Geste war, als Sie beim Jubeln nach dem Spiel gegen Irland (2:0) dem ausgewechselten Stephan Lichtsteiner die Captain-Binde anzogen. Kam diese Aktion spontan zustande?
So etwas plant man nicht, das kommt von Herzen. Ich habe grossen Respekt vor dem grossen Spieler Stephan Lichtsteiner und das wollte ich mit der Geste ausdrücken.

Wie würden Sie die EM-Qualifikation bisher einordnen?
Ich denke, wir hatten keine leichte Qualifikations-Runde bisher. Wir haben oft wirklich gut gespielt und waren das bessere Team, haben uns dann aber nicht belohnt oder auch Pech gehabt. Trotzdem haben wir uns es nun selbst in der Hand, uns zu qualifizieren und das werden wir auch tun.

An der EM 2020 kann es nur ein Ziel geben: Den Viertelfinal, oder?
Wir haben eine super Truppe zusammen und wir werden antreten, um im Turnier so weit wie möglich zu kommen. Der Viertelfinal wäre da aus meiner Sicht schon das erste Etappenziel, danach ist dann alles möglich.

Wie oft denken Sie noch: An der WM 2014, der EM 2016 und der WM 2018 hätten wir gegen Argentinien, Polen und Schweden doch nie verlieren dürfen.
Sicherlich waren alle drei Spiele für unser Team schmerzhafte Erfahrungen und wir sind leider aus unterschiedlichsten Gründen nicht weiter gekommen. Aber für mich ist immer wichtig: Was nehme ich aus diesen Erfahrungen mit, wie kann ich daran besser werden? Ich bin kein Mensch, der lange Chancen nachtrauert, ich suche die Herausforderungen in der Zukunft!

Also haben Sie auch mit Arsenal noch nicht abgeschlossen?
Gehen Sie davon aus, dass ich weiterkämpfe und mich in jedem Training anbiete. Für mich ist die letzte Woche abgehakt und ich bin bereit.

Hier gehts zum Xhaka-Interview in englischer Sprache.

Der Fall Xhaka

Es passiert am 27. Oktober beim Spiel gegen Crystal Palace (2:2): Erst bejubeln die Arsenal-Fans die Auswechslung ihres Captains Granit Xhaka (27), dann pfeifen sie ihn aus. Von Emotionen getrieben spornt er die Leute an, noch lauter zubuhen, hält sich provokativ die Hand ans Ohr, schüttelt immer wieder den Kopf. Schliesslich reisst er sich das Trikot vom Leib. Englische Medien wollen gar ein «Verpisst euch!» von Xhakas Lippen gelesen haben. Seither hat Xhaka nicht mehr für Arsenal gespielt und wurde als Captain abgesetzt.

Es passiert am 27. Oktober beim Spiel gegen Crystal Palace (2:2): Erst bejubeln die Arsenal-Fans die Auswechslung ihres Captains Granit Xhaka (27), dann pfeifen sie ihn aus. Von Emotionen getrieben spornt er die Leute an, noch lauter zubuhen, hält sich provokativ die Hand ans Ohr, schüttelt immer wieder den Kopf. Schliesslich reisst er sich das Trikot vom Leib. Englische Medien wollen gar ein «Verpisst euch!» von Xhakas Lippen gelesen haben. Seither hat Xhaka nicht mehr für Arsenal gespielt und wurde als Captain abgesetzt.

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