Nati-Captain Lichtsteiner nach Zoff mit Juve
«Ich bin stolz, wie wir die Probleme gelöst haben»

Intern flogen die Fetzen, dann kippte ihn Juve aus dem Champions-League-Kader. Stephan Lichtsteiner (33) sagt, wie er sich zurückkämpfte.
Publiziert: 30.04.2017 um 19:02 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:48 Uhr
Stephan Lichtsteiner ist wieder happy in Turin.
Foto: TOTO MARTI
1/6
Andreas Böni aus Turin

Juventus Center in Vinovo, 17 Kilometer ausserhalb von Turin. Eisentore und Gitter versperren Zugang und Sicht auf die Trainingsplätze und Garderoben, unzählige Kameras nehmen jede Bewegung war, mehrere Sicherheitsleute überwachen das Trainingsgelände rund um die Uhr.

Der italienische Rekordmeister (32 Meistertitel) kennt seine Macht und Stellung. Und spielt diese auch aus: Fotografieren darf nur die Agentur des Klubs. Und beim Thema Pünktlichkeit darf man in Italiens Norden keine schweizerischen Massstäbe anwenden.

Der Termin mit Stephan Lichtsteiner ist auf 12.30 Uhr terminiert. Aufs Gelände dürfen wir um 13.07 Uhr, nach einer Stunde Warten vor dem Eisentor. Die Presse-Verantwortliche ist nett und zuvorkommend. «Sandwiches mit Bresaola und Tomaten-Mozzarella, bedienen Sie sich.» Und weiter: «Maximal eine halbe Stunde, dann kommt Stephan.»

In dieser Zeit kommen zwar der deutsche Weltmeister Sami Khedira (für das deutsche Fernsehen) und ein zuzwinkernder Gigi Buffon («ciao, ciao»). Nati-Captain Lichtsteiner (33) taucht mit eineinhalb Stunden Verspätung auf – nicht von ihm verschuldet. Wie immer spricht der Rechtsverteidiger Klartext.

BLICK: Haben Sie gut gegessen?
Stephan Lichtsteiner: Ja, sehr. Die Qualität ist top hier. Es gibt Fleisch, Fisch, Gemüse – alles ohne Fett. Profi-gerecht halt.

Was dachten Sie im Sommer, als Juventus Dani Alves verpflichtete?
Er kam von Barcelona, da weisst du, dass es schwierig wird. Aber es sind viele andere Sachen passiert, es gab Probleme, aber nie wegen Dani.

Was ist denn passiert?
Es ist eine Geschichte, die ich immer für mich behalten habe und nur meine engsten Kollegen und meine Familie wissen.

Bekannt ist, dass Chelsea mit Ihrem Ex-Trainer Antonio Conte Sie unbedingt wollte – und Juve den Transfer blockierte ...
... ich rede nicht mehr über die Vergangenheit.

Und auch Paris SG hinterlegte ein Angebot.
Nur so viel: Es ging mit Juve im weitesten Sinne um eine Meinungsverschiedenheit.

Und in den letzten Tagen des Transfer-Fensters liess man Sie nicht zu Inter Mailand wechseln, weil Juve keine Spieler innerhalb Italiens gehen lässt.
Wie gesagt, es sind viele Sachen passiert und ich will sie nicht nach aussen tragen.

Dass Sie erst nicht für die Champions League nominiert wurden, war ein Hammerschlag für Sie.
Es war absehbar, nach dem, was passiert war. Und in der Champions League hatten wir ja auch eine Gruppe, wo man das zulassen konnte. Wichtig war, dass Juve und ich uns an einen Tisch gesetzt und alle Probleme gelöst haben. Ich bin stolz, wie wir es ausgetragen haben. Ich sagte: Ich habe hier Vertrag, werde gut bezahlt, liebe den Verein und gebe jetzt alles. Und dann bin ich stärker zurückgekommen. Ich liess die anderen reden und gab meine Antwort auf dem Platz, das ist mir einmal mehr hervorragend gelungen. Darauf bin ich stolz.

19 Spiele von Anfang an in der Serie A sind eine gute Quote.
Es ist herausragend, wie es läuft. Ich will diesen Moment geniessen, du weisst nie, wie lange es noch geht. Wir spielen um den Meistertitel, stehen im Cup-Final und haben Chancen auf das Champions-League-Endspiel. Wenn wir die Königsklasse gewinnen, dann wären wir unsterblich in diesem Verein.

Aber eben: In den wichtigen Spielen gegen Barcelona zuletzt sassen Sie auf der Bank. Da spielte Dani Alves. Tut das weh?
Natürlich war es vor zwei Jahren schön, in allen 13 Spielen bis und mit Champions-League-Final in der Startaufstellung zu stehen. Aber ich trage meinen Teil dazu bei, habe im Champions-League-Achtelfinal gegen Porto das wichtige Spiel gemacht – wie auch in der Meisterschaft, als ich gegen AS Roma und Napoli in der Startelf stand. Dani und ich bekämpfen uns nicht, geben aber auf dem Trainingsplatz alles. Der Trainer liebt den Konkurrenzkampf zwischen zwei grossen Spielern.

Nun läuft Ihr Vertrag bis 2018. Bleiben Sie im Sommer?
Ich fühle mich wieder sehr wohl. Ich habe gelernt, nicht mehr länger als zwei Wochen hinaus zu denken. Und meine Familie ist hier zu Hause, die Kinder gehen zur Schule in Turin. Da müsste schon etwas sehr Spezielles kommen, dass du das hier aufgibst.

Ein China-Wechsel wäre es nicht?
Ich gehe definitiv nie nach China. Ich renne nicht dem Geld hinterher und brauche auch neben dem Platz Lebensqualität. Meine Frau und meine Kinder müssen sich wohl fühlen, das wäre in China nicht der Fall. Und mehr Geld brauche ich nicht, ich habe genug, um ein gutes Leben zu haben. Für mich wäre eher Amerika ein Thema, das wäre eine neue Erfahrung.

Schweiz ist eher kein Thema?
Erst nach der Karriere, nicht mehr als Spieler. Ein Traum von mir in letzter Zeit ist es, GC als Sportchef oder Trainer wieder gross zu machen. Den Klub wieder dahin zu bringen, wo er war.

Ernsthaft?
Ja, seit vier, fünf Monaten habe ich das im Kopf. Mir blutet das Herz, wenn ich GC heute betrachte. Bei Juve gibt es einen Funktionär – seinen Namen behalte ich noch für mich –, der den gleichen Traum hat wie ich. Ich kann nicht zuschauen, was bei GC seit Jahren abläuft. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir noch den Meistertitel gefeiert und jetzt haben sie alles verloren und sind weit, weit weg vom FC Basel. Das macht einem weh.

Als Spieler wäre es kein Thema?
Nein. Die Anforderungen wären zu extrem. Ich kenne mich: Wäre ich nicht in einem professionellen Umfeld mit Spielern, die alle gewinnen wollen, würde ich verrückt werden.

Verstehen Sie die GC-Strukturen?
Ich bin zu lange weg. Aber man bräuchte mal jemanden, der 6, 7, 8 Jahre eine Linie hätte. Im Moment verstehst dus nicht, was man will. Gut ist, dass man Ex-Spieler wie Smiljanic oder Vogel einbaut. Aber eben, es ist erst eine Anfangs-Idee von mir. Nur glaube ich, dass es dem Verein gut tun würde, wenn mal ein paar neue Leute reinkommen würden. Mit einer Struktur, mit einer Idee über 10 Jahre, wie man wieder an den FC Basel rankommt.

Gut wäre ein neues Stadion statt des fürchterlichen Letzigrunds.
Das wäre das Wichtigste. Aber so schlimm ist der Letzigrund nicht. Hier in Italien wäre dieses Stadion ein Traum – aber mein erstes Ziel ist nun der sechste Scudetto in Serie. Das hat noch kein einziger ausländischer Profi in Italien geschafft. Wenn man diese sechs Jahre bei Juve anschaut, dann erfüllt mich das mit Stolz. Was die Mannschaft macht, was ich persönlich als Teil dieser Mannschaft und dieses Vereins mache. Es ist unbeschreiblich, wie ich mich fühle. Auch mit meiner Offensiv-Bilanz (Anm. d. Redaktion: Mit 15 Toren und 30 Vorlagen aus dem Spiel heraus) kann ich zufrieden sein.

Wie fühlen Sie sich körperlich?
Es gibt kein Spiel mit Juventus, in dem du vom Platz gehst und sagst, ich könnte es nochmals spielen.
Gegen uns geben alle Vollgas, geben 50 Prozent mehr. Ich bin aber immer noch auf einem hervorragenden
Level, solange ich mich so fühle, mache ich bestimmt weiter.

Heisst: Sind Sie nach der WM 2018 körperlich in dieser Verfassung, treten Sie auch nicht mit 34 aus der Nati zurück?
Ja, wenn es mir so geht wie heute, mache ich weiter. Aber ich würde sicher noch mit dem Trainer reden, ob er einen Umbruch plant in Richtung EM-Quali. Die ist ja viel einfacher als eine WM-Quali. Wenn er dann auf jüngere Spieler setzen will, bin ich nicht im Weg.

Valon Behrami hört sicher auf. Angenommen, Sie tun es auch: Wer wäre der richtige Captain?
Ich würde Granit Xhaka und einen Torhüter vorschlagen. Egal, welcher dass spielt – ob Yann Sommer, Roman Bürki oder Marwin Hitz. Ich fände es sogar gut, wenn man in jedem Spiel abwechselt und nicht nur einen, sondern vielleicht sogar drei, vier Captains hat. Auf dem Platz ist der Captain unwichtig und daneben geht es vielen auch nur ums Ego. Aber egal, jetzt zählt erst die direkte WM-Qualifikation.

Am 9. Juni gehts auf die Färöer.
Auf Kunstrasen. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Und gegen Lettland hat man schon gemerkt, dass einige Stammspieler lange nicht mehr gespielt haben. Normalerweise hauen wir so eine Mannschaft 4:0, 5:0 weg. Aber wir geben uns alle gegenseitig Halt. Dieses Team ist absolut intakt.

Hatten Sie nach dem Bus-Anschlag von Dortmund Kontakt mit Roman Bürki?
Ich habe ihm geschrieben. Es ist eine Frechheit, dass sie am nächsten Tag spielen mussten. Das ist nicht okay, da wurde nicht an die Menschen, sondern nur ans Geld gedacht. Wie krank ist diese Welt, dass einer einen Bus wegen Geld in die Luft sprengen will? Ich verstehe einiges nicht mehr auf diesem Planeten.

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