Spiegel-Reporter Buschmann im Interview
Dieser Mann bringt Ronaldo in Bedrängnis

Spiegel-Reporter Rafael Buschmann (36) ist Mitglied eines Rechercheteams, das die Steuer-Tricks des Portugiesen enthüllte und nun mit der Frau sprach, die ihm Vergewaltigung vorwirft.
Publiziert: 05.10.2018 um 02:31 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2018 um 16:00 Uhr
Video zeigt Ronaldo mit seinem angeblichen Opfer
2:17
Partynacht in Las Vegas:Video zeigt Ronaldo mit seinem angeblichen Opfer
Andreas Böni
Spiegel-Reporter Rafael Buschmann.
Foto: Jeannette Corbeau

Herr Buschmann, Sie trafen Ronaldos mutmassliches Vergewaltigungsopfer Kathryn Mayorga zum Interview. Wie kam das Treffen zustande?
Rafael Buschmann: Wir arbeiten schon seit 2017 an der Geschichte. In den Football-Leaks-Dokumenten stiessen wir auf ein verstörendes Papier, in dem Kathryn Mayorga die mutmassliche Vergewaltigung durch Cristiano Ronaldo schilderte. Weiter gab es Dokumente, aus denen herauszulesen war, dass er 375'000 Dollar Schweigegeld an sie bezahlt hatte.

Wie gingen Sie vor?
Gemeinsam mit meiner Kollegin Antje Windmann flog ich nach Las Vegas. Dort wohnt die Frau, wir wollten mit ihr, ihrer Familie und ihrer ehemaligen Anwältin reden. Überall wurde uns die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wir recherchierten weiter, unter anderem bei der Polizei, dem Krankenhaus, öffentlichen Ämtern, und merkten bald: Wir können unseren Dokumenten trauen.

Warum schrieb die Frau die Schilderung jener Nacht nieder?
Das war eine wichtige Bedingung ihrer Einigung mit Ronaldo. Kathryn Mayorga bestand im Zuge dieses sogenannten Schweigeabkommens darauf, dass ihr Brief Cristiano Ronaldo vorgelesen wird – er war bei den Vergleichsverhandlungen nicht vor Ort. Nach der aussergerichtlichen Einigung durfte sie weder mit Freunden noch mit Arbeitskollegen über die Nacht mit Cristiano Ronaldo reden, selbst Therapeuten gegenüber durfte sie seinen Namen nicht nennen. Auch dadurch, sagt sie, konnte sie vieles nie richtig verarbeiten.

Nun wechselte sie ihren Anwalt, der die Abmachung für nichtig hält und alles neu aufrollt – dadurch sprach die Frau nun bei Ihnen und Ihrer Journalistenkollegin Antje Windmann doch noch öffentlich. Was trafen Sie für einen Menschen an?Einen zutiefst traumatisierten Menschen. Wir interviewten sie in Las Vegas über drei Tage lang. Erst fragten wir sie nach ihren Sorgen, sie musste das Gespräch unter Tränen abbrechen, den Raum verlassen.

Welche Details haben Sie besonders schockiert?
Als Journalist muss man immer Distanz wahren. Am Schluss waren zwei Menschen in jenem Zimmer, und nur sie wissen, was wirklich passiert ist. Sie spricht von Vergewaltigung, er von einvernehmlichem Sex. Aber ja, wenn du die Schilderung hörst, geht dir das nah. Sie sagt, dass sie hilflos dalag, versuchte, ihre Vagina zu schützen, als er von hinten anal in sie eindrang. Die Schilderung dieses Schmerzes, ihrer Machtlosigkeit, das geht schon sehr nah. Darüber hinaus gibt es einige fragwürdige Dokumente, die uns auch nach Erscheinen des Artikels etwas ratlos zurücklassen.

Welche?
In einem Fragebogen von Ronaldos Anwälten, der kurz nach der vermeintlichen Tatnacht entstand, wird Ronaldo damit zitiert, dass Kathryn Mayorga ihn bat, aufzuhören. Sie sagte immer wieder Nein, so schreiben es Ronaldos Anwälte in dem Fragebogen. Zudem sei der Sex «auf die brutale Tour» abgelaufen. Ein ärztliches Gutachten, das nach jener Nacht angefertigt wurde, weist zudem anale Verletzungen aus.

Ronaldo spricht in jenem Protokoll von vaginalem Sex.
Er spricht nur von Sex. Und dass er von hinten in sie eingedrungen sei.

Warum hat Ronaldo diese Sätze zu seinen Anwälten gesagt?
Das ist nur eine Vermutung: Aber ich denke, seine Anwälte wollten wissen, was in der Nacht vorgefallen war, um ihn besser verteidigen zu können.

Glauben Sie dem mutmasslichen Opfer?
Als investigativer Journalist würde ich nie sagen, dass ich für eine Quelle meine Hand ins Feuer lege. Aber der Frage­bogen von Ronaldos Anwälten ist schon ein Indiz, das ihre Posi­tion stärkt.

Hat «der Spiegel» für diese Informationen bezahlt? Nein. Keinen Pfennig.

Die Polizei rollt die Ermittlungen wieder auf. Was sind die Beweggründe der Frau, die 375'000 Dollar annahm, alles an die Öffentlichkeit zu bringen?
Sie nennt vier Gründe: Ihr neuer Anwalt, der mehr Erfahrung auf jenem Gebiet hat als seine Vorgängerin. Er hält das Schweigeabkommen für ungültig. Dann die Me-Too-Debatte. Die Atmosphäre gegenüber Frauen, die mit Traumata, über die früher nicht gesprochen werden durfte, an die Öffentlichkeit gehen, ist anders als noch vor zehn Jahren. Und dann möchte sie sehen, ob sich noch weitere mutmassliche Opfer melden. Und sie will für sich selbst eine Form der Verarbeitung finden. Sie durfte über Jahre nicht über Ronaldo sprechen, sah ihn aber an jeder Ecke. Im Fernsehen, auf Plakatwänden, selbst im Italien-Urlaub, wo überall Jungs mit Ronaldo-Trikots rumliefen.

Warum hat Ronaldo 375'000 Dollar bezahlt, wenn er sich als unschuldig sieht?
In Amerika sind solche aussergerichtlichen Einigungen nicht unüblich. Bei Klagen musst du öffentlich über dein ganzes Sexualleben reden. Deshalb wählen viele reiche Menschen lieber den Ausweg einer solchen Einigung.

Cristiano Ronaldo reagiert auf Sex-Vorwürfe
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«Fake News!»:Cristiano Ronaldo reagiert auf Sex-Vorwürfe

Das heisst auch: Jeder Prominente in Amerika, der Sex hat, lebt relativ gefährlich.
Der Sex ist nicht das Problem. Es geht um eine mutmassliche Vergewaltigung. Aber grundsätzlich: Prominente, die ein dunkles Geheimnis mit sich tragen, haben es in der Zeit von Handy-Kameras, den Panama Papers oder von Football Leaks nicht einfach, weil vieles an die Öffentlichkeit kommt.

Ronaldo sprach von «Fake News».
Das weise ich zurück. Das würde ja bedeuten, dass die Geschichte ausgedacht ist. Aber es gibt einschlägige Dokumente und nun auch ein mutmassliches Opfer, das spricht. Offen ist allerdings, ob der Sex einvernehmlich war oder es sich um eine Vergewaltigung handelte.

Sie enthüllten mit Ihrem Buch bereits, dass Ronaldo Steuern hinterzog.
Ja und auch da wies er die Vorwürfe eine sehr lange Zeit strikt zurück und präsentierte seinen Millionen Followern in den Sozialen Medien immer wieder seine eigene Welt. Diese Welt muss aber nicht zwingend etwas mit der Realität zu tun haben.

Ronaldo mit Freundin Georgina Rodriguez während dem Juventus-Spiel gegen YB.
Foto: TOTO MARTI

Hatten Sie schon mal direkt Kontakt zu ihm?
Seit über zwei Jahren versuchen wir über Anwälte, Medienberater, Klubs und viele andere Wege, an ihn heranzutreten. Aber alle unsere Gesprächswünsche wurden abgelehnt.

Werden Sie von Ronaldo-Fans bedroht?
Es kommen extrem viele Nachrichten und Beschimpfungen, das ist für unser ganzes Team unangenehm. Er hat eine grosse Fan-Gemeinde und viele können sich nicht vorstellen, dass er so etwas getan hat. Die vielen Anhänger waren übrigens auch eine Angst von Kathryn Mayorga, dass sie und ihre Familie von fanatischen Fans aufgesucht werden könnten. Sie sagte immer wieder: «Was ist, wenn sie mich finden?»

Cristiano Ronaldo und Freundin Georgina Rodriguez teilen sich nicht nur das Bett.
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Der Fall

Cristiano Ronaldo soll 2009 das heute 34-jährige Ex-Model Kathryn Mayorga in einem Hotel in Las Vegas vergewaltigt haben.Ronaldo lernt sein mutmassliches Opfer im Nachtklub «Rain» in Las Vegas kennen. Zusammen mit einer Freundin wird Mayorga danach per SMS zu Ronaldo in dessen Hotelzimmer bestellt. Später kommt es zum Sex – einvernehmlich, wie er behauptet. Sie meldete damals den Übergriff der Polizei, nannte aber den Täter nicht und akzeptierte später 375 000 Dollar Schweigegeld. Vergangene Woche reichte Mayorga beim zuständigen Bezirksgericht in Nevada Klage gegen Cristiano Ronaldo ein. Nun hat die US-Polizei die Untersuchungen im Vergewaltigungsfall offiziell wieder aufgenommen, wie «USA Today» berichtet. Anders klingt die Version des Fotomodels: Ronaldo sei plötzlich reingekommen, sein Penis sei dabei aus der Hose gehangen. «Er stand neben mir und wollte, dass ich seinen Penis anfasse. Er hat mich angebettelt: ‹Nur für 30 Sekunden!› Ich habe Nein gesagt. Und dann sagte er, ich solle ihn in den Mund nehmen.»Mayorga weiter: «Ich habe ihn wieder von mir gestossen. Er hat versucht, meine Unterwäsche auszuziehen, was ihm aber nicht gelang. Ich habe mich dann zusammengerollt und versucht, meine Vagina mit beiden Händen zu schützen. Und dann ist er auf mich drauf», so Kathryn weiter. Dann habe er sie anal vergewaltigt. Die Anusverletzungen sind im Spital dokumentiert worden.

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Das ist Rafael Buschmann

Der Spiegel-Journalist wurde 1982 in Polen geboren, lebt mittlerweile in Münster. Der Investigativ-Journalist kam nach dem Studium 2010 ins Sportressort von Spiegel Online, 2013 wechselte er zum Nachrichtenmagazin. Buschmann bekam 2016 Zugang zu 18,6 Millionen Dokumenten der Onlineaktivisten von Football Leaks. Er arbeitete gemeinsam mit anderen SPIEGEL-Reportern sieben Monate lang an Enthüllungen über die Steuertricks von Spielern wie Cristiano Ronaldo, Mesut Özil oder Lionel Messi. Mit seinem Kollegen Michael Wulzinger veröffentlicht er das Buch «Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte im Profifussball». Es wurde mehrfach übersetzt und war ein Bestseller in Deutschland.

Vergewaltigungsvorwürfe gegen Ronaldo

Worum geht es? 

Um eine Party-Nacht im Juni 2009 in Las Vegas. Ronaldo verbrachte den Abend mit Kathryn Mayorga in einem Club. Das beweisen Videos und Bilder der beiden. Später kam es zu Sex. Ronaldo bezeichnet den Geschlechtsverkehr als einvernehmlich, Mayorga spricht von Vergewaltigung.

Was sind die konkreten Anschuldigungen?

 Im «Spiegel» schildert Mayorga den Abend aus ihrer Sicht. Sie habe Ronaldo in einem Club in Las Vegas kennengelernt. Nach einer kurzen Unterhaltung habe der Fussballstar, der in diesem Sommer gerade von Manchester United zu Real Madrid wechselte, nach ihrer Handy-Nummer gefragt. «Ich habe sie ihm gegeben, und weg war er», so Mayorga.

Wenig später kriegt sie eine SMS vom damals 24-jährigen Ronaldo. Sie solle doch vorbei kommen. Mit einer Freundin geht sie hin. In der Suite angekommen, gehts in den Jacuzzi. Mayorga geht vorher noch ins Bad, um sich umzuziehen. Dann sei plötzlich Ronaldo reingekommen, sein Penis sei dabei aus der Hose gehangen. «Er stand neben mir und wollte, dass ich seinen Penis anfasse. Er hat mich angebettelt: nur für 30 Sekunden! Ich habe Nein gesagt. Und dann sagte er, ich solle ihn in den Mund nehmen.»

Trotz mehrfachem «Nein»- und «Stop»-Rufen von Mayorga lässt Ronaldo nicht locker. «Er hat versucht, meine Unterwäsche auszuziehen, was ihm aber nicht gelang. Ich habe mich dann zusammengerollt und versucht, meine Vagina mit beiden Händen zu schützen. Und dann ist er auf mich drauf und hat mich anal vergewaltigt», so Mayorga weiter. 

Ronaldo soll der Frau danach 375'000 Dollar Schweigegeld gezahlt haben. Mayorga hat im Anschluss gar einen Vertrag unterschrieben, aus Angst um sich und ihre Familie, wie es heisst. Dieses Abkommen wird nun in einer Zivilklage im US-Bundesstaat Nevada angefochten. 

Was sagt Ronaldo dazu? 

Er streitet alles ab. Er bezeichnete die Vorwürfe als «Fake News». Später nahm er auf Twitter etwas ausführlicher Stellung. Der Portugiese schrieb: «Ich weise die Vorwürfe, die gegen mich erhoben werden, klar zurück. Vergewaltigung ist ein abscheuliches Verbrechen, das sich gegen alles richtet, wofür ich stehe und woran ich glaube. Ich möchte meinen Namen reinwaschen, weigere mich aber, das Medienspektakel anzuheizen, welches von Leuten geschaffen wurde, die sich mit meinem Namen bereichern wollen.»

Was sind die Folgen? 

Die Polizei von Las Vegas verkündete im Herbst, die Akte von 2009 wieder zu öffnen und eine offizielle Untersuchung einzuleiten. Im Juli 2019 gibt die Bezirksstaatsanwaltschaft von Clark County (Las Vegas) bekannt, dass keine Anklage wegen sexueller Übergriffe gegen Ronaldo erhoben werde. Eine solche Tat könne nicht zweifelsfrei bewiesen werden. (nim)

Worum geht es? 

Um eine Party-Nacht im Juni 2009 in Las Vegas. Ronaldo verbrachte den Abend mit Kathryn Mayorga in einem Club. Das beweisen Videos und Bilder der beiden. Später kam es zu Sex. Ronaldo bezeichnet den Geschlechtsverkehr als einvernehmlich, Mayorga spricht von Vergewaltigung.

Was sind die konkreten Anschuldigungen?

 Im «Spiegel» schildert Mayorga den Abend aus ihrer Sicht. Sie habe Ronaldo in einem Club in Las Vegas kennengelernt. Nach einer kurzen Unterhaltung habe der Fussballstar, der in diesem Sommer gerade von Manchester United zu Real Madrid wechselte, nach ihrer Handy-Nummer gefragt. «Ich habe sie ihm gegeben, und weg war er», so Mayorga.

Wenig später kriegt sie eine SMS vom damals 24-jährigen Ronaldo. Sie solle doch vorbei kommen. Mit einer Freundin geht sie hin. In der Suite angekommen, gehts in den Jacuzzi. Mayorga geht vorher noch ins Bad, um sich umzuziehen. Dann sei plötzlich Ronaldo reingekommen, sein Penis sei dabei aus der Hose gehangen. «Er stand neben mir und wollte, dass ich seinen Penis anfasse. Er hat mich angebettelt: nur für 30 Sekunden! Ich habe Nein gesagt. Und dann sagte er, ich solle ihn in den Mund nehmen.»

Trotz mehrfachem «Nein»- und «Stop»-Rufen von Mayorga lässt Ronaldo nicht locker. «Er hat versucht, meine Unterwäsche auszuziehen, was ihm aber nicht gelang. Ich habe mich dann zusammengerollt und versucht, meine Vagina mit beiden Händen zu schützen. Und dann ist er auf mich drauf und hat mich anal vergewaltigt», so Mayorga weiter. 

Ronaldo soll der Frau danach 375'000 Dollar Schweigegeld gezahlt haben. Mayorga hat im Anschluss gar einen Vertrag unterschrieben, aus Angst um sich und ihre Familie, wie es heisst. Dieses Abkommen wird nun in einer Zivilklage im US-Bundesstaat Nevada angefochten. 

Was sagt Ronaldo dazu? 

Er streitet alles ab. Er bezeichnete die Vorwürfe als «Fake News». Später nahm er auf Twitter etwas ausführlicher Stellung. Der Portugiese schrieb: «Ich weise die Vorwürfe, die gegen mich erhoben werden, klar zurück. Vergewaltigung ist ein abscheuliches Verbrechen, das sich gegen alles richtet, wofür ich stehe und woran ich glaube. Ich möchte meinen Namen reinwaschen, weigere mich aber, das Medienspektakel anzuheizen, welches von Leuten geschaffen wurde, die sich mit meinem Namen bereichern wollen.»

Was sind die Folgen? 

Die Polizei von Las Vegas verkündete im Herbst, die Akte von 2009 wieder zu öffnen und eine offizielle Untersuchung einzuleiten. Im Juli 2019 gibt die Bezirksstaatsanwaltschaft von Clark County (Las Vegas) bekannt, dass keine Anklage wegen sexueller Übergriffe gegen Ronaldo erhoben werde. Eine solche Tat könne nicht zweifelsfrei bewiesen werden. (nim)

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