Intimes Interview mit Breel Embolo nach seiner Verletzung
«Ich machte mir Vorwürfe»

Breel Embolo (19) und sein verrücktes Jahr: Gerüchte um ManUnited, Rekord-Wechsel zu Schalke, Horror-Verletzung. Jetzt sagt er: «Ich gab mir auch eine Mitschuld, dass ich mich verletzt habe.»
Publiziert: 27.12.2016 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 18:40 Uhr
Nachdenklich: Das Nati-Juwel realisierte erst im Spital, wie schlimm es um ihn stand.
Foto: Joseph Khakshouri
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Andreas Böni

BLICK: Breel, wie feiert Familie Embolo Weihnachten?
Breel Embolo: Alle meine Lieben sind zusammen. Auch mein Vater, der in Kamerun wohnt, ist in die Schweiz geflogen, um mit uns Zeit zu verbringen.

Hat er auch Ihre Halbbrüder und Halbschwestern aus Kamerun mitgebracht?
Nein, nur die Verwandten aus der Schweiz, etwa 15 bis 20 Leute. Wir verbringen Zeit zusammen, alle Mütter und Tanten kochen. Die Jungen gehen irgendwann noch raus, und die Älteren bleiben zu Hause.

Wie ist Weihnachten in Kamerun?
Das Prinzip ist das gleiche: Man sitzt zusammen, und es wird gut gegessen . Aber es ist um einiges wärmer.

Gehen Sie als gläubiger Katholik in die Kirche?
Jeder hat seine Art, den Glauben zu leben. Früher gingen wir oft morgens in die Kirche. Heute ist es eher ein Gebet vor dem Essen, das passt für uns.

Wie sehr half Ihnen die Religion bei Ihrer Verletzung?
Sie half mir sicher. Man fragt sich: Was habe ich falsch gemacht? Warum ist es gerade mir passiert? Warum gerade jetzt, wo ich auf Schalke endlich in Fahrt kam?

Glauben Sie an Schicksal?
Ja. Aber ich gab mir eine Mitschuld, dass ich mich verletzt habe. Ich machte mir Vorwürfe.

Wieso? Augsburgs Stafylidis hat Sie doch niedergetreten.
Ich fühlte mich an jenem Tag wohl und dachte nicht daran, dass mir etwas passieren könnte. Ich war gedanklich in jener Szene schon weiter, war mir sicher, dass ich ihn stehen gelassen habe. Als er dann von hinten kam, war es ein Schock. Solche Szenen hatte ich 10, 15 in meiner Karriere erlebt, aber stets konnte ich mich mit Aufspringen retten. Ich wusste nach dem Aufprall sofort, dass etwas kaputt ist. Aber sicher nicht, dass die Verletzung so schwer ist.

Wie schlimm waren die Schmerzen?
Es ging, es war nur ein komisches Gefühl. Mein Fussgelenk war kalt, aber stark durchblutet. Dann war aber der Schmerz weg, und ich sagte meinen Mitspielern: «Jetzt gehts glaubs wieder.» Als ich auftrat, merkte ich aber, dass es nicht so ist. Aber eben: Nicht im Traum dachte ich daran, so lange auszufallen. Auf dem Weg ins Spital habe ich im Krankenwagen mein Handy gezückt und das Spiel weitergeschaut.

Ernsthaft?
Ja, wahrscheinlich hatte ich noch Adrenalin im Körper. Ich dachte, das seien höchstens die Bänder, nahm keine Schmerztabletten, nichts. Im Spital traf ich meine Berater und meine Familie, habe ein wenig telefoniert und SMS beantwortet. All den Menschen geschrieben, die sich nach dem Foul gemeldet hatten. Je länger es ging, desto besser fühlte ich mich wieder. Ich ärgerte mich, dass wir nur 1:1 gespielt hatten. Irgendwann kam dann aber ein Arzt.

Mit der Diagnose: Sprunggelenk und Wadenbein gebrochen. Syndesmose- und Innenbandriss. Vier bis sechs Monate Pause.
Er sagte: Bist du dir bewusst, dass einiges kaputt ist und du operiert werden musst? Ich hatte noch nie im Leben von dieser Verletzung gehört. Erst ab jenem Moment realisierte ich die Schwere der Verletzung. Es war komisch, das Spiel in Augsburg war vorbei, mein Fokus war schon bei den nächsten Spielen. Ich dachte: Jaja, das heilt schon schnell.

Ihre erste Operation?
Ja. Ich war ein wenig nervös, wusste nicht, was an Schmerzen auf mich zukommt. Aber alles verlief gut. Im Spital haben sie gut zu mir geschaut, aber die ersten drei, vier Tage sind halt mühsam. Du bist ans Bett gefesselt, bekommst Medikamente, und jede Minute kommt jemand und fragt, wie es dir geht. Du bist nicht frei.

Nach sieben Tagen durften Sie nach Hause.
Ja, ab da ging es aufwärts. Ich konnte ins Fitness-Studio. Sitzen, Krücken hinlegen, Velofahren mit den Händen, den Oberkörper stärken. Meine Physiotherapeutin hat mir klar gemacht, dass es viel mehr Muskeln zum Trainieren gibt als nur die Beine. So habe ich die Möglichkeit, meinen Körper zu verbessern, damit es das nächste Mal dann eben hält.

Wann spielen Sie wieder? Schon im Februar?
Das ist eher zu früh, vielleicht steige ich dann ins Mannschaftstraining ein. Als ich die Ausfalldauer von vier bis sechs Monaten mitgeteilt bekam, habe ich mir in den Kopf gesetzt, es früher zu schaffen. Das ist mein Ziel.

Teamkollegen drehten ein Video mit dem «Embolo-Song», Schalke-Boss Clemens Tönnies besuchte Sie zwei Stunden im Spital, Trainer und Sportchef schickten SMS. Sind Sie froh, auf Schalke gelandet zu sein?
Mir war schon vor diesem Wechsel bewusst, dass ich in einen menschlich tollen Verein komme.

Die Fans schlossen Sie ins Herz, als Sie nach fünf Startpleiten in Serie in Hoffenheim hemmungslos weinten.
Es war eine harte Zeit am Anfang, wir waren total in der Krise. In jenem Spiel konnte ich das erste Mal das bringen, was ich selbst von mir erwarte. Wir spielten gut und geben das Spiel dann innert zehn Minuten ab. In jenem Moment brach alles aus mir heraus.

Dass Sie bei Schalke sind, überraschte im heissen Transfer-Sommer. Eigentlich waren Sie ja erst mit RB Leipzig einig.
Ich habe mich für Schalke entschieden, nur das zählt für mich.

Mitten in den Verhandlungen mit RB rief José Mourinho an und ­wollte Sie zu ManUtd holen. Was sagte er zu Ihnen?
Hat er angerufen?

Sie spielen den Unwissenden?
Über andere Vereine rede ich nicht. Ich bin froh, dass ich bei Schalke bin.

Für Ihre Berater war klar, dass der Schritt zu ManUtd noch keinen Sinn macht. Auch Frankreichs Jung-Star Anthony Martial sitzt oft auf der Bank.
Mir war es sehr wichtig, den richtigen Schritt zu machen. Ich machte mir Gedanken, was am besten zu mir passt – das Ergebnis war am Ende, dass Schalke der perfekte Verein für mich ist. Die Emotionen, das Kämpferische. Es begleitete mich auch im Spital, als es mir einen Abend lang schlecht ging. Da sagte ich mir: «So, jetzt greife ich wieder an.» Seither hatte ich keinen einzigen negativen Tag.

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