«Freue mich, bald wieder aktiv eingreifen zu können»
2:12
Marcel Koller über die Zukunft:«Freue mich, bald wieder aktiv eingreifen zu können»

Marcel Koller zum 60. Geburtstag privat wie nie
«Mein Papa starb einfach über Nacht»

Happy Birthday, Marcel Koller! Zum 60. Geburtstag zeigt sich der Trainer privat wie nie. Spricht offen über den Verlust lieber Menschen, seine letzte Station beim FCB und was er im Leben richtig und falsch machte.
Publiziert: 11.11.2020 um 01:23 Uhr
|
Aktualisiert: 11.11.2020 um 07:23 Uhr
Marcel Koller feiert seinen 60. Geburtstag.
Foto: TOTO MARTI
1/20
Andreas Böni (Interview) und Toto Marti (Fotos)

BLICK: Herr Koller, herzliche Gratulation! Fühlen Sie sich wie 60?
Marcel Koller:
Manchmal schon… Zuletzt habe ich eine Kiste gehoben und nun habe ich eine Zerrung im Rücken. Und mein linkes Knie ist schon arg lädiert, ich gehe Knochen auf Knochen. Wenn ich eine Bergwanderung mache, sitze ich meist zum Abschluss unten in den Bach. Dann zischt es, so heiss ist es… (lacht) Lustig war es vor einem Jahr im Spital nach meinem Mountainbike-Unfall, als ich mir die Schulter kaputtgemacht habe.

Warum lustig?
Man fuhr mich im Rollstuhl zu Röntgen, mit einer Schambeinastfraktur und einer kaputten Schulter. Da kam der Arzt und sagte nach dem Röntgen: «Jesses Gott, ihr Knie!» Ich sagte ihm: «Ganz ruhig, das ist eine alte Story. Jetzt tut mir die Schulter weh.»

Am Bein waren Sie schon mit 19 schwer verletzt.
Das war beim A-Junioren-Final im Tourbillon, in Sion. Ich drehte mich weg und es knackste. In meinem Knie war die Sehne total durchgerissen. Der Trainer hob mich hoch, der Unterschenkel hing rechtwinklig runter wie bei einer Puppe. Ich schoss vor Schmerzen fast zum Mond hoch. Es war kein Arzt da, nichts. Der Platzwart brach zwei Stecken von einem Baum ab und fixierte mein Bein.

Und dann fuhren Sie schnell ins Spital.
Nein. Wir waren ja mit den Eltern runtergefahren, ich sass auf die Rückbank und streckte mein Bein. Wir fuhren nach Zürich. Seither bin ich schmerzerprobt. Auch, als ich mir das Schien- und Wadenbein beim Spiel Aarau gegen GC gebrochen wurde, da weiss ich noch, dass ich in der Kabine lag und die ganze Pause winselte wie ein angeschossener Hund. Ich ersehnte nur noch Morphium herbei, um erlöst zu werden. Eine erste Spritze in der Kabine half nichts, jene im Spital nach einer Fahrt mit Blaulicht dann schon. Zwei Mal riss ich mir dann noch die Achillessehne - ich sage, ich bin schmerzerprobt.

Mit 60 hat man zwangsläufig auch schon einige geliebte Menschen verloren. Wie gingen Sie damit um?
Besonders bei meinem Vater war es sehr happig. Er war ein riesen Fussball-Fan und mega stolz auf mich und meinen Bruder, der bei Aarau auch Fussball gespielte und dann mit 23 auf Job und Familie setzte. Mein Vater hatte 1999 einen Herzinfarkt in der Nacht. Und es war so, als ob er es gespürt hätte. Er hat am Abend vorher meine Mutter in den Arm genommen und gesagt, dass sies im Haus zum Glück gut hätte mit all den Freunden. Als meine Mutter mir das erzählte, hatte ich Gänsehaut, es war fast mystisch. Und natürlich auch unglaublich traurig.

Ihre Mutter wurde später dement. Wie war das für Sie als Angehörigen?
Das ist deftig. Irgendwann merkte ich, dass sie uns etwas fragte, wir es erzählten und sie nach fünf bis zehn Sekunden wieder das gleiche fragte. Wir, also meine Geschwister und ich, merkten dann über die Monate, dass etwas nicht stimmt. Und es wurde nicht besser. Sie konnte zwar noch zuhause wohnen, weil meine Schwester immer in der Nähe war. Aber sie zog sich immer mehr zurück. Irgendwann kommt dann der Entscheid, dass ein Heim besser für sie wäre. Das war unglaublich hart als Familie

Erkannte sie Sie noch?
Die Familienmitglieder, ja. Sonst die Menschen nicht mehr. Es war traurig. Du sitzt im Heim und wartest, bis es vorbei ist. Bei ihr waren es noch sechs, sieben Jahre, bis sie gehen durfte.

Haben Sie selber Angst, auch dement zu werden?
Nein, ich lebe grundsätzlich nicht mit Angst. Wenns so sein muss, muss es so sein. Ich versuche, im Hier und Jetzt zu leben. Jeden Tag zu geniessen und das beste aus jedem Tag zu machen. Wobei ich aus der Vergangenheit auch vieles für heute ziehe.

Aus Ihrer Kindheit in Zürich-Schwamendingen?
Wir waren immer draussen. Machten Eisfelder, bauten Seifenkisten, füürlten im Wald, gruben Höhlen aus, bauten Hütten oder Pfeilbogen, spielten Indianer und Cowboy. Ich freue mich darauf, wenn ich das dann mit meinen Enkelkindern machen darf.

Welche Rolle spielte Ihr Glaube?
Ich bin als Katholik aufgewachsen, da musstest du mit dem Grossvater in die Kirche. Da sass danach die ganze Familie zusammen und ass einen Braten. Du freutest dich die ganze Woche auf die feine Sauce.

Koller über den Alaba-Wirbel

«Ich bin in den Verhandlungen nicht dabei, ich weiss nicht genau, um was es geht. Aber David ist ein Top-Spieler, ein anständiger Mensch, für den Respekt sehr wichtig ist. Er schon mit 19, 20 eine grosse Persönlichkeit, die auch Spass und dumme Sprüche versteht. Aber er ist auch schlitzohrig und kann bestimmend sein. In der Mannschaft, wenn er den Kollegen sagt, dass es so nicht gehe. Oder er reklamierte auch mal beim Trainer. Meistens ging es um den Ausgang. Wir spielten oft in Wien, von 23 Spielern waren rund 15, 16 Söldner, sie wollten ihre Familie treffen und ich musste ihnen manchmal klar machen, dass wir wegen des Fussballs hier sind. Aber wir haben immer gute Lösungen gefunden.»

«Ich bin in den Verhandlungen nicht dabei, ich weiss nicht genau, um was es geht. Aber David ist ein Top-Spieler, ein anständiger Mensch, für den Respekt sehr wichtig ist. Er schon mit 19, 20 eine grosse Persönlichkeit, die auch Spass und dumme Sprüche versteht. Aber er ist auch schlitzohrig und kann bestimmend sein. In der Mannschaft, wenn er den Kollegen sagt, dass es so nicht gehe. Oder er reklamierte auch mal beim Trainer. Meistens ging es um den Ausgang. Wir spielten oft in Wien, von 23 Spielern waren rund 15, 16 Söldner, sie wollten ihre Familie treffen und ich musste ihnen manchmal klar machen, dass wir wegen des Fussballs hier sind. Aber wir haben immer gute Lösungen gefunden.»

Mehr

Ihre Trennung vom FC Basel ist nun zweieinhalb Monate her. Was haben Sie seither gemacht?
Am Anfang habe ich mit Velofahren und wandern abgeschaltet. Uns gefallen die Berge, die Natur, die Ruhe. Aber ich war nach den zwei Jahren in Basel nicht leer oder so.

Sie sagten kurz vor Ihrem Abgang: «Für das, was wir ertragen mussten, müssten wir einen Orden bekommen.» Was haben Sie damit gemeint?
Was alles rund um den Klub abging, das spürst Du tagtäglich. Du versuchst, die Mannschaft und Dich abzukapseln. Es wollen in Basel unglaublich viele Menschen Einfluss von aussen nehmen. Ich kannte es von Köln her, dass viele Ex-Internationale sich immer wieder profilieren wollen. Jeder probiert, einen Job zu bekommen, dabei zu sein im FCB, sich öffentlich zu äussern. Das Problem ist: Jeder denkt dabei nur an sich - das machts so schwer. Aber es waren auch zwei Jahre, in denen ich viel lernen durfte. Es gab schwierige Momente, es hat sich aber danach etwas entwickelt.

Es sind viele Personen gegangen inzwischen. Ist jetzt mehr Ruhe im Klub?
Ich glaube schon. Auch die Transfers waren gut. Pajtim Kasami wollte ich zweimal, nun ist er da. Ich denke auch, dass wir vieles vorbereitet haben mit den Jungen, die nun noch mehr zum Einsatz kommen. Es braucht Zeit, sie heranzuführen. Bei uns machten sie die ersten Schritte, nun bei Ciri Sforza die nächsten.

War es die schwierigste Station Ihrer Karriere?
Eine schwierige. Weil Anspruch und Realität auseinanderklaffen. Der FC Basel ist nicht mehr das Team von vor vier, fünf Jahren.

Wenn Sie Ihr Leben anschauen: Was haben Sie richtig gemacht und was falsch?
Mein Ziel war es, Fussballer zu werden. Das habe ich geschafft und mich trotz all der Verletzungen immer wieder zurückgekämpft. Ich hatte Willen, das zog sich durch mein Leben. Schlecht war vielleicht, dass ich nie ins Ausland ging. Einmal kam ein Angebot aus Mallorca, aber ich hatte gerade bei GC verlängert. Und was ich ganz sicher gut gemacht habe: Ich bin nun 20 Jahre mit meiner Frau zusammen und habe auch aus erster Ehe zwei wunderbare Kinder, die mir vier Enkel schenkten.

Sie haben noch fünf Jahre bis zur AHV. Bis wann möchten Sie arbeiten?
Solange ich Spass habe. Und ich habe noch riesige Freude.

Lieber Klubfussball oder Nationalmannschaft?
Ist beides möglich, es muss einfach passen.

Aber lieber ein Lehnstuhljob wie Nationaltrainer auf den Malediven oder etwas mit viel Druck?
Schon etwas mit Druck. Ergebnisse sind mir wichtig. Ich will gewinnen.

Das ist Marcel Koller

Koller wurde am 11.11.1960 in Zürich geboren. Sein Vater war Gärtner, seine Mutter Schneiderin. «Sie kürzte dem halben Quartier die Hosen für fünf Franken. Ich sagte ihr immer, sie solle mehr nehmen, weil sie Tag und Nacht schuftete - aber sie wollte niemanden verärgern», sagt Koller.

Als Kind spielte er beim FC Schwamendingen, bevor er mit 12 zu GC ging. Dort wurde er eine Klub-Legende, machte 434 Spiele für den Rekordmeister. Dazu kamen 55 Länderspiele für die Nati.

Als Trainer begann er mit 37 beim FC Wil, führte danach St. Gallen 2000 zum ersten Meistertitel nach 96 Jahren. Seine weiteren Stationen waren GC, Köln und Bochum bevor er Österreichs Nationaltrainer wurde. Unter ihm qualifizierten sich die Österreicher für die EM 2016. 2018 übernahm er den FC Basel, holte einen Cupsieg.

Koller ist zweifacher Vater, vierfacher Opa und verheiratet mit Gisela.

Koller wurde am 11.11.1960 in Zürich geboren. Sein Vater war Gärtner, seine Mutter Schneiderin. «Sie kürzte dem halben Quartier die Hosen für fünf Franken. Ich sagte ihr immer, sie solle mehr nehmen, weil sie Tag und Nacht schuftete - aber sie wollte niemanden verärgern», sagt Koller.

Als Kind spielte er beim FC Schwamendingen, bevor er mit 12 zu GC ging. Dort wurde er eine Klub-Legende, machte 434 Spiele für den Rekordmeister. Dazu kamen 55 Länderspiele für die Nati.

Als Trainer begann er mit 37 beim FC Wil, führte danach St. Gallen 2000 zum ersten Meistertitel nach 96 Jahren. Seine weiteren Stationen waren GC, Köln und Bochum bevor er Österreichs Nationaltrainer wurde. Unter ihm qualifizierten sich die Österreicher für die EM 2016. 2018 übernahm er den FC Basel, holte einen Cupsieg.

Koller ist zweifacher Vater, vierfacher Opa und verheiratet mit Gisela.

Mehr
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?