Nati-Goalietrainer im Interview vor der EM
Foletti: «Der Grat zwischen Held und Depp ist schmal»

Seit 2011 ist Patrick Foletti Goalitrainer der Nati. Am Samstag geht der Tessiner in sein siebtes grosses Turnier. Das sagt der Coach von Sommer, Kobel und Mvogo im Interview.
Publiziert: 15.06.2024 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2024 um 13:51 Uhr
Nadine Gerber
Schweizer Illustrierte

Gedränge hinter Nummer-1-Torhüter Yann Sommer (35): Goalies der internationalen Topklasse rücken im Schweizer Nationalteam nach vorn. Goalietrainer Patrick Foletti (50) erklärt, wie es dazu kommt.

Herr Foletti, ist die Schweiz im Fussball eine Goalie-Nation?
Patrick Foletti: Ja, das hört man immer wieder. In den vergangenen Jahren haben wir eine unglaubliche Dichte an internationalen Torhütern hervorgebracht. Man kann – ohne falsche Bescheidenheit zu üben – sagen, die Schweiz ist eine Goalie-Nation. Talent ist eine Voraussetzung, aber das alleine reicht nicht für eine internationale Karriere. Wir haben in den letzten 15 Jahren eine Ausbildung auf die Beine gestellt, die im ganzen Land durchgezogen wird. Diese trägt jetzt Früchte.

Unser Problem ist ja selten, hinten dichtzuhalten, sondern eher, vorn zu treffen. Woher kommt diese Situation?
«Problem» ist übertrieben. Aber es stimmt, dass wir in der Quali zu wenig aus unseren Chancen gemacht haben. Hier Gründe zu finden, ist ein bisschen schwieriger. Ich glaube, das ist auch verbunden mit unseren Werten und unserer Kultur. Schweizer haben gerne Sicherheit, wir sind bescheiden. Das sind klassische Tugenden hier. Und das spricht eher die Rolle des Torhüters an als die des Stürmers. Ich bin jedoch überzeugt, dass unsere Stürmer während der EM wieder treffen.

Seit 13 Jahren ist Patrick Foletti Goalietrainer der Nati.
Foto: TOTO MARTI
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Nun steht die EM in Deutschland vor der Tür. Wie bereiten Sie die Schweizer Torhüter auf das Turnier vor?
Die Zusammenzüge vor dem Turnier sind ganz klar der wichtigste Teil. In den Monaten und Wochen vor der EM stehe ich so oft wie möglich in Kontakt mit den Goalies, aber auch mit deren Klubs und den dortigen Torhütertrainern. Ich versuche zu spüren, wie sie drauf sind, sich entwickeln. Ich möchte ein klares Bild haben – so kann ich die Arbeit des Klubs weiterführen oder aber versuchen, Probleme von dort zu beheben. Ich kann auf drei Bereiche Einfluss nehmen. An der Athletik kann ich noch ein bisschen feilen. In taktischer Hinsicht muss ich versuchen zu adaptieren, vor allem wenn die Nati anders spielt als der Klub. Am meisten arbeite ich aber im mentalen Bereich. Mir ist wichtig, dass die Torhüter im Kopf in einer Topverfassung sind, wenn sie am Tag X auf das Spielfeld gehen. Natürlich liegt der Fokus auf der Nummer 1, auf Yann Sommer. Doch ich muss auch schauen, dass die Nummern 2 und 3 eine optimale Betreuung haben, dass diese auch ihre Rolle mental gut ausfüllen können. In ihren Klubs sind sie die klare Nummer 1, in der Nati kann nur einer im Tor stehen. Das ist nicht immer einfach.

Wie ist die Stimmung unter den Schweizer Torhütern, wie ist ihr Verhältnis? Sind die Rollen klar verteilt?
Die Rollen sind schon länger klar. Es ist wichtig, dass die Torhüter möglichst bald wissen, wie sie aufgestellt werden. So sind die Erwartungen definiert, und sie können sich besser eingewöhnen. Aber natürlich wollen alle spielen und nicht vier Wochen auf der Bank sitzen. Je nachdem muss ich auch mein Coaching anpassen. Doch sie sind alle sehr professionell. Das erwarte ich auch. Ebenso wie die Wertschätzung der Nummer 1 gegenüber den anderen. Neid gibt es nicht.

Wie erleben Sie die Schweizer Goalies? Freuen sie sich auf die EM?
Ja, sie freuen sich unheimlich. Wir haben eine erfahrene Gruppe, was Endrunden angeht. Diese Turniere sind ein Highlight für alle, in diesem Jahr vielleicht noch etwas mehr, weil die EM in Deutschland stattfindet. Alle unsere Torhüter haben einen engen Bezug zu Deutschland aus ihren Klubkarrieren. Sie kennen viele Leute dort, die Stadien sind bekannt. Deutschland kann hervorragende Turniere ausrichten. Und natürlich ist da auch die Nähe zur Schweiz, es werden viel mehr Schweizer Fans vor Ort sein als an anderen Endrunden.

Welcher unserer Gruppengegner – Deutschland, Ungarn und Schottland – hat den stärksten Goalie? Und was zeichnet diesen speziell aus?
Ohne die Leistungen der Torhüter von Ungarn oder Schottland zu schmälern – mit seinem Palmarès, seiner Aura und seiner Erfahrung ist das für mich ganz klar der deutsche Torhüter Manuel Neuer. Manu ist mit seiner Geschichte, seiner Präsenz ein Mehrwert für jedes Team. Er wird für Deutschland unheimlich wichtig sein.

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Wie sind die Goalies der Gegner zu knacken? Wo sind ihre Schwächen?
Jeder Goalie hat eine Schwäche oder etwas, was ihn ein bisschen weniger gut macht. Klar, wir reden hier von Top-Goalies. In der Analyse versuche ich, ein paar Schwachpunkte herauszufinden. Diese Informationen gebe ich an unsere Stürmer weiter. Ich hoffe, dass sie eine solche Schwäche im Spiel erkennen und so einen der gegnerischen Goalies knacken können. Aber die konkreten Schwachpunkte werde ich nicht öffentlich verraten (lacht).

Warum sind Sie eigentlich selbst Torhüter geworden?
Böse Zungen behaupten, ich sei als Kind nicht gerne gelaufen (lacht). Die Wahrheit ist aber: Ich war schon als Kind fasziniert von dieser Position. Es ist ein schmaler Grat zwischen Held und Depp. Diese Verantwortung zu tragen, verlieren zu können oder aber mit zwei, drei herausragenden Safes das Spiel zu gewinnen – das hat mich fasziniert.

Was hat sich auf der Torhüterposition geändert, seit Sie vor rund 20 Jahren selbst aktiver Spieler waren?
Unglaublich viel. Damals war der Torhüter ein Einzelkämpfer, es ging darum, das Tor zu verteidigen. That’s it. Heute ist der Goalie ein Teil des Teams, er ist ins Spiel der Mannschaft integriert. Seine Wichtigkeit hat zugenommen, und Torhüter auf höchster Ebene sind kompletter als in meiner Generation. Sie müssen das Spiel besser verstehen, müssen mitspielen können. Wenn ich mit den Qualitäten, die ich damals als Kind hatte, heute Kind wäre, könnte ich wohl auch relativ weit kommen, ich war schon damals sehr spielintelligent. Und ich habe eine grosse mentale Stärke, kann gut mit Druck umgehen. Aber ich schaffte es damals nie zum Nati-Goalie – und wäre wohl auch heute keiner.

Was trauen Sie der Schweizer Nationalmannschaft an der EM zu?
Ich traue dem Team wirklich viel zu. Aber: Wir müssen komplett sein, in der Lage, die besten Spieler der Schweiz zur Verfügung zu haben. Die Mannschaft ist wahnsinnig gereift, das werte ich als positiv. Wir haben inzwischen mehrere Spieler, die mit ihren Klubs im Ausland grosse Titel geholt haben. Das bringt unserem Team einen grossen Mehrwert. Wir wollen als erstes Ziel die Gruppenphase überstehen – und unseren Fans mit unseren Auftritten viel Freude bereiten.

Patrick «Fox» Foletti
Patrick Foletti, genannt «Fox», ist seit 2011 Cheftrainer der Schweizer Fussballnati-Torhüter. Der 50-Jährige wuchs im Tessin auf, wo er das Gymnasium absolvierte. Anschliessend studierte er an der ETH Zürich Sportwissenschaften. Als Aktiver stand er im Tor bei den Zürcher Grasshoppers, beim FC Schaffhausen oder beim FC Luzern. Seit 2007 betreibt er eine eigene Goalie-Schule.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

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Schweiz
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