Scheepers stand bereits 2008 wegen Kokainhandels vor Gericht
Freispruch – blechen musste er dennoch

Willy Scheepers sitzt nicht zum ersten Mal wegen Drogendelikten in U-Haft. 2004 wurde er auf spektakuläre Art und Weise verhaftet. 2008 wird er freigesprochen. Mit einem dicken «Aber»!
Publiziert: 26.06.2022 um 14:04 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2023 um 10:50 Uhr
Alain Kunz und Viktor Dammann

Die Verhaftung Ende Mai 2004 ist spektakulär. Der FC Kreuzlingen steht in den Aufstiegsspielen in die Challenge League. Baulmes VD ist der Gegner. Das Team residiert in einem Hotel im nahen Yverdon-les-Bains. Doch das Spiel wird ohne den Trainer der Ostschweizer stattfinden. Denn die Handschellen der Bundespolizisten klicken nach dem Mittagessen im Teamhotel. Wenige Stunden vor Kickoff. Baulmes gewinnt 3:2 nach Verlängerung. Und steigt später auf. Kreuzlingen nicht.

Im Umfeld des Ostschweizer Vereins sind alle baff und verblüfft. «Ich weiss nach wie vor nicht, was ich davon halten soll», sagt Präsident Peter Matzpohl im «St. Galler Tagblatt» rund eine Woche nach der Verhaftung. «Willy Scheepers in Verbindung mit den im Raum stehenden Vorwürfen zu bringen, passt so ganz und gar nicht ins Bild, das ich mir von ihm in den letzten rund eineinhalb Jahren gemacht habe.» Er sei doch immer jemand gewesen, der viel Wert auf sein Image gelegt habe.

Vertragsauflösung während 102-tägiger Untersuchungshaft

Damals weiss weder die Freundin des Holländers noch sein Arbeitgeber, wo er in U-Haft sitzt. Die Flucht- und Verdunkelungsgefahr scheint jedenfalls erheblich. Und die Vorwürfe sind ja auch nicht aus Pappe: Scheepers werden Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz und die Organisation einer kriminellen Bande zur Last gelegt. Die Klubleitung löst den Vertrag mit ihrem Coach noch während der U-Haft auf, die 102 Tage dauern sollte.

2004 wurde Willy Scheepers schon einmal verhaftet – kurz vor einem Aufstiegsspiel mit dem FC Kreuzlingen.
Foto: FOTO GACCIOLI KREUZLINGEN
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Schon im Dezember 2004 findet Scheepers einen neuen Job im Fussball. Er wird vollamtlicher Trainer und Marketingleiter beim deutschen Verbandsligisten FC Konstanz, gleich ennet der Grenze. «Ich denke, es ist für mich besser, einen Neuanfang zu machen», sagt der damals 43-Jährige im «St. Galler Tagblatt».

Mit dem Engagement beim anderen FCK, ganz nahe bei Kreuzlingen, wolle er auch aufzeigen, dass er kein Typ sei, der davonlaufen müsse, ergänzt der ehemalige FCZ-Profi. Und erläutert, dass eines der gegen ihn damals laufenden Verfahren eingestellt, das andere an die Bezirksanwaltschaft weitergegeben worden sei. Der zweite Vorsitzende des FC Konstanz heisst damals Holger Hahn. Nach Einsicht in die Akten sagt dieser: «Ich bin selber Anwalt und der Auffassung, dass er wirklich unschuldig ist.»

Vier Jahre nach der Verhaftung endet auch das Kokainverfahren. Denn das Bezirksgericht Zürich spricht Scheepers vom Vorwurf frei, im Dezember 2003 in Holland rund 1,6 Kilo Kokain übernommen und im Limmattal gewinnbringend mit einem Erlös von rund 14'000 Franken weiterverkauft zu haben. Die Beweise von Staatsanwalt Alois Rüegg reichten nicht. Dieser hatte sich auf zwei zwielichtige Belastungszeugen – einen hochkarätigen holländischen Kokaindealer und eine Zürcher Milieufigur – sowie polizeiliche Telefonkontrollen gestützt.

Scheepers gestand Geld- und Viagra-Geschäfte

Scheepers damaliger Anwalt Thomas Rohrer, mittlerweile verstorben, bezeichnete die Anklageschrift als «Zumutung» und donnerte damals im Gerichtssaal: «Diese beiden Figuren sind die vermeintlichen Kronzeugen (...), deren Geschwätz die Anklägerin für glaubhaft hält.» Weiter stützte sich die Anwaltschaft auf eine Digitalwaage mit Kokainspuren, welche die Drogenfahnder an Scheepers’ Wohnort Weiningen ZH sichergestellt hatten.

Scheepers hatte damals (wie heute übrigens auch) alle Vorwürfe bestritten und lediglich gestanden, mit erwähntem holländischen Kokaindealer in Kontakt gestanden zu haben, allerdings nur wegen Geld- und Viagra-Geschäften.

Scheepers wird nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» freigesprochen. Die Beweislage ist zu dünn. Und doch: Gerichtspräsident Sebastian Aeppli ging damals davon aus, dass der Holländer mit seinem konspirativen Verhalten mit der Benutzung einer verschlüsselten Sprache und Geheimwörtern bei den abgehörten Telefonaten sehr wohl «etwas Illegales» abgewickelt habe. Ein Beispiel: Das Codewort für gelieferte Ware soll «Fussballspieler» gewesen sein … Und seine Geldwechselgeschäfte seien «höchst undurchsichtig» gewesen.

Weil er so die Einleitung der Strafuntersuchung mitverursacht habe und wegen der Viagra-Geschäfte bürdete das Gericht dem Angeklagten einen Grossteil der Untersuchungs- und Verfahrenskosten auf. Dabei dürfte es sich um einen Betrag in fünfstelliger Höhe gehandelt haben. Und weil der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte, bestand auch kein Entschädigungsanspruch für die 102-tägige Untersuchungshaft, was bei einem Freispruch üblich ist. Auch den beschlagnahmten Revolver inklusive 15 Schuss Munition erhielt er nicht zurück.

Scheepers wird auf unschuldig plädieren

Der Staatsanwalt, der eine unbedingte Freiheitsstrafe von 27 Monaten gefordert hatte, legte wohl Berufung ein, zog diese aber zurück. Scheepers und Rohrer verzichteten auf eine Berufung, auch wenn der Ex-Fussballer nach dem Freispruch gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» gesagt hatte: «Es ist nicht befriedigend, freigesprochen zu werden und trotzdem bezahlen zu müssen.»

Zu diesem Zeitpunkt ist Scheepers längst wieder Trainer und Sportchef des FC Kreuzlingen. Allerdings nicht sehr lange. Im März 2009 verabschiedet er sich Knall auf Fall von den Ostschweizern, weil er bessere Perspektiven in seiner Heimat sah. Doch Scheepers landet nie in Amsterdam. Sondern beim zyprischen Erstligisten Apep Pitsilia. Das «St. Galler Tagblatt» schrieb damals: «Der Abgang durch die Hintertüre hat den Trainer-Mythos von Scheepers beim FC Kreuzlingen endgültig demontiert.»

Mal schauen, ob das nicht eher der zweite Prozess gegen Scheepers wegen Kokainhandels macht. Termin ist am 29. Juni. Scheepers aktueller Anwalt Marcel Keller hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, die Scheepers den Handel mit sieben Kilo Kokain vorwirft und zehn Jahre Freiheitsstrafe fordert, sagt er: «Herr Scheepers wird anlässlich der Hauptverhandlung auf unschuldig plädieren.» Es gilt die Unschuldsvermutung.

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