SFV-Chefjurist bestätigt Blick-Recherchen
Ablösesummen für Trainer sind reine Goodwill-Zahlungen

Der FC Wil wollte anfänglich über 100'000 Franken für den Wechsel von Trainer Brunello Iacopetta zum FC Aarau. Geflossen ist am Ende viel weniger. Der Chefjurist des Schweizer Fussballverbands erklärt, warum Ablösesummen für Trainer keine Pflicht sind.
Publiziert: 22.05.2024 um 19:17 Uhr
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Sebastian WendelReporter Fussball

Für Spieler, die vor Vertragsende den Klub wechseln, wird gemäss SFV- und Fifa-Statuten eine Ablösesumme fällig. Gilt das auch für Trainer?

Die Frage ist aufgetaucht im Rahmen des Ablösezoffs zwischen dem FC Aarau und dem FC Wil um Trainer Brunello Iacopetta. Der hat mittlerweile im Brügglifeld bis 2027 unterschrieben. Nachdem die Klubs nach wochenlanger Kontroverse über die Wechselmodalitäten eine Lösung gefunden haben. 

In der Ostschweiz galt lange die Überzeugung, die für Iacopetta anfangs geforderte, sechsstellige Ablösesumme sei auch aus juristischer Sicht gerechtfertigt. «Wir sind uns aufgrund der Rechtslage ganz sicher, dass wir eine Ablöse einfordern können», so Wils Mediensprecher David Hugi zu CH Media.

Brunello Iacopetta wechselt vom FC Wil zum FC Aarau.
Foto: Martin Meienberger/freshfocus
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Derweil war man im Brügglifeld von Anfang an sicher: Aus rein juristischer Sicht ist für Trainer keine Ablösesumme fällig. Die Summe, die der FCA nun für Iacopetta überweist, ist ein Bruchteil der ursprünglichen Forderung aus Wil. Vor allem: Sie basiert auf reinem Goodwill, ist freiwillig. So wie alle Ablösezahlungen für Trainerwechsel innerhalb der Schweiz und ins Ausland.

SFV-Chefjurist bestätigt: Trainerablöse keine Pflicht

Schon während des Ablösezoffs zwischen Wil und Aarau haben mehrere Fachexperten gegenüber Blick bestätigt: Für Trainer gelten tatsächlich andere Gesetze als für Spieler. Ablösesummen für Trainer sind keine Pflicht.

Ein Trainer eines Schweizer Profiklubs kann seine Arbeitsstelle theoretisch jederzeit fristlos verlassen. Als Entschädigung für den nicht eingehaltenen befristeten Vertrag kann der Klub als Arbeitgeber gemäss Schweizer Obligationenrecht lediglich ein Viertel eines Monatslohns plus allfälligen Schadenersatz verlangen, wobei Letzterer vom Klub nachzuweisen ist, was in der Praxis oft schwierig ist. Bei geschätzten 10'000 Franken Monatslohn eines Trainers in der Challenge League wären das gerade Mal 2500 Franken.

Nun zementiert der Schweizer Fussballverband diese Einschätzung. Gegenüber Blick sagt SFV-Chefjurist Dominique Schaub: «Die Regeln des SFV und der Fifa für Spielerverträge beziehungsweise den Schutz der Vertragsstabilität gelten nicht für Trainer. Der Unterschied zwischen Spieler und Trainer zeigt sich auch beim möglichen Zeitpunkt eines Klubwechsels: Während Spieler nur in den dafür vorgegeben Transferfenstern für neue Klubs qualifiziert werden, können Trainer jederzeit den Klub wechseln.»

Und was gilt, wenn im Trainervertrag eine Ausstiegsklausel mit festgelegter Summe drinsteht? Der entsprechende OR-Artikel ist zwingender Natur, weshalb eine Ausstiegsklausel nur so weit zulässig wäre, wenn sie keinen strafbaren Charakter aufweist beziehungsweise die Höhe eines Viertels eines Monatslohnes nicht übersteigt.

Profi-Trainer in sehr komfortabler Situation

Zusammengefasst sind Trainer arbeitsrechtlich diesbezüglich in einer komfortablen Position. Verlässt ein Trainer seinen Klub fristlos, muss er eine vergleichsweise kleine Entschädigung bezahlen und kann dann woanders unterschreiben. Wird indes ein Trainer entlassen, hat er grundsätzlich Anrecht auf Fortzahlung seines Gehalts bis zum Ablaufdatum seines Vertrags.

Zum Vergleich: Verlässt ein Spieler mit laufendem Vertrag seinen Klub ohne dessen Einverständnis beziehungsweise, ohne dass eine Ablösesumme bezahlt wird, droht ihm vom SFV beziehungsweise von der Fifa ein mehrmonatiges Spielverbot und seinem neuen Verein eine Transfersperre. 

Zurück zum Ablösezoff zwischen Aarau und Wil: Dort können alle Parteien froh sein, ists doch noch zu einer aussergerichtlichen Einigung gekommen. Denn neben der juristischen gibts auch noch eine andere Sicht auf den Wechsel des Arbeitgebers: Hätte Iacopetta seinen Abgang aus Wil vor dem Gericht erkämpfen müssen, wäre sein Ruf für immer ramponiert gewesen.

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