Alarmstufe Rotblau!
Warum der FC Basel nicht untergehen darf

David Degens Casino-Strategie hat den Klub an den Rand des Abgrunds gebracht. Es wäre fatal, wenn der FCB fallen würde.
Publiziert: 05.10.2023 um 12:11 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2023 um 17:00 Uhr
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Das waren noch Zeiten, als Thomas Gottschalk 14 Millionen TV-Zuschauer und eine berstend volle Joggeli-Halle samstags zur Primetime mit diesem Satz begrüsste «Guten Abend, Basel! Herzlich willkommen zu Wetten, dass..?». Unterhaltungsstadt Basel, 12 Mal war «Wetten, dass ..?» zu Besuch, zuvor war es «Einer wird gewinnen» mit Hans-Joachim Kulenkampff, danach etwa der «Musikantenstadl» mit Andy Borg. Es war stets was los am Rheinknie.

Zum Kulturgut gehört auch der FC Basel. Auf immer unvergessen sind die magischen Europacup-Nächte, die «selbstverständlichen» Meisterschafts- und Cuptitel, die ausgiebigen Feiern auf dem Barfi. Vergangen und vorbei. Es bleiben schöne Erinnerungen – etwas für Romantiker. Die grossen Samstagabendshows, wo sich Familien vor dem TV versammelten, sind in Netflix-Zeiten passé, nicht mehr rentabel, nicht mehr en vogue. The times they are a-changin'. Das gilt auch für den Fussball, das Liebkind der Basler.

Gekränktes Basler Selbstverständnis

Die FCB-Fans, gar die Treusten der Treuen, sind vergrault, desillusioniert. Sie pfeifen die eigene Mannschaft aus, winken Spieler und Trainer in die Kabine, wollen sie nicht mehr sehen, applaudieren dem Gegner. Was vor kurzem noch undenkbar war, ist eingetroffen. Auch die alten Helden sind schockiert, sprachlos, traurig.

Redebedarf beim FCB: Was Taulant Xhaka (r.) Trainer Heiko Vogel nach der 0:3-Pleite gegen SLO eindringlich ins Ohr flüsterte, wollten die Beteiligten nicht verraten.
Foto: keystone-sda.ch
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Es geht nicht mehr um Titel und Meriten, es geht um den nackten Existenzkampf. Dass der Uralt-Rivale FCZ gerade auf Höhenflug ist, die Liga anführt, und Klassenprimus YB sich im Champions-League-Gewand präsentieren darf, führen zu weiteren Kratzern im gekränkten Basler Selbstverständnis.

Der FCB ist zum Problem geworden, das es zu lösen gilt. Wie die offene Drogenszene, die sich in Kleinbasel bedrohlich ausbreitet, oder der Kampf um die Klimaneutralität, welche die Stadt bis 2037 erreichen muss, was Verzicht bedeutet, etwa die Reduktion des Autoverkehrs oder der Ersatz von Öl- und Gasheizungen. Verzichten und Zurückschrauben tut aber niemand gern.

High-Risk-Strategie: Alles auf Rotblau

Auch nicht David Degen, früher selbst erfolggewohnter Spieler, seit 2021 Präsident. Wirblig und ambitiös, vielleicht naiv, stets grossdenkend, träumt er davon, den FCB wieder top zu machen. Doch kämpft DD auch mit Altlasten. Denn ein Ursprung der aktuellen Krise ist auch an den goldenen Zeiten unter Bernhard Heusler festzumachen. Als das Konstrukt FCB so aufgebläht wurde, dass es nur noch mit Erfolgen auf der grossen europäischen Bühne refinanziert werden konnte.

Da diese Erfolge bei der rasanten Entwicklung im europäischen Spitzenfussball für Schweizer Klubs immer schwieriger zu erreichen sind, gleicht das aktuelle Festhalten an den Ambitionen einem Untergangskommando. Degen setzt auf Spieler, die sich im Ausland nicht durchsetzten konnten oder noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen, hofft auf deren ultraschnellen Durchbruch und einen guten Erlös. Eine Casino-Strategie, die mit einem unverantwortbaren Risiko behaftet ist. Alles auf Rotblau und Augen zu.

Identifikation wird immer schwieriger

Letzte Saison ging das noch auf. Dank der Erfolge in der Conference League konnten mindestens 50 Millionen mit Transfers umgesetzt werden – dafür kann man Degen durchaus ein Kränzchen winden. Doch heuer fehlt diese europäische Bühne, die ist bereits verspielt, und die Millionen rieseln so schnell durch die Finger wie der Sand am Meer. Zudem haben die neuen Spieler wohl auch nicht das Potenzial derer, welche im Sommer alle verkauft und so zum finanziellen Glücksgriff wurden. Ihre Namen? Kann man sich kaum merken. Sie kommen, sie gehen. Die Identifikation der Fans mit dem Team? Wird immer schwieriger.

Es gibt sie nicht mehr auf dem Platz, die Lokalhelden aus Basel: Maissen, Ceccaroni, Huggel, Streller, Frei, die jahrelang das Team geführt und geprägt haben. Welche dieses rotblaue Trikot mit Leidenschaft trugen, für den Klub ihre Seele gaben und dafür mit der Liebe der Fans belohnt wurden. Jetzt schaut jeder auf seine eigene Karriere, betrachtet den FCB höchstens noch als Sprungbrett, nicht mehr als Herzensangelegenheit. Ich mag es ihnen bei den finanziellen Verlockungen, welche der heutige Fussball auch Durchschnittskickern bietet, nicht mal verdenken. Dass die Fans in Basel sich damit schwertun, ist noch nie brutaler zum Ausdruck gekommen als am vergangenen schwarzen Sonntag.

Mehr Demut und eine neue Strategie

Was es braucht, ist ein wohlüberlegter Neuaufbau – einen langfristigen Plan. Dazu gehört eine nachhaltige Nachwuchsförderung, eine Identifikationsstrategie mit Spielern aus der Region und Fan-Nähe, wirtschaftliche Vernunft, breite finanzielle Abstützung, um eine Struktur aufzubauen, die auch in Krisenzeiten bestehen kann. Das benötigt Sachverstand, Zeit, Geduld und verlangt Verzicht. Möglicherweise auch den vorübergehenden Verzicht auf magische Nächte und den Traum vom schnellen Geld. Vielleicht haben noch nicht alle die Alarmglocken läuten hören. Der FCB steht am Scheideweg, kurz vor dem Abgrund. Fällt er, wäre das nicht nur für das stolze Basel fatal, sondern für den ganzen hiesigen Fussball.

Ich wünsche David Degen und seinen Mitstreitern Weitsicht und ein gutes Gespür für die Lage. Der FC Basel darf nicht untergehen. Und ich schreibe das nicht als FCB-Fan, obwohl ich als ehemaliger Spieler durchaus Sympathien für diesen Klub hege, sondern als Fan des Schweizer Fussballs.

Am Sonntag muss Basel im ausverkauften Wankdorf gegen YB ran. Allen ein gutes Spiel und eine wunderbare Woche. Bis zum nächsten «Steilpass» am kommenden Donnerstag.

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