Blick-Umfrage machts deutlich
Super-League-Klubs können mit Kaskadenmodell nichts anfangen

Eine Blick-Umfrage zeigt: Das Kaskadenmodell, mit dem Politik und Behörden dem Gewaltproblem rund um Fussballspiele entgegentreten wollen, wird von den Klubs in der aktuellen Form abgelehnt.
Publiziert: 08.02.2024 um 17:14 Uhr
|
Aktualisiert: 09.02.2024 um 11:05 Uhr

Geht es nach den Behörden, soll das Kaskadenmodell Entspannung in die Fanproblematik rund um Super-League-Spiele bringen. Bestrafungen werden je nach Schwere und Wiederholungsanzahl der Gewaltvorfälle ausgesprochen. Blick hat sich bei den Klubs der Super League umgehört und sie gefragt, was sie vom Kaskadenmodell halten, das auf Kollektivstrafen wie Sektorsperrungen setzt.

Am deutlichsten äussert sich FCZ-Präsident Ancillo Canepa. Er hat vergangene Woche, nach der Sperrung der Südkurve für das Heimspiel gegen Lausanne-Sport, eine Lanze gebrochen und Rekurs gegen die Verfügung eingelegt. Mit dem Ziel, einen Präzedenzfall für die ganze Schweiz zu schaffen. Canepa zu Blick: «Es handelt sich hier um eine Kollektivbestrafung, auch wenn die Behörden behaupten, es sei eine präventive Massnahme. Deshalb wollen wir von einem Gericht beurteilen lassen, inwieweit eine eine Kollektivbestrafung überhaupt rechtmässig ist.»

Canepa vermisst das Know-How

Für das Kaskadenmodell hat Canepa wenig übrig: «Für mich grenzt dieses Vorgehen an eine Bankrotterklärung unseres Systems.» In der aktuellen Debatte zwischen Behörden, Politikern, Klubs und Liga vermisst Canepa das Know-How und die Erfahrung in der Thematik. Diese Punkte seien in früheren Arbeitsgruppen zum Thema mehr vorhanden gewesen.

KKJPD-Co-Präsidentin Karin Kayser-Frautschi hat die schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe, die Klubs vom Kaskadenmodell zu überzeugen.
Foto: Keystone
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Der FC St. Gallen stellt auf Blick-Nachfrage bereits die rechtliche Grundlage des Kaskadenmodells infrage. Dabei geht es auch um den Streitpunkt, inwiefern Klubs für das Verhalten von Fans ausserhalb der unmittelbaren Stadionumgebung verantwortlich gemacht werden können.

«In solchen Fällen, bei denen die einzige Verbindung zum Fussball oft nur darin besteht, dass die Täter bestimmte Clubfarben tragen, stehen die Klubs vor einer unlösbaren Aufgabe, weil sie ausserhalb der Stadien keinerlei Befugnisse haben», erklärt GC-Vizepräsident Andras Gurovits ein Problem, auf das alle Klubs verweisen.

Klubs nehmen Behörden stärker in Pflicht

Stattdessen drehen gleich mehrere Klubs den Spiess um und nehmen die Behörden stärker in die Pflicht. So zum Beispiel im Falle des Léman-Derby Anfang Dezember, als es vor dem Stade de la Tuilière zu Ausschreitungen zwischen Lausanne- und Servette-Fans kommt. «Wir sind der Meinung, dass Personen, die am Rande von Sportveranstaltungen Gewalt ausüben, identifiziert, festgenommen und strafrechtlich verfolgt werden müssen. Dies fällt im öffentlichen Raum in den Zuständigkeitsbereich der Behörden», so Servette, das den Sicherheitsbehörden vorwirft: «Unseres Wissens wurden bei den Ausschreitungen vor dem Stade de la Tuilière aber keine Personen identifiziert oder festgenommen.»

Statt eine Verfolgung von Einzeltätern anzustreben, rücke das Kaskadenmodell Kollektivstrafen in den Fokus, heisst es vom FC Luzern. Diese würden sich nicht gegen die Verursacher von Gewaltausschreitungen, sondern gegen die grosse, friedliche Mehrheit richten. Die Befürchtung aller Klubs: Kollektivstrafen könnten den Effekt auslösen, dass sich Menschen, die sich bisher friedlich verhalten haben, durch diese Massnahmen provoziert fühlen und sich mit gewaltbereiten Personen solidarisieren könnten.

«Die Massnahmen sind unwirksam, da sie mehr Probleme schaffen, als sie eigentlich lösen sollen», findet der FC Lugano. Auch beim FC Basel und YB beurteilt man das Verhängen von Kollektivstrafen als nicht verhältnismässig und zielführend.

Dialog soll im Fokus stehen

Stattdessen, da sind sich die Klubs einig, soll weiter auf den Dialog zwischen allen involvierten Parteien gesetzt werden. Wenn sie dem Kaskadenmodell überhaupt etwas Positives abgewinnen können, ist es die Einführung von schweizweit einheitlichen Massnahmen. «Leider wird es aber schon jetzt, bevor es offiziell ist, ungleich angewendet», heisst es etwa in Lugano. Auch der FC Luzern findet: «Es ist absolut nicht klar, welche Art von Vorfällen zu welchen Massnahmen führt.»

Die verschiedenen Behörden hätten in den vergangenen Monaten unkoordiniert und ohne Rücksprache mit den Klubs oder der SFL Entscheide getroffen haben, die dem Kaskadenmodell zuwiderlaufen. Ähnlich beurteilt auch YB die zuletzt verhängten Sanktionen. Grundsätzlich sei ein von Behörden und SFL erarbeitetes Modell zielführend, «bevor dieses Modell jedoch überhaupt verabschiedet wurde, sind die Behörden in der Praxis auf einen anderen, nicht abgestimmten Weg abgebogen.»

Im Blick-Interview diese Woche kündigte KKJPD-Co-Präsidenten Karin Kayser-Frutschi an, wieder das Gespräch mit den Klubs zu suchen. Klar ist: Da wird vonseiten der Politik viel Überzeugungsarbeit nötig sein, um die Klubbosse zurück ins Boot zu holen.

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Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
6
4
13
2
Servette FC
Servette FC
6
-3
12
3
FC Zürich
FC Zürich
5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
FC Basel
6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
6
-7
4
11
FC Winterthur
FC Winterthur
6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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